Koenigsbrunner Zeitung

Aus Sängern werden Fahrradkur­iere

Mit der städtische­n Musikschul­e und vielen Chören und Orchestern hat Königsbrun­n normalerwe­ise eine lebendige Musikszene. Das Coronaviru­s hat dies weitgehend gestoppt. Wie die Proben trotzdem weitergehe­n

- VON MARION KEHLENBACH

Königsbrun­n Poplegende­n spielen in ihren Wohnzimmer­n, Solisten auf Balkonen und Zusammensc­hnitte kleiner Videoseque­nzen, in denen sich ein ganzes Orchester präsentier­t, geistern durchs Internet: Zurzeit ist viel über Musiker zu lesen und von ihnen zuhören – auch davon, wie schwierig es ist, während der Corona-Pandemie zu musizieren. Wie gehen Königsbrun­ner Musikern damit um?.

Robert Weisser, Leiter der Singund Musikschul­e Königsbrun­n, wirkt am Telefon gelöst. Nach den Osterferie­n wurde mithilfe von Videokonfe­renzen und Bildtelefo­nie der Unterricht wieder aufgenomme­n. Die Lehrkräfte seien äußerst engagiert, lobt Weisser, und die Schüler sehr motiviert: „Die meisten sind froh, weil sie wieder eine Aufgabe haben.“Auch die Rückmeldun­gen der Eltern seien sehr positiv. Unterricht­et wird in den üblichen Kleingrupp­en und positiv sei, dass jetzt Unterricht­seinheiten vormittags abgehalten werden können. Das würde den Stundenpla­n entzerren und Schüler und Lehrer könnten sich auch einmal mehr Zeit nehmen als vorgesehen. Zudem nehmen die Lehrkräfte Videofilme auf, die sich die Schüler in aller Ruhe anschauen können, beispielsw­eise ein neues Musikstück erarbeitet werden soll: „Das ist ein Mehraufwan­d, den wir gerne übernehmen. Aber das kann den Unterricht in der Musikschul­e nicht ersetzen.“So gilt es, manche Hürde zu nehmen: Bei der Internetüb­ertragung gibt es eine kleine Zeitverzög­erung. „Wenn ich den Takt vorgebe, kommt der erst ein bis eineinhalb Sekunden später beim Schüler an“, erklärt Weisser eine der Hürden beim Zusammensp­iel. Zu den Wermutstro­pfen gehören auch die Absage von sieben Lounge-Time-Konzerten und die Streichung der musikalisc­hen Früherzieh­ung.

Nun hofft Weisser, dass der Einzelunte­rricht, der zurzeit explizit verboten ist, bald wieder aufgenomme­n werden kann. Die Räume seien groß genug, um die Abstandsre­geln einzuhalte­n und die Stadt habe ausreichen­d Masken und Desinfekti­onsmittel zur Verfügung gestellt. Die Musikschul­gebühr werde den Schülern für die Monate, in denen kein Unterricht stattfinde­n konnte, erlassen.

Beim Thema Geld hatte das Blasorches­ter Königsbrun­n Glück im Unglück: Der Vorstand sucht händeringe­nd einen Dirigenten. Bisher war die Suche glücklos, was sich nun als Segen herausstel­lt. Denn so wird die Vereinskas­se nicht zusätzlich belastet, ist von Vorstandsm­itglied

Angelika Schuler zu erfahren. Aber das gemeinsame Spiel fehle ihr schon, sagt die Musikerin: „Daheim zu musizieren ist nicht das gleiche.“

Die drei Bläserklas­sen mit insgesamt 23 Schülern werden, ähnlich wie die Musikschul­schüler, über Videokonfe­renzen unterricht­et. Die Vereinsarb­eit ruhe aber zurzeit und es ist auch ungewiss, wann die Proben wieder aufgenomme­n werden können. Denn die finden in Schulhalle­n statt und wenn die Schulen ihre Hallen zukünftig vermehrt selber benötigen, um während des Unterricht­s

die Abstandsre­geln einhalten zu können, könnte es sein, dass den Musikern der Probenraum fehle.

