Einer der prächtigsten deutschen Stadtpaläste
Das Schaezlerpalais wird 250 Jahre alt, sein Erbauer Adam von Liebert war ein Meister des Eigenmarketings
So muss Geschichte riechen, nach Staub, Holz und toten Spinnen wie die gewaltigen Eichenbalken auf dem 120 Meter langen Dachstuhl des Schaezlerpalais. In der Mitte des vier Meter hohen Speicherraums liegt ein Eichenbalken in Längsrichtung. An ihm hängt seit 1770 die Freskendecke des berühmten Rokoko-Saals im ersten Stock. Riesige Eisennägel schauen aus dem Balken heraus. „Solide gebaut“, kommentiert Christof Trepesch, Leiter der Kunstsammlungen und Chef der städtischen Museen.
Der Prachtbau feiert in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag. Seit Anfang März berichtet eine Ausstellung im Höhmannhaus nebenan von Entstehung, Übernahme durch die Familie von Schaezler, von Partys im Rokokosaal und dem legendären Auftritt der Habsburgerin Marie Antoinette, der späteren Königin von Frankreich.
Trepesch kennt die Geheimnisse des 67-Zimmer-Palasts. „Die steht hier seit 1944“, weiß er und zeigt auf eine Holzkiste. Der Sand in der Kiste sei derselbe. Die Verantwortlichen deponierten ihn im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs vorsorglich, um Feuer löschen zu können. Überhaupt ist wichtig, was alles nicht am Haus verändert wurde. Der Blitzableiter zum Beispiel, der seit 250 Jahren auf dem Dach der Längsseite thront. Zu sehen ist er von der Terrasse aus. Eine Eisenstange mit propellerartigen Querarmen. Metallketten leiten von dort die Blitze in den Boden. Die Augsburger waren skeptisch. 1791 forderten sie nach einem Unwetter den Abbau des Gestänges. Es ziehe die Blitze an, statt sie abzuleiten. Ein Machtwort des Bischofs rettete den „Hemmerschen Fünfspitz“.
Er ist nur eine der Sensationen, mit denen sich Benedikt Adam von Liebert (1731–1810) gezielt zum Stadtgespräch machte. Liebert, Aufsteiger, Erbauer und Eigentümer des Prachthauses, war über seinen Vater zu Geld und Adel gekommen. Einer der reichsten Männer Bayerns sei er gewesen, berichtet Trepesch. Das Haus zählt bis heute zu den prächtigsten Stadtpalästen Deutschlands. Ein Meister des Eigenmarketings, ließ von Liebert das 1800 Quadratmeter große dreistöckige Haus samt Garten und Pferdestallungen auf den Punkt zu Marie Antoinettes Hochzeit mit König
Ludwig XVI. in Versailles fertigstellen. Nur fünf Jahre brauchte er für das Vorhaben. Tatsächlich kam die 14-jährige Habsburgerin am 28. April 1770 auf ihrer Reise nach Versailles vorbei, um im spektakulären Festsaal Menuett zu tanzen.
In den Besitz der Schaezlers kam das Palais durch Heirat. Johann Lorenz Schaezler (1762–1826) ehelichte eine der vier Liebert-Töchter und kaufte das Haus 1821 für 40000 Gulden. Im selben Jahr erhielt er den erblichen Freiherrentitel und im Palais stiegen wieder Feste. Die Könige Bayerns gingen im Rokokosaal ein und aus. Johanns Sohn Wilhelm Heinrich (1797–1887) stiegen die Partys zu Kopf. Als Besitzer der Schlösser in Scherneck, Sulzemoos und Pichl feierte er in Augsburg derart, dass das Schaezlerpalais 1850 für 8000 Gulden renoviert werden musste. So steht es in der Chronik, die der Vorgänger Trepeschs, Björn Kommer, 2003 veröffentlichte.
Der Festsaal hat in den 250 Jahren trotz der Partys kaum gelitten. Ein wesentlicher Grund: Er wurde nie beheizt. Nur deswegen, so erklärt Trepesch, haben die Materialien überlebt. Auch die große Sanierung von 2004 tastete das Original wie zum Beispiel den Wandanstrich der früheren Maler nicht an. Die Schraffierungen auf dem blassen Erdgrün zwischen den Spiegeln und vergoldeten Ornamenten sind Pinselspuren von 1750, auch der geflickte Spiegel an der östlichen Seite des Saals wurde nicht ersetzt.
Das Haus überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet. Selbst als das Nachbargebäude in der Katharinengasse zerbombt wurde, gingen im Festsaal nur einige Fenster zu
Bruch, wie Trepesch erklärt. Die erhaltenen Originale sind an den Bleifassungen und der unregelmäßigen Glasstruktur zu erkennen.
Letzter Besitzer des Palais war der Jurist, königlich bayerischer Kammerjunker und Major der Reserve, Wolfgang von Schaezler (1880–1967). Er bewohnte mit seiner Familie den zweiten Stock. Die Ställe, in denen heute die Grafische Sammlung untergebracht ist, waren aufgelöst, die Tiere in die Reitanlage am Siebentischwald umgezogen. Seine Söhne starben als Flieger im Zweiten Weltkrieg. Als er das Haus 1958 der Stadt Augsburg schenkte, verfügte er, dass es nie, auch nicht in Teilen, verkauft werden und ausschließlich für kulturelle Zwecke genutzt werden dürfe.
Zurzeit ist das Haus für Besucher geschlossen. Die Kunstschätze der Zaren, die seit Dezember ausgestellt waren, warten wegen der Grenzschließungen durch Corona auf ihre Abholung. Nur im Innenhof des Palais ist Leben. Die Grube für den Aufzug wurde ausgehoben. In zwei Meter Tiefe sind Archäologen auf Ziegel einer mittelalterlichen Bebauung gestoßen. Gleichzeitig laufen die Planungen für die nächsten Ausstellungen, ausfallen wird nichts, nur verschoben, erklärt Trepesch. Für alle, die nicht warten können, haben er und seine Mitarbeiter Videos zu den Geheimnissen des Schaezlerpalais produziert. Zu sehen auf der Homepage der Kunstsammlungen. Auf augsburger-allgemeine.de können Sie unseren Rundgang durchs Schaezlerpalais in Bildern nachverfolgen.