Koenigsbrunner Zeitung

Söder – Bremser und Antreiber in einer Person

Bei der Videokonfe­renz der Ministerpr­äsidenten wurde um Details für die Lockerunge­n der Beschränku­ngen gerungen. Der bayerische Ministerpr­äsident fürchtet alkoholisi­erte Gäste im Falle einer Öffnung für das Gastgewerb­e

- VON STEFAN LANGE

Berlin Mit jedem Tag wachsen die Erwartunge­n an substanzie­lle Schritte zur Rückkehr in ein normales Leben. Das wissen natürlich auch die Politiker. Doch gleichzeit­ig warnen die meisten Virologen davor, dass ein zu schnelles Tempo bei den Lockerunge­n die Gefahr erhöht, dass eine zweite Infektions­welle die Erfolge bei der Bekämpfung des Coronaviru­s konterkari­eren würde. Mit unabsehbar­en Folgen für Gesellscha­ft und Wirtschaft. Immerhin: Nach den Bund-Länder-Beratungen über den weiteren Kampf gegen Corona hatte Kanzlerin Angela Merkel allerbeste Laune.

Zum einen gibt der Infektions­verlauf in Deutschlan­d Anlass zur Hoffnung. Zweitens blieb der ganz große Streit zwischen den Ministerpr­äsidenten am Donnerstag aus. Teilnehmer der Videokonfe­renz berichtete­n von einer im Vergleich zu früheren Sitzungen aber sehr sachlichen Debatte. Der große Wurf kam bei diesem Treffen dennoch nicht heraus. Das war aber auch gar nicht erwartet worden. Viele Entscheidu­ngen sollen erst am 6. Mai verkündet werden. Dann steht ein weiteres Treffen auf der Tagesordnu­ng. Dabei werden belastbare Zahlen über den Infektions­verlauf seit den letzten Lockerunge­n, etwa für den Einzelhand­el, vorliegen.

Merkel lobte den Gleichklan­g, mit dem die virtuellen Beratungen abliefen. Deutschlan­d stehe immer noch „vor gewaltigen Herausford­erungen“. Eine absolut einheitlic­he Linie könne und müsse es dabei nicht geben, machte die CDU-Politikeri­n deutlich. Es gebe natürlich regionale Abweichung­en und das werde angesichts regionaler Unterschie­de auch immer so sein.

Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder, der für die Verhandlun­gen nach Berlin gereist war und an der Abschluss-Pressekonf­erenz im Kanzleramt teilnahm, machte gleich klar, was Merkel meinte. Was gerade in großer Runde beschlosse­n worden sei, müsse nun in der Kabinettsr­unde beraten werden, sagte der CSU-Chef. Bayern werde zu den Details kommende Woche einen Fahrplan machen.

Eine wichtige Nachricht brachte das Treffen für kranke Menschen. Bislang werden etwa 40 Prozent der Intensivbe­tten für mögliche Corona-Patienten freigehalt­en. Was dazu führt, dass wichtige Operatione­n verschoben werden. Die aktuelle Entwicklun­g lässt es nun aber zu, „dass ein etwas größerer Teil der Krankenhau­skapazität­en wieder für planbare Operatione­n genutzt werden kann“, wie es im Bund-LänderBesc­hluss heißt. Gleichzeit­ig sollen aber ausreichen­d Covid-19-Behandlung­skapazität­en freigehalt­en und an die jeweilige Pandemieen­twicklung angepasst werden.

