Es kommen mehr Kunden als erwartet, aber…
Viele Geschäfte dürfen seit Montag wieder öffnen. Seit Dienstag auch jene mit mehr als 800 Quadratmetern, wenn sie die Fläche entsprechend abtrennen. Doch nehmen die Kunden die Angebote überhaupt an?
Bei Rübsamen in der Karolinenstraße lässt sich am Mittwochmittag eine ältere Dame beraten. Sie sucht ein Hemd für ihren Mann. Die Verkäuferin fragt nach den konkreten Vorstellungen, bringt im Anschluss eine kleine Auswahl und die Kundin entscheidet sich für jenes mit dem geraden Schnitt. An sich eine ganz normale Szene in einem Modegeschäft – würde die Kundin nicht ein Plexiglasvisier tragen und die Verkäuferin mit Mundschutz die Hemden aus einem Karton in einem mit Flatterband abgetrennten Bereich ziehen. Doch in Corona-Zeiten ist dies nicht anders möglich.
Rübsamen darf seit Dienstag seinen Laden wieder öffnen, muss die Fläche aber von 3500 auf 800 Quadratmeter reduzieren. „Wir haben versucht, so abzusperren, dass wir an möglichst alles ran kommen und dem Kunden schnell bringen können“, erzählt Geschäftsführer Marcus Vorwohlt. Bisher laufe es – auch an seinen kleineren Standorten unter anderem in Friedberg oder Aichach – besser als erwartet. „Wir sind von der Frequenz positiv angetan und die meisten Kunden, die kommen, kaufen auch“, erzählt er. Vor allem Bedarfsware wie Unterwäsche, Strümpfe oder Kinderkleidung werde nachgefragt. Anzüge oder Kleider für festliche Anlässe dagegen erweisen sich nach den ersten Tagen eher als Ladenhüter.
Ein ähnliches Fazit ziehen auch andere Händler nach der Wiedereröffnung. Katharina Ferstl vom Modehaus Jung zeigt sich mit der Kundenfrequenz ebenfalls zufrieden. Auch hier bringen Mitarbeiter die Ware, die nicht auf den 800 Quadratmetern untergebracht werden kann, auf Wunsch aus einem anderen Bereich des Hauses. Auch hier zeigt sich: Vor allem Mode für die Freizeit ist derzeit gefragt. Das Lager für Kommunionbekleidung, festliche Kleider oder Hochzeiten bleibt dagegen gut gefüllt. Dennoch sagt Ferstl: „Diese Öffnung ist besser als nichts. Wenn wir im Mai nicht hätten öffnen dürfen, wäre es eng für unser Familienunternehmen geworden.“Wie sich die Lage weiter entwickle, müsse man abwarten.
Das sieht auch Marcus Vorwohlt so: „Die aktuellen Umsätze reichen auf Dauer nicht fürs Überleben. Aber immerhin halten wir uns beim Kunden in Erinnerung.“
Das wird durchaus geschätzt, wie eine kleine Umfrage zeigt. Kunden erzählen gegenüber unserer Redaktion, dass sie froh seien, wieder raus zu können, etwas anderes zu sehen. Der Mundschutz störe sie beim Einkaufen nicht weiter. Manchen merkt man aber an, dass sie im Laden auch kaufen, ohne dabei wirklich Freude zu empfinden. „Es ist nicht das Gleiche wie vorher. Irgendwie herrscht eine seltsame Stimmung“, beschreibt eine Kundin, die gerade bei Wöhrl eine lachsfarbene Jeans erstanden hat. Dabei störe sie der Mundschutz weniger als die Tatsache, dass sie sich den Klamottenkauf emotionaler wünschen würde als das in diesen Zeiten möglich sei.
Auf ein richtiges Einkaufserlebnis darf man in diesen Tagen tatsächlich nicht hoffen. Vor allem bei größeren Geschäften sind Flächen provisorisch mit großen Trennwänden abgeriegelt oder rot-weiß gestreiftes Flatterband spannt sich zwischen den Gängen. „Schön ist das nicht“, moniert eine Galeria-KarstadtKundin. Sie habe aber auch „absolutes Verständnis“, dass ein Haus dieser Größe in der Kürze der Zeit keine andere Möglichkeit gehabt hätte als so zu agieren. Das Warenhaus hat sich so beholfen, dass die Süßwarenabteilung im Erdgeschoss sowie die Markthalle von der Bürgermeister-Fischer-Straße aus zugänglich sind, den Rest des Erdgeschosses kann man vom Martin-LutherPlatz aus erreichen. Kontrolleure stehen an den beiden Eingängen über eine Handy-App in Kontakt und können die Zahl der Kunden reglementieren. Zur Verfügung steht an sich das gesamte Sortiment. „Wenn Sie etwas Bestimmtes suchen, dann bringen wir Ihnen eine kleine Auswahl“, heißt es. Besonders gefragt sind, so hört man, vor allem Kurzwaren und Stoffe – also Materialien, aus denen sich Masken schneidern lassen.
Der Tenor aus dem Handel ist nach den ersten Tagen eindeutig: Es kommen Kunden, teils sogar mehr, als erwartet. Gekauft werde vor allem, was wirklich gebraucht werde. „Spaßkäufe erleben die Geschäfte dagegen gerade selten“, bestätigt Andreas Gärtner vom schwäbischen Handelsverband. Wie es weitergehe, sei ungewiss. Klar sei aber, dass auch eine Teilöffnung nicht die Lösung aller Probleme sei. „Aktuell sind die Händler in etwa bei 40 Prozent der sonst üblichen Umsätze angekommen“, erzählt Gärtner. Deshalb halten manche Geschäfte weiter an ihren kreativen Corona-Ideen fest. Das Modehaus Jung hält den Service „Fashion at home“aufrecht und bringt Kleidung auf Wunsch nach vorausgegangener telefonischer Beratung zur Anprobe zum Kunden nach Hause.