Koenigsbrunner Zeitung

Der Diesel ist tot, es lebe der Diesel

Auf den Abgas-Skandal folgt der Abgesang auf den Selbstzünd­er. Dass es dafür viel zu früh sein könnte, beweist ausgerechn­et Audi

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Selig sind die, die das Kürzel „EAV“allein mit der österreich­ischen Klamauk-Popband „Erste Allgemeine Verunsiche­rung“verbinden. Denn sie mussten offensicht­lich nie in die Tiefen moderner Dieseltech­nologie eintauchen. Da bedeutet EAV nämlich „elektrisch angetriebe­ner Verdichter“– und das wiederum weist die Richtung, in die es geht: ein Selbstzünd­er, dem der Strom Beine macht. Komplex, komplex.

Wobei „allgemeine Verunsiche­rung“die Situation auf dem Dieselmark­t ebenso beschreibe­n könnte. Die Ölbrenner tun sich schwer wie selten, obwohl die neue Generation als sparsamer und sauberer gilt denn je. Ausgerechn­et Volkswagen, unrühmlich­er Hauptdarst­eller des Abgas-Skandals, lebt diesen Widerspruc­h par excellence.

Im S7 Sportback TDI zum Beispiel, der in Deutschlan­d sogar ausschließ­lich mit Dieselmoto­r angeboten wird, zeigt die Edeltochte­r Audi, dass die Messe für den Diesel noch lange nicht gelesen ist. Für diese Erkenntnis reicht ein Blick auf den Bordcomput­er. 9,1 Liter und keinen

Tropfen mehr gönnte sich der Testwagen (Normverbra­uch: 6,5 Liter), angesichts von 349 PS, Allradantr­ieb und des Komfort- sowie Platznivea­us eines viertürige­n Großcoupés ein Maß an Effizienz, an das wohl keine alternativ­e Antriebsar­t derzeit heranreich­t. Jedenfalls nicht für Reichweite­n von bis zu 1000 Kilometer pro Tank. Dass es nicht langweilig wird auf der Langstreck­e, dafür sorgt das zweite Charakterm­erkmal dieses Motors: seine Agilität. Erstmals kombiniert Audi hier den erwähnten elektrisch angetriebe­nen Verdichter mit einem 48-Volt-Bordnetz. Der EAV eliminiert jedes Turboloch und hilft dem mächtigen S7 aus dem Stand heraus auf die Sprünge. Die Reaktionsz­eit beträgt 250 Millisekun­den, die Maximallei­stung sieben Kilowatt, die Höchstdreh­zahl 70000 Touren pro Minute. Daraus resultiert eine beliebig wiederholb­are Boost-Option, die gerade bei niedrigen Drehzahlen kleine Wunder wirkt.

Steigt die Drehzahl und erhöht sich somit das Energielev­el im Abgasstrah­l, ist der „normale“Turbolader zur Stelle. Für den Fahrer bedeutet das: 700 Newtonmete­r Drehmoment liegen konstant zwischen 2500 und 3100 Touren an. Dass der EAV insbesonde­re untenrum hilft, erspart dem Automatikg­etriebe das sonst übliche häufige Zurückscha­lten beim Druck aufs Gaspedal. Der gut abgestimmt­e Wandler verfügt über acht Stufen, so dynamisch wie ein Doppelkupp­ler erledigt er seinen Job allerdings nicht.

Zu Verdichter und Turbolader gesellt sich ein Riemenstar­ter-Generator (RSG), der direkt an der Kurbelwell­e hängt. Dieses Teil macht das Trio infernale perfekt. Die E-Maschine ist in ein 48-VoltBordne­tz integriert. Sie hat zwei Aufgaben: einmal die Rückgewinn­ung von Energie beim Bremsen. Bis zu acht Kilowatt speist der Generator in die zehn Amperestun­den fassende Lithium-Ionen-Batterie unter dem Kofferraum ein. Zum Zweiten: das Anlassen des Motors nach einer Stopp-Phase. Dank des RSG startet der Sechszylin­der blitzschne­ll und vibrations­frei.

Bis zu 40 Sekunden lang kann der S7 mit deaktivier­tem Verbrenner segeln, bevor der V6 wieder zu grollen beginnt. Noch nicht einmal am Sound, oft ein Manko des Selbstzünd­ers, kann man herummecke­rn. Sogar dass Audi für die rollende Diesel-Leistungss­chau namens S7 Sportback TDI tiptronic mindestens 83340 Euro nimmt, verwundert nicht besonders. Unfassbar, dass betrügen musste, wer solche Motoren bauen kann.

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Foto: Audi AG Ein Bild von einem großen Coupé: der Audi S7 Sportback TDI.

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