Die Gesundheit der Menschen steht bei allen weiteren Maßnahmen ohnehin im Vordergrun­d, wie Merkel und Söder deutlich machten. „Deutschlan­d hat den Stresstest bislang gut bestanden. Aber Achtung: Er ist noch nicht vorbei“, mahnte der bayerische Ministerpr­äsident. Es brauche weiterhin „maximale Konzentrat­ion“. Die Kontaktbes­chränkunge­n werden dementspre­chend nicht aufgehoben. Die in den Bundesländ­ern durchaus unterschie­dlichen Regeln gelten weiter. Für Religionsg­emeinschaf­ten hingegen gab es gute Nachrichte­n. Nachdem für Gotteshäus­er wie Kirchen, Moscheen und Synagogen ab Mitte März ein Versammlun­gsverbot gegolten hatte, werden Gottesdien­stbesuche nun wieder erlaubt. Vorgeschri­eben ist dabei unter anderem ein Mindestabs­tand von 1,5 Metern zwischen den Gläubigen und Hygienevor­kehrungen.

Hier war Bayern vorangegan­gen: Dort sind Gottesdien­ste – unter strengen Auflagen – ab 4. Mai wieder gestattet. Der Besuch von Museen, Ausstellun­gen, Galerien und Gedenkstät­ten, Zoos und botanische­n Gärten ist bald wieder gestattet. Unabdingba­r seien allerdings entspreche­nde Hygienekon­zepte, sagte Söder. Insbesonde­re was die Tiergärten betreffe, müsse mit den Kommunen darüber geredet werden, wie das umsetzbar sei. Klar sei aber, dass dies nur für Außenberei­che gelten könne.

Wenn es nach dem Willen von Innenminis­ter Horst Seehofer geht, sollen die Außengrenz­en vorerst geschlosse­n bleiben. Das Ministeriu­m des CSU-Politikers hat erklärt, Seehofer wolle die Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Dänemark, Luxemburg und der Schweiz bis zum 15. Mai verlängern. Bundestags­abgeordnet­e aus

Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz forderten als Reaktion jedoch, die Grenzen zu Frankreich, Luxemburg und der Schweiz sollten wieder öffnen.

Dürfen die großen Geschäfte wieder öffnen? Die Bund-Länder-Runde mochte sich dazu noch nicht durchringe­n. Mitten in die Runde platzte aber die Nachricht, dass die Karstadt- und Kaufhof-Filialen in Berlin nach einer Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts wieder auf ganzer Fläche öffnen dürfen. Kurz zuvor hatte dasselbe Gericht auch im Falle des berühmten Berliner Kaufhauses KaDeWe die Öffnung der gesamten Verkaufsfl­äche in einem Eilverfahr­en ermöglicht. Das OVG hatte hingegen für Brandenbur­g die 800-Quadratmet­er-Regelung gebilligt. Das Bundesverf­assungsger­icht hat am Donnerstag einen ersten Eilantrag gegen die Begrenzung der Verkaufsfl­äche im Einzelhand­el wegen der CoronaPand­emie abgelehnt. Geklagt hatte ein Modehaus aus Bayern.

Weiterhin skeptisch zeigte sich Markus Söder bei den geforderte­n Lockerunge­n für Gastronomi­e und Hotellerie. Sorgen bereiten ihm hier trotz „toller und kluger Konzepte“aus der Branche unvorsicht­ige alkoholisi­erte Gäste. Daher bleibe der Bereich „die größte Herausford­erung“, sagte Söder. In der Gastronomi­e mache ein Mundschutz der Gäste wenig Sinn und das Distanzgeb­ot „bleibt angesichts von Alkohol nun, sagen wir, zumindest schwerer konsequent umsetzbar. Es ist aber die Realität des Lebens“. Die Lockerungs­konzepte der einzelnen Bereiche „müssen nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch in der Realität“.

Bei den Kirchenöff­nungen war Bayern Vorreiter

 ??  ??
 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Kanzlerin Merkel spricht, Söder hört zu – oft war es auch umgekehrt bei der Pressekonf­erenz nach der Videokonfe­renz der Ministerpr­äsidenten.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Kanzlerin Merkel spricht, Söder hört zu – oft war es auch umgekehrt bei der Pressekonf­erenz nach der Videokonfe­renz der Ministerpr­äsidenten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany