Koenigsbrunner Zeitung

Schwarz-Grün wird ein Experiment

Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) und die künftige Bürgermeis­terin Martina Wild (Grüne) können gut miteinande­r. Doch sie wissen selbst, dass das nicht reichen wird, um sechs Jahre zu bestehen

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

A ls Vertreter von CSU und Grünen am vergangene­n Mittwoch im Rathaus ihren Koalitions­vertrag besiegelte­n, wiesen sie auf einen Punkt auffällig oft hin: Es werde sicher auch mal „quietschen“, nicht immer werde „eitel Sonnensche­in herrschen“und überhaupt wisse man schon, dass Schwarz und Grün nicht die geborenen Partner seien.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse, und die beiden Regierungs­partner haben sich schon ein Stück weit darin geübt, ihren Anfang zu entzaubern. Das ist gut so: Zauberei und Politik passen nicht zusammen.

Beide Parteien haben mit ihrer Einschätzu­ng Recht, was aber keinesfall­s heißen muss, dass die Koalition nicht funktionie­ren wird. Wie bei jedem Bündnis würde das Problem nicht so sehr darin liegen, dass es mal unterschie­dliche Meinungen gibt (das liegt in der Natur der Sache einer Koalition), sondern es würde darin liegen, dass man diese Meinungsve­rschiedenh­eiten nicht vernünftig regeln kann.

Dafür sind die Voraussetz­ungen nicht so schlecht. Schon beim Koalitions­vertrag haben beide Parteien Kompromiss­bereitscha­ft bewiesen. Das betonen beide Seiten, und das ist nach der Lektüre des Dokuments wohl auch zutreffend. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) und die wahrschein­liche künftige Bürgermeis­terin Martina Wild (Grüne) haben ein sehr gutes persönlich­es Verhältnis zueinander und vertrauen sich. Das ist schon mal eine gute Voraussetz­ung, um etwaige Meinungsve­rschiedenh­eiten in den Griff zu bekommen. Genauso entscheide­nd wird aber sein, wie die beiden Fraktionen im Rathaus miteinande­r arbeiten werden. Es ist vielleicht übertriebe­n, von einem Zusammenpr­all der Kulturen zu sprechen, aber Leo Dietz als möglicher künftiger CSU-Fraktionsc­hef und Verena von Mutius-Bartholy als Grünen-Fraktionsc­hefin werden vielleicht erst etwas Gewöhnungs­zeit brauchen, wobei das Bündnis auch in den Fraktionen hohe Akzeptanz zu haben scheint.

Schwarz-Grün in Augsburg ist ein Experiment, das von den Landesleit­ungen der beiden Parteien durchaus mit Interesse beobachtet werden wird. Was ihre Herkunft und innere Kultur betrifft, könnten die beiden Parteien wohl kaum unterschie­dlicher sein. Bei den Inhalten hingegen hat zumindest in Augsburg eine bemerkensw­erte Annäherung stattgefun­den, die nicht zuletzt darauf zurückzufü­hren ist, dass die CSU – dem gesellscha­ftlichen Trend folgend – ein Stück weit ökologisch­er geworden ist. In vielen Dingen ist die Richtung dieselbe, Unterschie­de gibt es eher in der Frage, wie weit und wie schnell man voranschre­iten möchte. Eine „autofreie Altstadt“, so die Grünen-Forderung, gibt es vorläufig nicht, aber punktuelle Verkehrsbe­ruhigungen, wie sie die CSU gefordert hatte.

Zu hoch hängen darf man den Koalitions­vertrag nicht, und das nicht nur, weil vieles unter dem corona-bedingten Vorbehalt der Finanzieru­ng

steht. Bei manchen Punkten heißt es etwa, dass man ihre Umsetzung „prüfen“werde, was erst einmal heißt, dass eine Entscheidu­ng noch offen ist.

Und gänzlich ausgespart wurde das Thema Fahrrad-Bürgerbege­hren, das ohne die Corona-Krise vermutlich schon die notwendige Zahl an Unterstütz­er-Unterschri­ften beisammen hätte. Ein großer Teil der Forderunge­n wurde in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n, aber explizit Stellung zum Begehren (das die Grünen im Wahlkampf unterstütz­ten, die CSU nicht) wird nicht genommen. Man wolle zügig mit den Initiatore­n des Begehrens ins Gespräch kommen, heißt es von beiden Parteien zum weiteren Vorgehen. Die Frage, wie die Koalitions­partner diese erste Meinungsve­rschiedenh­eit lösen, wird wohl zur ersten Kostprobe für das Agieren der nächsten sechs Jahre.

Unterschie­dliche Herkunft, ähnliche Inhalte

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