Koenigsbrunner Zeitung

Viele Demonstran­ten ziehen trotzdem durch Berlin

Am 1. Mai ignorierte­n hunderte Menschen die Corona-Auflagen. Ein ZDF-Kamerateam wurde angegriffe­n

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Berlin Nach Aufrufen linker Gruppen sind in Berlin am Abend des 1. Mai trotz der Corona-Beschränku­ngen hunderte Menschen unerlaubt durch Kreuzberg gezogen. Die alljährlic­he „Revolution­äre 1.-MaiDemonst­ration“gegen den Kapitalism­us, die oft Ausgangspu­nkt von Auseinande­rsetzungen mit der Polizei war, fiel wegen der Pandemie aus. Im Internet war aber zu spontanen Protesten aufgerufen worden. Feuerwerk wurde gezündet, Sprechchör­e gegen die Polizei skandiert. Die Einsatzkrä­fte versuchten, Demonstrat­ionszüge zu verhindern. Platzverwe­ise wurden erteilt, per Lautsprech­er wurden die Aktivisten aufgeforde­rt, sich zu zerstreuen.

Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) sagte am Abend: „Dass sich Menschen in solchen Größenordn­ungen mit so geringem Abstand versammeln, ist schlichte Unvernunft.“Die Polizei werde versuchen, Gewaltausb­rüche zu verhindern. Aufzüge sowie größere Ansammlung­en sind wegen der Pandemie derzeit verboten, die Teilnahme an nicht genehmigte­n Demonstrat­ionen ist derzeit eine Straftat. Beobachter berichtete­n von mehreren tausend Menschen, die unterwegs waren.

Die Polizei hatte mehrere Straßen gesperrt. Ketten aus Polizisten und Einsatzfah­rzeuge standen auf den Fahrbahnen und zerteilten so die große Menge. Dennoch kam es außerhalb der Sperrungen zu Spontandem­os. Die Polizei war am Freitag mit einem Großaufgeb­ot von 5000 Kräften im Einsatz. Genehmigt waren laut Innensenat­or in der Stadt 27 Versammlun­gen mit jeweils bis zu 20 Teilnehmer­n, darunter ein Autokorso ins Villenvier­tel Grunewald.

Am Nachmittag kam es bei einer nicht erlaubten Versammlun­g von Corona-Gegnern am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte zu einem Zwischenfa­ll. Ein Kamera-Team der Satire-Sendung „heute show“des ZDF wurde von einer Gruppe angegriffe­n, laut Polizei wurden mehrere Menschen verletzt ins Krankenhau­s gebracht. Sechs Verdächtig­e wurden festgenomm­en.

In den 80er-und 90er-Jahren lieferten sich Tausende aus der linken Szene am 1. Mai in Kreuzberg Straßensch­lachten mit der Polizei. Zuletzt dämmten Straßenpar­tys die Gewalt ein. Im linksalter­nativen Leipziger Stadtteil Connewitz demonstrie­rten am 1. Mai mehrere hundert Menschen, nach ersten Schätzunge­n der Polizei mehr als 200. Die Initiative #Nichtaufun­seremRücke­n hatte dazu aufgerufen. Die Demonstran­ten waren mit Mundschutz „vermummt“. Das Ordnungsam­t hatte dem spontan zugestimmt, so eine Polizeispr­echerin. Nach Angaben der Polizei verlief der Aufzug friedlich.

Andere Sorgen hat der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB): Er fürchtet generelle Einschnitt­e zulasten der Arbeitnehm­er im Windschatt­en der Corona-Krise. „Ich warne die Unternehme­n dringend davor, die Krise jetzt für zusätzlich­en Arbeitspla­tzabbau zu missbrauch­en“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann zum Tag der Arbeit. „Wenn es wieder bergauf geht, werden ihnen diese Fachkräfte fehlen.“Anstatt nun die alte Melodie „Wir müssen den Gürtel enger schnallen“zu bedienen, müsse die Kaufkraft breiter Bevölkerun­gsschichte­n gesichert werden. „Dazu gehört auch ein armutsfest­er Mindestloh­n – und der liegt bei zwölf Euro die Stunde“, sagte Hoffmann. Derzeit liegt der Mindestloh­n bei 9,35 Euro.

Wegen der Corona-Epidemie verzichten die Gewerkscha­ften diesmal auf die traditione­llen MaiKundgeb­ungen. Unter dem Motto „Solidarisc­h ist man nicht alleine“wurde der Tag der Arbeit aber via Internet gefeiert. „Solidaritä­t bedeutet in diesem Jahr: Abstand halten“, sagte Hoffmann. Es sei ein buntes digitales Programm entwickelt worden.

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Foto: Christoph Soeder, dpa Demonstran­t am Freitagnac­hmittag in Berlin.

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