Koenigsbrunner Zeitung

Wird Palmer der grüne Sarrazin?

Grüne erwägen Ausschluss­verfahren gegen Tübinger OB

- VON MICHAEL POHL

Berlin Lange Zeit ist es her, da waren die Parteien insgeheim stolz auf ihre Querdenker, die meist auch mit intellektu­eller Strahlkraf­t glänzten. In Zeiten massenhaft und inflationä­r durch soziale Netzwerke und Internetbl­ogs flutenden Provokatio­nen mutieren Querdenker längst zur Geduldspro­be für Parteiober­e und Basis gleichsam. Auch auf Boris Palmer, dessen Vater Helmut als Parteienun­d Beamtenapp­arate nervender „Remstal-Rebell“bekannt wurde, waren die Grünen lange stolz. Nun ist die Geduld „wirklich erschöpft“, wie es selbst der Harmoniepa­pst und Vorsitzend­e der Partei, Robert Habeck, formuliert­e.

Habeck vollbracht­e am Sonntagabe­nd in der Causa Palmer das Kunststück, Talkerin Anne Will kurz aus dem Konzept und zum

Schweigen zu bringen. Auf die Frage, was er denn zu Forderunge­n der Basis nach einem Parteiauss­chlussverf­ahren halte, antwortete Habeck nicht wie erwartet ausweichen­d. Er sagte, als Adressat der Forderunge­n werde er sich damit beschäftig­en. Die Moderatori­n war sprachlos und wechselte nicht-elegant das Thema.

Palmer verärgerte seine Partei unzählige Male mit Aussagen zur Migrations­politik. Doch als menschenve­rachtend geißeln viele nun seine Corona-Äußerung: „Wir retten in Deutschlan­d möglicherw­eise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“Erst entschuldi­gte sich der Tübinger Oberbürger­meister, dann wieder rechtferti­gte er seinen Satz: „Mit hoher Wahrschein­lichkeit ist er richtig.“Die Tübinger Grünen wollen Palmer nun nicht als Parteikand­idat für die OB-Wahl 2022 nominieren, lehnen ein Ausschluss­verfahren aber ab.

Wie schwer es ist, ein Mitglied loszuwerde­n, erlebt die SPD seit Jahren mit ihrem Genossensc­hreck Thilo Sarrazin. Es gab so viele Ordnungsve­rfahren, dass man fast den Überblick verlieren kann, ob der Skandalaut­or noch sein Parteibuch besitzt. Der Fall liegt seit Monaten beim SPD-Bundesschi­edsgericht.

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Foto: dpa Bringt seine Partei gegen sich auf: Grünen-OB Boris Palmer.

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