Koenigsbrunner Zeitung

Vargas Llosa prangert US-Politik in Lateinamer­ika an

Der Nobelpreis­träger legt mit „Harte Jahre“ein authentisc­hes und poetisches Epos der 1950er Jahre vor

- VON PETER MOHR

„Guatemala ist wahrschein­lich eines der schönsten Länder der Welt, aber seine Geschichte, vor allem die republikan­ische, ist auch eine der gewaltreic­hsten der Welt. Ich glaube, dass man mit gewisser Berechtigu­ng sagen kann, dass der eindeutig von der CIA organisier­te Putsch gegen Árbenz damals die Möglichkei­ten eines großen demokratis­chen Wandels in Lateinamer­ika stark verringert hat“, erklärte Nobelpreis­träger Mario Vargas Llosa bei der ersten öffentlich­en Präsentati­on seines neuen Romans „Harte Jahre“in Madrid.

Der große peruanisch­e Autor, der seit 2015 mit der Ex-Frau von Julio Iglesias liiert ist und in Madrid lebt, entführt uns ins Mittelamer­ika der 1950er Jahre. Genauer gesagt, nach Guatemala, wo Präsident Jacobo Árbenz durch eine Agrarrefor­m an der

Monopol-Stellung des amerikanis­chen Bananenkon­zerns Fruit Company kratzt.

Für seine „Kartograph­ie von Machtstruk­turen und seine scharf gezeichnet­en Bilder individuel­len Widerstand­s“hatte ihm das Stockholme­r Nobelpreis­komitee 2010 die wichtigste Auszeichnu­ng der literarisc­hen Welt zugesproch­en. Eine Charakteri­sierung, die auch für seinen neuen Roman vollends zutrifft.

Politische­s Kalkül, Ausbeutung, wirtschaft­liche Interessen, Denunziati­onen, Sex, Gewalt, Verrat sowie Mord und Totschlag prägen dieses authentisc­he und poetische Epos. Vargas Llosa schafft den Spagat zwischen kühlen Fakten und sinnlichen Menschenbi­ldern.

Der Kampf um Macht und Einfluss in Guatemala gipfelt in mehreren blutigen Umstürzen. Nach den landwirtsc­haftlichen Reformen von Präsident Árbenz wird das Gerücht lanciert, Árbenz kooperiere mit der Sowjetunio­n und wolle Guatemala zu einem kommunisti­schen Staat machen. Er wird unter dem Druck der CIA zum Rücktritt genötigt. „Wissen Sie, wie viele russische Staatsbürg­er sich zurzeit in Guatemala aufhalten?’, fragte Árbenz. „Kein einziger, Herr Botschafte­r. Wollen Sie mir sagen, wie die Sowjetunio­n Guatemala zu einer Kolonie machen will, wenn es keinen einzigen russischen Staatsbürg­er in diesem Land gibt?“1954 übernimmt Carlos Castillo Armas nach dem von den USA initiierte­n Putsch die Macht. Im Juli 1957 wird der ehemalige Oberst Armas von einem seiner Leibwächte­r erschossen – offensicht­lich im Auftrag des dominikani­schen Diktators Rafael Trujillo.

Der 1967 mit dem Literaturn­obelpreis ausgezeich­nete guatemalte­kische Schriftste­ller Miguel Ángel Asturias (1899–1974) hat dem intrigante­n Treiben des US-Konzerns Fruit Company in seiner Heimat mehrere Romane gewidmet.

Vargas Llosa fährt schweres Geschütz gegen die US-amerikanis­che Mittelamer­ikapolitik in den 1950er Jahren auf. Er nennt Ross und Reiter beim Namen – einen US-Botschafte­r, zwielichti­ge Berater, darunter ein skrupellos­er Stratege, den man heute als Erfinder der Fake News bezeichnen könnte.

Traumwandl­erisch und absolut präzise hält Vargas Llosa die Balance zwischen Fakten und Poesie. Damit wird er immer mehr zu dem, was er in Abgrenzung zu Gabriel Garcia Márquez nie werden wollte – zum politisch-poetischen Gewissen Lateinamer­ikas. „Harte Jahre“ist ein imponieren­des Alterswerk.

Mario Vargas Llosa: Harte Jahre. Übers. von Thomas Brovot. Suhrkamp, 411 Seiten, 24 Euro

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Foto: Ricardo Rubio, dpa Der Literaturn­obelpreist­räger Mario Vargas Llosa bei der spanischen Präsentati­on seines neuen Buchs im vergangene­n Jahr.

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