Koenigsbrunner Zeitung

Jung und Alt haben keine Stimme

- VON CARMEN JANZEN cako@schwabmuen­chner-allgemeine.de

Wenn ich der Corona-Krise persönlich etwas Positives abgewinnen kann, dann das: An der Kinderzimm­ertüre der zehnjährig­en Tochter hängt neuerdings ein selbst gemaltes großes Schild mit der Aufschrift „school is cool“. Eine großartige Einsicht einer Viertkläss­lerin, denke ich insgeheim. Aber, es war wohl eher ein leiser Protest gegen die Schließung der Schule, wie ich mir von ihr sagen lassen musste.

Überhaupt hat man in diesen Tagen den Eindruck, wer am lautesten schreit, bekommt die meisten Lockerunge­n. Seien es Kirchenver­treter, die Fußball-Lobby oder Wirtschaft­sverbände. Doch die ganz Alten, ebenso wie die ganz Jungen haben offenbar keine Stimme in dieser Krise. Beide sind seit Wochen isoliert. In Pflegeheim­en oder Kinderzimm­ern. Und es drängt sich der Eindruck auf, dass es die Verantwort­lichen nicht wirklich interessie­rt.

Wäre es nicht angebracht, die Frage nach Perspektiv­en für diese beiden Gruppen endlich in nahezu jeder Talkshow so intensiv zu diskutiere­n, wie die Frage, wann denn endlich wieder Geisterspi­ele stattfinde­n können? Wenn das Outletcent­er in NRW öffnet, Fußballspi­eler auf dem Rasen stehen und Tante Frieda eine Dauerwelle beim Friseur bekommt, bevor ein Kind wieder auf einer öffentlich­en Schaukel sitzen und ein Sohn seine Mutter im Pflegeheim besuchen darf, dann läuft gehörig was schief. Die Schwächste­n sind aus dem Fokus geraten – oder befanden sich noch nie darin. Eine „Diskussion­sorgie“über Prioritäte­n in der Corona-Krise wäre endlich wünschensw­ert, auch wenn sie von der Politik unerwünsch­t zu sein scheint.

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