So leiden Suchtkranke unter der Corona-Krise
Drogenabhängige haben es in Augsburg derzeit schwer. Viele haben Vorerkrankungen und gehören zur Risikogruppe, doch die Einschränkungen treffen sie auch besonders hart
Wenn die Experten der Drogenhilfe Schwaben über die aktuelle Situation der Suchtkranken in Augsburg sprechen, fallen deutliche Worte. Zu Corona-Zeiten, sagt Uwe Schmidt, Leiter der Beratungsstelle, sei alles schwieriger und extremer geworden. Es sei für Drogenabhängige aktuell komplizierter, eine Substitution zu bekommen, also eine Behandlung mit Drogenersatzstoffen. Die Hilfsmodelle und Aufenthaltsangebote für Süchtige in der Region seien eingeschränkt. Die Menschen, die von der Drogenhilfe betreut werden, seien oftmals psychisch krank und hätten nunmehr kaum noch Austausch mit anderen, was sie belaste.
Öffentliche Treffpunkte fallen zu Corona-Zeiten weg, Gruppenbildungen sind durch die aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens verboten. Einer der Treffpunkte der Drogen- und Trinkerszene in der Stadt ist der HelmutHaller-Platz in Oberhausen. Im Normalfall halten sich hier bei gutem Wetter oft mehr als ein Dutzend Angehörige der Szene auf, oder sie besuchen den nahen „BeTreff“(kurz für Betreuter Treff), eine städtische Anlaufstelle für Suchtkranke. In den vergangenen Wochen allerdings war der Platz am Oberhauser Bahnhof oft verwaist, die Polizei dafür sehr präsent. Und der Süchtigentreff, in dem Abhängige Kontakt zu Sozialarbeitern aufnehmen und Unterstützung erhalten können, ist im Notbetrieb. Eigentlich gilt die Einrichtung durchaus als Erfolg und als Baustein, der die Situation auf dem Haller-Platz etwas entspannen soll. Derzeit allerdings kann der Treff seine Funktion nur bedingt erfüllen.
Katrin Wimmer, eine Sozialarbeiterin der Drogenhilfe, ist dort tätig. Sie sagt, zu den sonst üblichen Öffnungszeiten sei zwar immer jemand da, da man unter anderem die Spritzenvergabe gewährleisten müsse. Aber die Klienten dürften nur einzeln in die Einrichtung, und Beratungsgespräche führe man, wenn möglich, telefonisch. Manchmal sei es nicht möglich, berichtet Wimmer, da die Suchtkranken sich in einer akuten Krisensituation befänden. In dem Fall halte man während der Gespräche vor Ort ausreichend Abstand, trage Masken, das Übliche in diesen Tagen. Normalerweise suchten etwa 90 Personen pro Tag die Einrichtung auf, jetzt seien es um die 50, Tendenz fallend. Besonders schwer sei es derzeit für Klienten ohne festen Wohnsitz, sagt Wimmer. Der öffentliche Raum, den man derzeit nur mit triftigem Grund aufsuchen soll, sei ja ihr Lebensraum. Die Lage sorge für einen hohen psychischen Druck bei den Betroffenen.
Die Polizei kann darauf nur bedingt Rücksicht nehmen, sie muss die Einhaltung der Corona-Regeln kontrollieren und Verstöße sanktionieren. Nach Auskunft einer Sprecherin der Polizei war die Lage am Haller-Platz sowie am Königsplatz – ein weiterer Treffpunkt der Süchtigenszene der Stadt – zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen deutlich entspannter als üblich. Seitdem die Einschränkungen etwas gelockert worden sind, beobachte man wieder eine erhöhte Frequenz an beiden Plätzen. Am Kö ist nach Auskunft der Polizei die Situation etwas unproblematischer als am HallerPlatz. Dort, sagt die Sprecherin, habe es zuletzt vermehrt Treffen von Angehörigen der Süchtigenszene
und schwierige Einsätze gegeben: Kritik an der Arbeit der Polizei, wenn man Menschen darauf hinweise, Abstand zueinander zu halten, Uneinsichtigkeit. „Wir sind dort mit Kräften dauerhaft präsent.“
Sozialarbeiter Katrin Wimmer sagt, ihre Klienten erhielten teilweise Bußgeldbescheide, die sie niemals werden bezahlen können: Mehr als 500 Euro etwa, weil sich drei Personen, die nicht zu einem Hausstand gehören, auf einem Spielplatz versammelt hätten. Kritik an der Polizei allerdings äußert Wimmer nicht. Für die Beamten sei die aktuelle Situation sicher auch nicht einfach, sagt sie.
Bei der Stadt weiß man um die Problematik mit Obdachlosen und Süchtigen, die die Abstandsregeln an manchen Treffpunkten nicht einhalten. Man sei mit dem Ordnungsdienst regelmäßig vor Ort, um auf die Abstandsregeln hinzuweisen, allerdings nicht immer mit dauerhaftem Erfolg, sagt Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD). Aus Sicht von Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) stellt sich auch die Frage, wie man die Regeln durchsetzen könne. „Bei Obdachlosen wird ja häufig daran gedacht, wo sie übernachten, aber das ist bei Corona nicht das eigentliche Problem“, so Kiefer. Die Frage sei vielmehr, wo die Leute tagsüber hingehen sollen.
Menschen mit bestimmten Problemen wie Sucht oder Obdachlosigkeit träfen sich aufgrund fehlender anderer Kontakte mit anderen Betroffenen. Anlaufpunkte wie die Wärmestube hätten coronabedingt momentan aber zu. „Leute, die kein Zuhause haben, kann man nicht nach Hause schicken“, sagt Kiefer. Der Teil der Obdachlosen, die in den städtischen Notunterkünften übernachtet, bleibe nicht den ganzen Tag über in dieser beengten Situation, abgesehen davon, dass auch dies unter Gesichtspunkten des Infektionsschutzes womöglich nicht ideal sei. Insofern stelle sich die Situation momentan als schwierig zu lösen dar.
Die Polizei ist an den Plätzen präsent