Augsburger Brauer sind in Not
Familienbrauereien sitzen mit den Gastronomen in einem Boot. Wenn die bayerische Bierkultur überleben soll, brauchen sie Hilfe – da sind sich die Unternehmer einig. Was fordern sie?
Riegele-Juniorchef Sebastian Priller ist eigentlich als positiver Mensch bekannt. Doch dieser Tage will ihm das Lächeln so gar nicht gelingen. „Zum ersten Mal in meinem Leben mache ich mir echte Sorgen um unser Unternehmen“, sagt er, als er über den leeren Hof der Augsburger Traditionsbrauerei blickt. Das Gasthaus ist zugesperrt, der Bierladen auch, und unter den Kastanien im Biergarten stehen bei bestem Wetter die leeren Bänke und Tische.
In der Brauerei ist Kurzarbeit angesagt, der Fassbierverkauf ist auf null zurückgegangen, nur in den Getränkemärkten läuft das Geschäft noch einigermaßen. Sein Vater, Sebastian Priller senior, präzisiert: „Unsere Liquidität ist aufgebraucht, jetzt werden wir Darlehen brauchen, um über die Runden zu kommen.“Aktuell übersteigen jeden Tag die Ausgaben die Einnahmen um durchschnittlich 50000 Euro – das ist die Summe, die es als CoronaHilfe der Staatsregierung insgesamt für Mittelständler gibt.
Die kleinen Brauereien hängen gemeinsam mit den Gastronomien voll in der Krise – wenn ihre Kunden kein Bier verkaufen, schlägt das auf die Lieferanten durch. „Als Partner der Gastronomie sitzen wir jetzt mit unseren Wirten im selben Boot“, sagt Priller senior. Dabei treffen die Maßnahmen der Staatsregierung die kleinen Brauereien in weit stärkerem Maße als ihre große Konkurrenz. „Für kleine und mittelständische Brauereien ist das Gastronomiegeschäft traditionell das wichtigste Standbein“, so Priller. Für Riegele bedeutet das 60 Prozent weniger Einnahmen. Dagegen können die großen Industriebrauereien in Getränke- und Lebensmittelmärkten ihre Umsätze halten oder teilweise ausbauen. „Diese Ungleichbehandlung bedeutet eine Verzerrung des Wettbewerbs zulasten der kleinen Brauereien“, betont Priller senior.
Für Riegele komme erschwerend hinzu, dass man im vergangenen Jahr so viel investiert habe wie noch nie in der Geschichte der Brauerei. Brauerei, Brauwelt, Gastronomie – nahezu in alle Bereiche wurde viel Geld gesteckt. Schließlich sei das vergangene Jahr auch eines der erfolgreichsten für Riegele gewesen. Den Corona-Zusammenbruch habe niemand voraussehen können. Für
Priller müssen jetzt dringend nachhaltige Hilfen auf den Weg gebracht werden. Er hofft auf umfangreiche Steuererleichterungen für die Branche. „Mit Krediten wäre uns nicht geholfen.“
Neben den rund 300 Gastronomien, die derzeit kein Bier brauchen, hat Riegele auch die Verantwortung für seine eigenen verpachteten Wirtschaften, die derzeit die Pacht nicht aufbringen können. „Momentan ist da natürlich Stundung angesagt – wie es dann nach der Krise weitergeht, werden wir individuell betrachten“, verspricht der Seniorchef. „Ich hoffe sehr, dass es nach Corona die bayerische Bierkultur, wie wir sie kennen, noch gibt“, ergänzt sein Sohn.
Riegele ist in Augsburg und der Region wahrlich kein Einzelfall. Um 80 Prozent sind die Einnahmen der Augsburger Thorbräu-Brauerei zurückgegangen. Chef Max Kuhnle ist dennoch überzeugt, dass es auch nach Corona die Brauerei weiter geben wird – die Frage allerdings sei, mit wie vielen Mitarbeitern. „Notfalls stelle ich mich eben alleine in die Brauerei und braue mein Bier“,
der gelernte Braumeister mit leichtem Trotz. Auch bei Thorbräu herrscht Kurzarbeit – die Mitarbeiter würden „auf Zuruf“beschäftigt.
Überraschend gut habe sich das Geschäft in den Getränkemärkten entwickelt, so Kuhnle. Die neuen Sorten, allen voran das „Thorbräu Helle“, sei bei den Kunden extrem beliebt. Er hofft, künftig die Hälfte seines Umsatzes mit den neuen Biersorten machen zu können. Dabei ist das Helle das Ergebnis eines weiteren wirtschaftlichen Rückschlags. In dem Bier hat Kuhnle das bereits für den Plärrer eingebraute Festbier verarbeitet. Thorbräu liefert eigentlich das Bier für das Schaller-Zelt auf dem wegen Corona ausgefallenen Volksfest. „Als kleine Brauerei muss man eben flexibel sein“, sagt Kuhnle. Mit einer weiteren Idee will er den Absatz seines Hellen ankurbeln. Ab sofort gibt es das Bier an der Brauerei vom Fass – frisch gezapft in den eigenen Bierkrug der Kunden zum Mitnehmen. „Eine kleine Reminiszenz an früher“, so der Brauer.
Auch Hasen-Bräu spüre die Corona-Maßnahmen sagt MarketingSenior-Chef direktor Kai Eschenbacher. „Natürlich haben der anhaltende Lockdown der Gastronomie und die Absagen von Veranstaltungen über viele Wochen, wie das Gögginger Frühlingsfest und der Plärrer, massive Auswirkungen auf alle, die in diesem Bereich tätig sind oder zuliefern, Brauereien wie wir eingeschlossen“, berichtet er.
Die Nachfrage nach Flaschenbiesagt ren im Handel werde die Ausfälle im Außer-Haus-Markt nicht kompensieren. „Was jetzt nicht nachgefragt wird, lässt sich in den verbleibenden Monaten nicht mehr aufholen – dieser Absatz bleibt verloren, wie die Statistik am Jahresende zeigen wird.“Auch Hasen-Bräu werde mit seinen Pächtern individuelle Lösungen suchen, so der Marketing-Direktor.