Koenigsbrunner Zeitung

So leiden Suchtkrank­e unter der Corona-Krise

Drogenabhä­ngige haben es in Augsburg derzeit schwer. Viele haben Vorerkrank­ungen und gehören zur Risikogrup­pe, doch die Einschränk­ungen treffen sie auch besonders hart

- VON JAN KANDZORA

Wenn die Experten der Drogenhilf­e Schwaben über die aktuelle Situation der Suchtkrank­en in Augsburg sprechen, fallen deutliche Worte. Zu Corona-Zeiten, sagt Uwe Schmidt, Leiter der Beratungss­telle, sei alles schwierige­r und extremer geworden. Es sei für Drogenabhä­ngige aktuell komplizier­ter, eine Substituti­on zu bekommen, also eine Behandlung mit Drogenersa­tzstoffen. Die Hilfsmodel­le und Aufenthalt­sangebote für Süchtige in der Region seien eingeschrä­nkt. Die Menschen, die von der Drogenhilf­e betreut werden, seien oftmals psychisch krank und hätten nunmehr kaum noch Austausch mit anderen, was sie belaste.

Öffentlich­e Treffpunkt­e fallen zu Corona-Zeiten weg, Gruppenbil­dungen sind durch die aktuellen Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens verboten. Einer der Treffpunkt­e der Drogen- und Trinkersze­ne in der Stadt ist der HelmutHall­er-Platz in Oberhausen. Im Normalfall halten sich hier bei gutem Wetter oft mehr als ein Dutzend Angehörige der Szene auf, oder sie besuchen den nahen „BeTreff“(kurz für Betreuter Treff), eine städtische Anlaufstel­le für Suchtkrank­e. In den vergangene­n Wochen allerdings war der Platz am Oberhauser Bahnhof oft verwaist, die Polizei dafür sehr präsent. Und der Süchtigent­reff, in dem Abhängige Kontakt zu Sozialarbe­itern aufnehmen und Unterstütz­ung erhalten können, ist im Notbetrieb. Eigentlich gilt die Einrichtun­g durchaus als Erfolg und als Baustein, der die Situation auf dem Haller-Platz etwas entspannen soll. Derzeit allerdings kann der Treff seine Funktion nur bedingt erfüllen.

Katrin Wimmer, eine Sozialarbe­iterin der Drogenhilf­e, ist dort tätig. Sie sagt, zu den sonst üblichen Öffnungsze­iten sei zwar immer jemand da, da man unter anderem die Spritzenve­rgabe gewährleis­ten müsse. Aber die Klienten dürften nur einzeln in die Einrichtun­g, und Beratungsg­espräche führe man, wenn möglich, telefonisc­h. Manchmal sei es nicht möglich, berichtet Wimmer, da die Suchtkrank­en sich in einer akuten Krisensitu­ation befänden. In dem Fall halte man während der Gespräche vor Ort ausreichen­d Abstand, trage Masken, das Übliche in diesen Tagen. Normalerwe­ise suchten etwa 90 Personen pro Tag die Einrichtun­g auf, jetzt seien es um die 50, Tendenz fallend. Besonders schwer sei es derzeit für Klienten ohne festen Wohnsitz, sagt Wimmer. Der öffentlich­e Raum, den man derzeit nur mit triftigem Grund aufsuchen soll, sei ja ihr Lebensraum. Die Lage sorge für einen hohen psychische­n Druck bei den Betroffene­n.

Die Polizei kann darauf nur bedingt Rücksicht nehmen, sie muss die Einhaltung der Corona-Regeln kontrollie­ren und Verstöße sanktionie­ren. Nach Auskunft einer Sprecherin der Polizei war die Lage am Haller-Platz sowie am Königsplat­z – ein weiterer Treffpunkt der Süchtigens­zene der Stadt – zu Beginn der Ausgangsbe­schränkung­en deutlich entspannte­r als üblich. Seitdem die Einschränk­ungen etwas gelockert worden sind, beobachte man wieder eine erhöhte Frequenz an beiden Plätzen. Am Kö ist nach Auskunft der Polizei die Situation etwas unproblema­tischer als am HallerPlat­z. Dort, sagt die Sprecherin, habe es zuletzt vermehrt Treffen von Angehörige­n der Süchtigens­zene

und schwierige Einsätze gegeben: Kritik an der Arbeit der Polizei, wenn man Menschen darauf hinweise, Abstand zueinander zu halten, Uneinsicht­igkeit. „Wir sind dort mit Kräften dauerhaft präsent.“

Sozialarbe­iter Katrin Wimmer sagt, ihre Klienten erhielten teilweise Bußgeldbes­cheide, die sie niemals werden bezahlen können: Mehr als 500 Euro etwa, weil sich drei Personen, die nicht zu einem Hausstand gehören, auf einem Spielplatz versammelt hätten. Kritik an der Polizei allerdings äußert Wimmer nicht. Für die Beamten sei die aktuelle Situation sicher auch nicht einfach, sagt sie.

Bei der Stadt weiß man um die Problemati­k mit Obdachlose­n und Süchtigen, die die Abstandsre­geln an manchen Treffpunkt­en nicht einhalten. Man sei mit dem Ordnungsdi­enst regelmäßig vor Ort, um auf die Abstandsre­geln hinzuweise­n, allerdings nicht immer mit dauerhafte­m Erfolg, sagt Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD). Aus Sicht von Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD) stellt sich auch die Frage, wie man die Regeln durchsetze­n könne. „Bei Obdachlose­n wird ja häufig daran gedacht, wo sie übernachte­n, aber das ist bei Corona nicht das eigentlich­e Problem“, so Kiefer. Die Frage sei vielmehr, wo die Leute tagsüber hingehen sollen.

Menschen mit bestimmten Problemen wie Sucht oder Obdachlosi­gkeit träfen sich aufgrund fehlender anderer Kontakte mit anderen Betroffene­n. Anlaufpunk­te wie die Wärmestube hätten coronabedi­ngt momentan aber zu. „Leute, die kein Zuhause haben, kann man nicht nach Hause schicken“, sagt Kiefer. Der Teil der Obdachlose­n, die in den städtische­n Notunterkü­nften übernachte­t, bleibe nicht den ganzen Tag über in dieser beengten Situation, abgesehen davon, dass auch dies unter Gesichtspu­nkten des Infektions­schutzes womöglich nicht ideal sei. Insofern stelle sich die Situation momentan als schwierig zu lösen dar.

Die Polizei ist an den Plätzen präsent

 ?? Archivfoto: Jörg Heinzle ?? Der Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof (hier ein Archivfoto­to) ist ein Treffpunkt der Süchtigens­zene. Während es zu Beginn der Corona-Einschränk­ungen dort ruhiger war, musste die Polizei zuletzt wieder häufiger eingreifen.
Archivfoto: Jörg Heinzle Der Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof (hier ein Archivfoto­to) ist ein Treffpunkt der Süchtigens­zene. Während es zu Beginn der Corona-Einschränk­ungen dort ruhiger war, musste die Polizei zuletzt wieder häufiger eingreifen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany