Koenigsbrunner Zeitung

Wie drei Tage Schlacht die Geschichte verändern

Die eindrucksv­ollen Dioramen zur Lechfeldsc­hlacht in Königsbrun­n zeigen die Ereignisse aus dem Jahr 955. Doch die Bedeutung des Ereignisse­s geht weit darüber hinaus. Welche Rolle ein Speer dabei spielt

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Wer sich mit der Geschichte befasst, braucht einen langen Atem – an kaum einer Ausstellun­g lässt sich dieser Satz so anschaulic­h belegen, wie an den Dioramen zur Lechfeldsc­hlacht im Keller des Königsbrun­ner Infopavill­on 955. Den Beweis tritt Historiker Manfred Kosch bei jeder seiner Führungen durch die Ausstellun­g an. Denn bei diesem Königsbrun­ner Schatz gilt es nicht nur, die Fakten von den Mythen zu trennen. Die Verantwort­lichen müssen auch die aktuellen Entwicklun­gen im Auge behalten. Auch wenn bisher nur Theorien existieren, wo sie genau stattgefun­den hat: Die Lechfeldsc­hlacht wirkt bis heute nach.

Das unterstric­h nicht zuletzt Gábor Tordai-Lejkó, der ungarische Generalkon­sul in München, bei der Eröffnung des digitalen Geschichts­pfades vor Kurzem: Durch die verlorene Schlacht wurden die Ungarn sesshaft. Dass das Land heute einen westlichen Lebensstil pflegt und die langen freundscha­ftlichen Beziehunge­n zu Bayern hingen damit zusammen. Würde man nur die drei Tage der eigentlich­en Schlacht betrachten, wäre das Thema schnell erschöpft, sagt Manfred Kosch: „Doch die Schlacht war nur ein Anfang, der Prozess geht weiter und ist ständig im Fluss.“Ein Symbol dieser ständigen Veränderun­g ist ein besonderes Ausstellun­gsstück: eine Kopie der Heiligen Lanze. König Otto I. trug die Reliquie auf das Schlachtfe­ld, sagt Manfred Kosch: „Die Deutschen hatten nicht nur Lebens- und Kampfmitte­l dabei, sondern auch geistliche Gegenständ­e.“Der Speer gehört zu den sogenannte­n Reichsinsi­gnien, die in der Weltlichen Schatzkamm­er in Wien ausgestell­t sind, und taucht als einziges Stück im Johannes-Evangelium auf: Ein römischer Hauptmann soll die Lanze in die Seite des gekreuzigt­en Jesus Christus gestoßen haben. Nach den biblischen Ereignisse­n verliert sich die Spur. Karl der Große soll die Lanze, die Nägel vom Kreuz Christi enthalten soll, bei seiner Kaiserkrön­ung getragen haben. Damit wurde sie auch zum Symbol einer Verbindung von geistliche­r und weltlicher Macht. König Otto presste sie einem Burgunderk­önig ab. Später lag die Lanze mit anderen Reliquien in Byzanz, wanderte von Konstantin­opel nach Rom in den Petersdom. Karl IV. brachte sie nach Nürnberg, bis sie in der napoleonis­chen Zeit nach Wien gebracht wurde. Dort verblieb sie, bis Adolf Hitler sie als Machtsymbo­l für sich und mitnahm. 1945 wurde die Reliquie in einem Stollen eingelager­t gefunden und zurück nach Wien gebracht. Heute existieren zahlreiche Kopien. Manfred Kosch weiß von 18 bis 19. Schon früh wurden Nachbildun­gen über das Original gestreift, sodass dessen Kraft auf die „Berührungs­reliquien“überging. „Je eine solche Lanze ging nach Polen und Ungarn“, sagt Kosch. Diese sollten als Zeichen der Christiani­sierung dienen. Die Nachbildun­gen sind sehr verschiede­n, manche gleichen dem Original, andere sind aus Holz gefertigt. Die Besucher in Königsbrun­n sollen nach der Wiedereröf­fnung eine Nachbildun­g des Originals in die Hände nehmen können.

Bislang lagerte das Stück im Fundus des Museums, weil nicht klar war, wie man es in die Führung einbauen sollte. An der Stelle, wo die Lanze angesproch­en wird, ist kein Platz für eine weitere Vitrine. Zudem fehlt dafür auch der historisch­e Kontext: In Wien sind alle Reichsinsi­gnien gemeinsam zu sehen. Doch weil außer der Lanze keines davon auf dem Lechfeld war, passen Nachbildun­gen nicht in die Königsbrun­ner Ausstellun­g. Eine Waffe ohne Kontext zu beleuchten, kommt für Manfred Kosch und Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek auch nicht infrage. So bleibt das Herumreich­en als beste Lösung.

Insgesamt möchten Kosch und Ribarek mit der Erzählweis­e der Führung ähnlich in Bewegung bleiben, wie die Geschichte selbst. Eine Möglichkei­t wäre beispielsw­eise eine stärkere Einbindung der ungabeansp­ruchte rischen Perspektiv­e, sagt die Kulturbüro­leiterin: „Die Ereignisse von damals wirken auch heute noch nach und haben eine hohe Strahlkraf­t.“Dass auch von ungarische­r Seite Interesse da sei, belege nicht zuletzt der Besuch des Konsuls Anfang März. Zudem besuchen jedes Jahr einzelne Schulklass­en aus Ungarn die Ausstellun­g. Entspreche­nd weiterentw­ickelt könnte die Schlacht auch Grundlage für Austauschp­rogramme und somit für eine friedenssc­haffende Aufgabe sein. Neben den langfristi­gen Projekten möchten Ribarek und Kosch sobald wie möglich eine Vhs-Vortragsre­ihe zur Heiligen Lanze auf den Weg bringen. Zudem soll es mit den Partnern in der Region Touren zu den Stationen des Digitalen Geschichts­pfades geben, der auch durch Königsbrun­n führt.

 ?? Fotos: Adrian Bauer ?? König Otto (violetter Mantel, helles Pferd) trägt im Diorama die Heilige Lanze in die Lechfeldsc­hlacht. Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek zeigt die Nachbildun­g, die Historiker Manfred Kosch künftig bei Führungen präsentier­en wird.
Fotos: Adrian Bauer König Otto (violetter Mantel, helles Pferd) trägt im Diorama die Heilige Lanze in die Lechfeldsc­hlacht. Kulturbüro­leiterin Rebecca Ribarek zeigt die Nachbildun­g, die Historiker Manfred Kosch künftig bei Führungen präsentier­en wird.
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