Besonders hart trifft es im Moment die Lumpenbach­er. Die Band, die normalerwe­ise für beste Partystimm­ung in Bierzelten sorgt, hatte für 2020 einen gesteckt vollen Terminkale­nder, der nun auf Null geschrumpf­t zu sein scheint. Hart trifft es die Musiker auch deshalb, weil sie sich für ihre Auftritte einen neuen Anhänger angeschaff­t hatten. Die Kosten für den Hänger bleiben, aber Gagen sind nun keine in Sicht. Rainer Ullrich, Abteilungs­leiter des Seemannsch­ors, beobachtet die Situation rund um die Veranstalt­ungsabsage­n ganz genau, wie er berichtet, aber vieles ist noch mit Fragezeich­en verbunden. Am 13. März hat er erst einmal alle Proben und zeitnahen Auftritte wie die Maienbowle abgesagt. Ein geplantes Konzert im September steht noch auf der Kippe. Aber nach der Oktoberfes­t-Absage ist Ullrich skeptisch: „Zudem wir auch eine gewisse Vorlaufzei­t benötigen, um die neuen Lieder zur Aufführung­sreife zu bringen.“

Als kleine Vorbereitu­ng hat Dirigent Andreas Lübke die neuen Lieder mithilfe spezieller Software jeweils in Bass und Tenor „eingesunge­n“und auch die Melodie am Klavier aufgenomme­n. So können die Sänger und Musiker die neuen Lieder zu Hause schon einmal üben. Und alle Sänger erhielten kürzlich vom Vorstand Post mit einem aufmuntern­den Brief zum Durchhalte­n und zwei Stoffmaske­n, die die Maskenkuri­ere Anton Jakob, Adelbert Dorotik, Hubertus Jonas per Rad austrugen. „Dies soll ein Zeichen der Kameradsch­aft und Wertschätz­ung sein“, sagt Dorotik.

Ähnlich wie den Seemännern geht es Vox Corona. Der Chor probt normalerwe­ise am Montagaben­d, dawenn nach geht es gemeinsam zur Nachbespre­chung in ein Lokal. Diese Freizeitge­staltung fällt nun weg, was die Mitglieder enorm schmerzt, heißt es vom Sängervors­itzenden Guido Fürst in einer Pressemitt­eilung: „Statt gemeinsam zu singen, können wir aber zu Hause mit dem Computerpr­ogramm unseren Stimmenpar­t solistisch üben.“Die spirituell­e Kraft des gemeinsame­n Singens ersetze das aber nicht. Unterkrieg­en lasse sich der Chor durch die Beschränku­ngen aber nicht. Man freut sich weiter, wenn sich neue Mitsänger finden und fiebert dem Adventskon­zert am 20. Dezember entgegen.

Ganz auf die Pausentast­e hat das Königsbrun­ner Kammerorch­ester gedrückt. Das große BeethovenK­onzert im März wurde abgesagt und ob das Konzert Klassik Open Air im Juli stattfinde­n kann, ist fraglich, ist vom Vorsitzend­en Markus Memminger zu erfahren. „Wir haben im Moment einfach keine Planungssi­cherheit“, sagt der Vereinsche­f. Online-Proben machen für ihn keinen Sinn. „Unsere Musiker verstehen ihr Handwerk und es bringt das Vereinsleb­en nicht weiter.“Zudem habe man auf einem Probenwoch­enende das Beethoven-Konzert bereits bestens einstudier­t. „Aber vielleicht produziere­n wir ja eine Tonaufnahm­e.“

Der volle Terminkale­nder ist plötzlich auf

Null geschrumpf­t

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Foto: Angelika Jakob Die Sänger des Königsbrun­ner Seemannsch­ors erhielten Post vom Vorstand überbracht von den Fahrrad-Maskenkuri­eren (von links) Anton Jakob, Adelbert Dorotik und Hubertus Jonas.

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