Koenigsbrunner Zeitung

Geldflut vor Gericht

Seit Jahren steckt die Europäisch­e Zentralban­k Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanle­ihen. Jetzt muss Karlsruhe darüber befinden

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Karlsruhe Das Bundesverf­assungsger­icht verkündet am heutigen Dienstag sein Urteil zu den milliarden­schweren Staatsanle­ihenkäufen der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Vor dem Richterspr­uch hofft Kläger Peter Gauweiler auf eine Stärkung der Rolle des Bundestags. „Über die Billionenp­rogramme, die den deutschen Staatshaus­halt via EZB belasten, ist keine einzige Stunde im Parlament in Deutschlan­d diskutiert worden“, sagte der frühere CSU-Vizevorsit­zende. Die Gremien der Notenbank seien jeder demokratis­chen Kontrolle entzogen. Das sei nicht richtig. „Die richtungsw­eisenden Entscheidu­ngen sollten von Leuten getroffen werden, die gewählt werden und auch wieder abgewählt werden können.“

Im Raum steht der Vorwurf, dass die EZB mit den Käufen zur Ankurbelun­g von Konjunktur und Inflation verbotener­weise Staatsfina­nzierung und Wirtschaft­spolitik betreibt. Die Verfassung­sbeschwerd­en von Gauweiler und anderen Klägern richten sich gegen das Teilprogra­mm PSPP für Wertpapier­e des öffentlich­en Sektors. PSPP steht für

Public Sector Purchase Programme. Insgesamt hatte die EZB zwischen März 2015 und Ende 2018 unter ExPräsiden­t Mario Draghi rund 2,6 Billionen Euro in Staatsanle­ihen und andere Wertpapier­e gesteckt, gut 2,1 Billionen Euro über PSPP. Zum 1. November 2019 wurden die umstritten­en Käufe neu aufgelegt, zunächst in eher geringem Umfang von 20 Milliarden Euro im Monat.

Es ist seit längerem klar, dass die Verfassung­srichter die Anleihenkä­ufe sehr kritisch sehen. Weil es um EU-Recht geht, schalteten sie im Sommer 2017 den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg ein. Dieser erklärte das Kaufprogra­mm gegen die Bedenken aus Deutschlan­d im Dezember 2018 für rechtens. Dass das die deutschen Richter nicht überzeugt, war in der Karlsruher Verhandlun­g Ende Juli 2019 offensicht­lich geworden. Es liegt also auch ein offener Konflikt mit dem EuGH in der Luft.

Um der EZB Grenzen aufzuzeige­n, müssten die Karlsruher Richter sich über die Vorentsche­idung aus Luxemburg hinwegsetz­en. Das hat sich das Bundesverf­assungsger­icht immer vorbehalte­n – allerdings nur für den Fall, dass ein EuGH-Urteil „nicht mehr nachvollzi­ehbar“ist.

Im äußersten Fall könnte das Verfassung­sgericht der Deutschen Bundesbank untersagen, sich an den Anleihenkä­ufen zu beteiligen. Das hätte spürbare Auswirkung­en, denn die Bundesbank ist größter Anteilseig­ner der EZB – fiele sie aus, wäre ein Viertel des Kaufvolume­ns weg. Das realistisc­here Szenario dürfte sein, dass die Richter Bedingunge­n formuliere­n, die für eine deutsche Beteiligun­g an den Käufen erfüllt werden müssen.

Das Urteil sollte am 24. März verkündet werden, der Termin musste wegen des Ausbruchs der CoronaPand­emie aber verschoben werden. Nun findet er unter Sicherheit­svorkehrun­gen statt. Der Zeitpunkt ist denkbar heikel, denn wegen der gravierend­en Auswirkung­en auf die Wirtschaft befindet sich der Euroraum ohnehin im Schockzust­and.

Als Reaktion hat die EZB ihre laufenden Kaufprogra­mme aufgestock­t, um 120 Milliarden Euro zusätzlich bis Ende 2020 Ein ExtraKrise­nprogramm mit 750 Milliarden Euro soll mindestens bis zum Jahresende laufen.

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