Aus Sängern werden Fahrradkuriere
Mit der städtischen Musikschule und vielen Chören und Orchestern hat Königsbrunn normalerweise eine lebendige Musikszene. Das Coronavirus hat dies weitgehend gestoppt. Wie die Proben trotzdem weitergehen
Königsbrunn Poplegenden spielen in ihren Wohnzimmern, Solisten auf Balkonen und Zusammenschnitte kleiner Videosequenzen, in denen sich ein ganzes Orchester präsentiert, geistern durchs Internet: Zurzeit ist viel über Musiker zu lesen und von ihnen zuhören – auch davon, wie schwierig es ist, während der Corona-Pandemie zu musizieren. Wie gehen Königsbrunner Musikern damit um?.
Robert Weisser, Leiter der Singund Musikschule Königsbrunn, wirkt am Telefon gelöst. Nach den Osterferien wurde mithilfe von Videokonferenzen und Bildtelefonie der Unterricht wieder aufgenommen. Die Lehrkräfte seien äußerst engagiert, lobt Weisser, und die Schüler sehr motiviert: „Die meisten sind froh, weil sie wieder eine Aufgabe haben.“Auch die Rückmeldungen der Eltern seien sehr positiv. Unterrichtet wird in den üblichen Kleingruppen und positiv sei, dass jetzt Unterrichtseinheiten vormittags abgehalten werden können. Das würde den Stundenplan entzerren und Schüler und Lehrer könnten sich auch einmal mehr Zeit nehmen als vorgesehen. Zudem nehmen die Lehrkräfte Videofilme auf, die sich die Schüler in aller Ruhe anschauen können, beispielsweise ein neues Musikstück erarbeitet werden soll: „Das ist ein Mehraufwand, den wir gerne übernehmen. Aber das kann den Unterricht in der Musikschule nicht ersetzen.“So gilt es, manche Hürde zu nehmen: Bei der Internetübertragung gibt es eine kleine Zeitverzögerung. „Wenn ich den Takt vorgebe, kommt der erst ein bis eineinhalb Sekunden später beim Schüler an“, erklärt Weisser eine der Hürden beim Zusammenspiel. Zu den Wermutstropfen gehören auch die Absage von sieben Lounge-Time-Konzerten und die Streichung der musikalischen Früherziehung.
Nun hofft Weisser, dass der Einzelunterricht, der zurzeit explizit verboten ist, bald wieder aufgenommen werden kann. Die Räume seien groß genug, um die Abstandsregeln einzuhalten und die Stadt habe ausreichend Masken und Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. Die Musikschulgebühr werde den Schülern für die Monate, in denen kein Unterricht stattfinden konnte, erlassen.
Beim Thema Geld hatte das Blasorchester Königsbrunn Glück im Unglück: Der Vorstand sucht händeringend einen Dirigenten. Bisher war die Suche glücklos, was sich nun als Segen herausstellt. Denn so wird die Vereinskasse nicht zusätzlich belastet, ist von Vorstandsmitglied
Angelika Schuler zu erfahren. Aber das gemeinsame Spiel fehle ihr schon, sagt die Musikerin: „Daheim zu musizieren ist nicht das gleiche.“
Die drei Bläserklassen mit insgesamt 23 Schülern werden, ähnlich wie die Musikschulschüler, über Videokonferenzen unterrichtet. Die Vereinsarbeit ruhe aber zurzeit und es ist auch ungewiss, wann die Proben wieder aufgenommen werden können. Denn die finden in Schulhallen statt und wenn die Schulen ihre Hallen zukünftig vermehrt selber benötigen, um während des Unterrichts
die Abstandsregeln einhalten zu können, könnte es sein, dass den Musikern der Probenraum fehle.
Besonders hart trifft es im Moment die Lumpenbacher. Die Band, die normalerweise für beste Partystimmung in Bierzelten sorgt, hatte für 2020 einen gesteckt vollen Terminkalender, der nun auf Null geschrumpft zu sein scheint. Hart trifft es die Musiker auch deshalb, weil sie sich für ihre Auftritte einen neuen Anhänger angeschafft hatten. Die Kosten für den Hänger bleiben, aber Gagen sind nun keine in Sicht. Rainer Ullrich, Abteilungsleiter des Seemannschors, beobachtet die Situation rund um die Veranstaltungsabsagen ganz genau, wie er berichtet, aber vieles ist noch mit Fragezeichen verbunden. Am 13. März hat er erst einmal alle Proben und zeitnahen Auftritte wie die Maienbowle abgesagt. Ein geplantes Konzert im September steht noch auf der Kippe. Aber nach der Oktoberfest-Absage ist Ullrich skeptisch: „Zudem wir auch eine gewisse Vorlaufzeit benötigen, um die neuen Lieder zur Aufführungsreife zu bringen.“
Als kleine Vorbereitung hat Dirigent Andreas Lübke die neuen Lieder mithilfe spezieller Software jeweils in Bass und Tenor „eingesungen“und auch die Melodie am Klavier aufgenommen. So können die Sänger und Musiker die neuen Lieder zu Hause schon einmal üben. Und alle Sänger erhielten kürzlich vom Vorstand Post mit einem aufmunternden Brief zum Durchhalten und zwei Stoffmasken, die die Maskenkuriere Anton Jakob, Adelbert Dorotik, Hubertus Jonas per Rad austrugen. „Dies soll ein Zeichen der Kameradschaft und Wertschätzung sein“, sagt Dorotik.
Ähnlich wie den Seemännern geht es Vox Corona. Der Chor probt normalerweise am Montagabend, dawenn nach geht es gemeinsam zur Nachbesprechung in ein Lokal. Diese Freizeitgestaltung fällt nun weg, was die Mitglieder enorm schmerzt, heißt es vom Sängervorsitzenden Guido Fürst in einer Pressemitteilung: „Statt gemeinsam zu singen, können wir aber zu Hause mit dem Computerprogramm unseren Stimmenpart solistisch üben.“Die spirituelle Kraft des gemeinsamen Singens ersetze das aber nicht. Unterkriegen lasse sich der Chor durch die Beschränkungen aber nicht. Man freut sich weiter, wenn sich neue Mitsänger finden und fiebert dem Adventskonzert am 20. Dezember entgegen.
Ganz auf die Pausentaste hat das Königsbrunner Kammerorchester gedrückt. Das große BeethovenKonzert im März wurde abgesagt und ob das Konzert Klassik Open Air im Juli stattfinden kann, ist fraglich, ist vom Vorsitzenden Markus Memminger zu erfahren. „Wir haben im Moment einfach keine Planungssicherheit“, sagt der Vereinschef. Online-Proben machen für ihn keinen Sinn. „Unsere Musiker verstehen ihr Handwerk und es bringt das Vereinsleben nicht weiter.“Zudem habe man auf einem Probenwochenende das Beethoven-Konzert bereits bestens einstudiert. „Aber vielleicht produzieren wir ja eine Tonaufnahme.“
Der volle Terminkalender ist plötzlich auf
Null geschrumpft