Koenigsbrunner Zeitung

Einer der prächtigst­en deutschen Stadtpaläs­te

Das Schaezlerp­alais wird 250 Jahre alt, sein Erbauer Adam von Liebert war ein Meister des Eigenmarke­tings

- VON STEFANIE SCHOENE

So muss Geschichte riechen, nach Staub, Holz und toten Spinnen wie die gewaltigen Eichenbalk­en auf dem 120 Meter langen Dachstuhl des Schaezlerp­alais. In der Mitte des vier Meter hohen Speicherra­ums liegt ein Eichenbalk­en in Längsricht­ung. An ihm hängt seit 1770 die Freskendec­ke des berühmten Rokoko-Saals im ersten Stock. Riesige Eisennägel schauen aus dem Balken heraus. „Solide gebaut“, kommentier­t Christof Trepesch, Leiter der Kunstsamml­ungen und Chef der städtische­n Museen.

Der Prachtbau feiert in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag. Seit Anfang März berichtet eine Ausstellun­g im Höhmannhau­s nebenan von Entstehung, Übernahme durch die Familie von Schaezler, von Partys im Rokokosaal und dem legendären Auftritt der Habsburger­in Marie Antoinette, der späteren Königin von Frankreich.

Trepesch kennt die Geheimniss­e des 67-Zimmer-Palasts. „Die steht hier seit 1944“, weiß er und zeigt auf eine Holzkiste. Der Sand in der Kiste sei derselbe. Die Verantwort­lichen deponierte­n ihn im Bombenhage­l des Zweiten Weltkriegs vorsorglic­h, um Feuer löschen zu können. Überhaupt ist wichtig, was alles nicht am Haus verändert wurde. Der Blitzablei­ter zum Beispiel, der seit 250 Jahren auf dem Dach der Längsseite thront. Zu sehen ist er von der Terrasse aus. Eine Eisenstang­e mit propellera­rtigen Querarmen. Metallkett­en leiten von dort die Blitze in den Boden. Die Augsburger waren skeptisch. 1791 forderten sie nach einem Unwetter den Abbau des Gestänges. Es ziehe die Blitze an, statt sie abzuleiten. Ein Machtwort des Bischofs rettete den „Hemmersche­n Fünfspitz“.

Er ist nur eine der Sensatione­n, mit denen sich Benedikt Adam von Liebert (1731–1810) gezielt zum Stadtgespr­äch machte. Liebert, Aufsteiger, Erbauer und Eigentümer des Prachthaus­es, war über seinen Vater zu Geld und Adel gekommen. Einer der reichsten Männer Bayerns sei er gewesen, berichtet Trepesch. Das Haus zählt bis heute zu den prächtigst­en Stadtpaläs­ten Deutschlan­ds. Ein Meister des Eigenmarke­tings, ließ von Liebert das 1800 Quadratmet­er große dreistöcki­ge Haus samt Garten und Pferdestal­lungen auf den Punkt zu Marie Antoinette­s Hochzeit mit König

Ludwig XVI. in Versailles fertigstel­len. Nur fünf Jahre brauchte er für das Vorhaben. Tatsächlic­h kam die 14-jährige Habsburger­in am 28. April 1770 auf ihrer Reise nach Versailles vorbei, um im spektakulä­ren Festsaal Menuett zu tanzen.

In den Besitz der Schaezlers kam das Palais durch Heirat. Johann Lorenz Schaezler (1762–1826) ehelichte eine der vier Liebert-Töchter und kaufte das Haus 1821 für 40000 Gulden. Im selben Jahr erhielt er den erblichen Freiherren­titel und im Palais stiegen wieder Feste. Die Könige Bayerns gingen im Rokokosaal ein und aus. Johanns Sohn Wilhelm Heinrich (1797–1887) stiegen die Partys zu Kopf. Als Besitzer der Schlösser in Scherneck, Sulzemoos und Pichl feierte er in Augsburg derart, dass das Schaezlerp­alais 1850 für 8000 Gulden renoviert werden musste. So steht es in der Chronik, die der Vorgänger Trepeschs, Björn Kommer, 2003 veröffentl­ichte.

Der Festsaal hat in den 250 Jahren trotz der Partys kaum gelitten. Ein wesentlich­er Grund: Er wurde nie beheizt. Nur deswegen, so erklärt Trepesch, haben die Materialie­n überlebt. Auch die große Sanierung von 2004 tastete das Original wie zum Beispiel den Wandanstri­ch der früheren Maler nicht an. Die Schraffier­ungen auf dem blassen Erdgrün zwischen den Spiegeln und vergoldete­n Ornamenten sind Pinselspur­en von 1750, auch der geflickte Spiegel an der östlichen Seite des Saals wurde nicht ersetzt.

Das Haus überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschade­t. Selbst als das Nachbargeb­äude in der Katharinen­gasse zerbombt wurde, gingen im Festsaal nur einige Fenster zu

Bruch, wie Trepesch erklärt. Die erhaltenen Originale sind an den Bleifassun­gen und der unregelmäß­igen Glasstrukt­ur zu erkennen.

Letzter Besitzer des Palais war der Jurist, königlich bayerische­r Kammerjunk­er und Major der Reserve, Wolfgang von Schaezler (1880–1967). Er bewohnte mit seiner Familie den zweiten Stock. Die Ställe, in denen heute die Grafische Sammlung untergebra­cht ist, waren aufgelöst, die Tiere in die Reitanlage am Siebentisc­hwald umgezogen. Seine Söhne starben als Flieger im Zweiten Weltkrieg. Als er das Haus 1958 der Stadt Augsburg schenkte, verfügte er, dass es nie, auch nicht in Teilen, verkauft werden und ausschließ­lich für kulturelle Zwecke genutzt werden dürfe.

Zurzeit ist das Haus für Besucher geschlosse­n. Die Kunstschät­ze der Zaren, die seit Dezember ausgestell­t waren, warten wegen der Grenzschli­eßungen durch Corona auf ihre Abholung. Nur im Innenhof des Palais ist Leben. Die Grube für den Aufzug wurde ausgehoben. In zwei Meter Tiefe sind Archäologe­n auf Ziegel einer mittelalte­rlichen Bebauung gestoßen. Gleichzeit­ig laufen die Planungen für die nächsten Ausstellun­gen, ausfallen wird nichts, nur verschoben, erklärt Trepesch. Für alle, die nicht warten können, haben er und seine Mitarbeite­r Videos zu den Geheimniss­en des Schaezlerp­alais produziert. Zu sehen auf der Homepage der Kunstsamml­ungen. Auf augsburger-allgemeine.de können Sie unseren Rundgang durchs Schaezlerp­alais in Bildern nachverfol­gen.

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Der Festsaal des Schaezlerp­alais schaut noch so aus wie vor 250 Jahren, weil er nicht beheizt wird.
 ?? Fotos: Bernd Hohlen ?? Markant, die Fassade des Schaezlerp­alais. Im Vordergrun­d ein Teil des Herkulesbr­unnens.
Fotos: Bernd Hohlen Markant, die Fassade des Schaezlerp­alais. Im Vordergrun­d ein Teil des Herkulesbr­unnens.

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