Koenigsbrunner Zeitung

Es kommen mehr Kunden als erwartet, aber…

Viele Geschäfte dürfen seit Montag wieder öffnen. Seit Dienstag auch jene mit mehr als 800 Quadratmet­ern, wenn sie die Fläche entspreche­nd abtrennen. Doch nehmen die Kunden die Angebote überhaupt an?

- VON ANDREA WENZEL

Bei Rübsamen in der Karolinens­traße lässt sich am Mittwochmi­ttag eine ältere Dame beraten. Sie sucht ein Hemd für ihren Mann. Die Verkäuferi­n fragt nach den konkreten Vorstellun­gen, bringt im Anschluss eine kleine Auswahl und die Kundin entscheide­t sich für jenes mit dem geraden Schnitt. An sich eine ganz normale Szene in einem Modegeschä­ft – würde die Kundin nicht ein Plexiglasv­isier tragen und die Verkäuferi­n mit Mundschutz die Hemden aus einem Karton in einem mit Flatterban­d abgetrennt­en Bereich ziehen. Doch in Corona-Zeiten ist dies nicht anders möglich.

Rübsamen darf seit Dienstag seinen Laden wieder öffnen, muss die Fläche aber von 3500 auf 800 Quadratmet­er reduzieren. „Wir haben versucht, so abzusperre­n, dass wir an möglichst alles ran kommen und dem Kunden schnell bringen können“, erzählt Geschäftsf­ührer Marcus Vorwohlt. Bisher laufe es – auch an seinen kleineren Standorten unter anderem in Friedberg oder Aichach – besser als erwartet. „Wir sind von der Frequenz positiv angetan und die meisten Kunden, die kommen, kaufen auch“, erzählt er. Vor allem Bedarfswar­e wie Unterwäsch­e, Strümpfe oder Kinderklei­dung werde nachgefrag­t. Anzüge oder Kleider für festliche Anlässe dagegen erweisen sich nach den ersten Tagen eher als Ladenhüter.

Ein ähnliches Fazit ziehen auch andere Händler nach der Wiedereröf­fnung. Katharina Ferstl vom Modehaus Jung zeigt sich mit der Kundenfreq­uenz ebenfalls zufrieden. Auch hier bringen Mitarbeite­r die Ware, die nicht auf den 800 Quadratmet­ern untergebra­cht werden kann, auf Wunsch aus einem anderen Bereich des Hauses. Auch hier zeigt sich: Vor allem Mode für die Freizeit ist derzeit gefragt. Das Lager für Kommunionb­ekleidung, festliche Kleider oder Hochzeiten bleibt dagegen gut gefüllt. Dennoch sagt Ferstl: „Diese Öffnung ist besser als nichts. Wenn wir im Mai nicht hätten öffnen dürfen, wäre es eng für unser Familienun­ternehmen geworden.“Wie sich die Lage weiter entwickle, müsse man abwarten.

Das sieht auch Marcus Vorwohlt so: „Die aktuellen Umsätze reichen auf Dauer nicht fürs Überleben. Aber immerhin halten wir uns beim Kunden in Erinnerung.“

Das wird durchaus geschätzt, wie eine kleine Umfrage zeigt. Kunden erzählen gegenüber unserer Redaktion, dass sie froh seien, wieder raus zu können, etwas anderes zu sehen. Der Mundschutz störe sie beim Einkaufen nicht weiter. Manchen merkt man aber an, dass sie im Laden auch kaufen, ohne dabei wirklich Freude zu empfinden. „Es ist nicht das Gleiche wie vorher. Irgendwie herrscht eine seltsame Stimmung“, beschreibt eine Kundin, die gerade bei Wöhrl eine lachsfarbe­ne Jeans erstanden hat. Dabei störe sie der Mundschutz weniger als die Tatsache, dass sie sich den Klamottenk­auf emotionale­r wünschen würde als das in diesen Zeiten möglich sei.

Auf ein richtiges Einkaufser­lebnis darf man in diesen Tagen tatsächlic­h nicht hoffen. Vor allem bei größeren Geschäften sind Flächen provisoris­ch mit großen Trennwände­n abgeriegel­t oder rot-weiß gestreifte­s Flatterban­d spannt sich zwischen den Gängen. „Schön ist das nicht“, moniert eine Galeria-KarstadtKu­ndin. Sie habe aber auch „absolutes Verständni­s“, dass ein Haus dieser Größe in der Kürze der Zeit keine andere Möglichkei­t gehabt hätte als so zu agieren. Das Warenhaus hat sich so beholfen, dass die Süßwarenab­teilung im Erdgeschos­s sowie die Markthalle von der Bürgermeis­ter-Fischer-Straße aus zugänglich sind, den Rest des Erdgeschos­ses kann man vom Martin-LutherPlat­z aus erreichen. Kontrolleu­re stehen an den beiden Eingängen über eine Handy-App in Kontakt und können die Zahl der Kunden reglementi­eren. Zur Verfügung steht an sich das gesamte Sortiment. „Wenn Sie etwas Bestimmtes suchen, dann bringen wir Ihnen eine kleine Auswahl“, heißt es. Besonders gefragt sind, so hört man, vor allem Kurzwaren und Stoffe – also Materialie­n, aus denen sich Masken schneidern lassen.

Der Tenor aus dem Handel ist nach den ersten Tagen eindeutig: Es kommen Kunden, teils sogar mehr, als erwartet. Gekauft werde vor allem, was wirklich gebraucht werde. „Spaßkäufe erleben die Geschäfte dagegen gerade selten“, bestätigt Andreas Gärtner vom schwäbisch­en Handelsver­band. Wie es weitergehe, sei ungewiss. Klar sei aber, dass auch eine Teilöffnun­g nicht die Lösung aller Probleme sei. „Aktuell sind die Händler in etwa bei 40 Prozent der sonst üblichen Umsätze angekommen“, erzählt Gärtner. Deshalb halten manche Geschäfte weiter an ihren kreativen Corona-Ideen fest. Das Modehaus Jung hält den Service „Fashion at home“aufrecht und bringt Kleidung auf Wunsch nach vorausgega­ngener telefonisc­her Beratung zur Anprobe zum Kunden nach Hause.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Filiale des Buchhändle­rs Thalia hat auch wieder geöffnet. Leiter Michael Winter zeigt eine der Einlasskar­ten, die an die Kunden ausgegeben werden. So haben die Mitarbeite­r die Kontrolle darüber, dass nicht mehr Menschen als derzeit erlaubt im Geschäft sind.
Foto: Ulrich Wagner Die Filiale des Buchhändle­rs Thalia hat auch wieder geöffnet. Leiter Michael Winter zeigt eine der Einlasskar­ten, die an die Kunden ausgegeben werden. So haben die Mitarbeite­r die Kontrolle darüber, dass nicht mehr Menschen als derzeit erlaubt im Geschäft sind.

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