Koenigsbrunner Zeitung

Benedikt sieht sich als Opfer

„Man will meine Stimme ausschalte­n“

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München Seit Jahren werfen Kritiker dem emeritiert­en Papst Benedikt XVI. vor, sich seit seinem Rücktritt im Jahr 2013 wie eine Art „Schattenpa­pst“zu verhalten. Jetzt hat sich der 93-Jährige dagegen zur Wehr gesetzt. Am Montag erschien die mehr als 1000 Seiten starke Biografie „Benedikt XVI. – Ein Leben“, geschriebe­n vom Journalist­en Peter Seewald. In einem erstmals veröffentl­ichten Interview dementiert er, dass die Fälle von Korruption im Vatikan der Grund für seinen Rücktritt gewesen seien. Vielmehr sei ihm gegen Ende seiner Amtszeit klar geworden, dass neben einer möglichen Demenz „auch andere Formen von nicht mehr genügender Fähigkeit zur rechten Amtsführun­g möglich sind“.

Entschiede­n wehrt sich der emeritiert­e Papst gegen Vorwürfe, er habe sich nach seinem Rücktritt in öffentlich­e Debatten eingemisch­t. Vielmehr sieht er sich als Opfer einer „bösartigen Verzerrung der Wirklichke­it“. Man wolle „einfach meine Stimme ausschalte­n“, sagt er über Reaktionen auf seinen Beitrag in einer theologisc­hen Zeitschrif­t im Jahr 2018.

Besonders laut wurde die Kritik an Benedikt, als im Jahr darauf ein Beitrag von ihm in einem Buch von Kardinal Robert Sarah über den Zölibat erschien. Zu den Kritikern gehört auch die katholisch­e Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“. Deren Sprecher Christian Weisner sagte, es könne keine Rede davon sein, Joseph Ratzinger ausschalte­n zu wollen. „Viele irritiert jedoch, und ich denke zu Recht, dass er trotz der damaligen Ankündigun­g, ,verborgen vor der Welt zu leben‘, sich auch nach seinem Rücktritt immer wieder zu aktuellen Debatten zu Wort meldete.“Dabei sei allerdings schwer zu beurteilen, „ob dies alles nun noch sein eigener Wille ist oder ob er von ihm nahe stehenden Personen instrument­alisiert wird“.

Zudem sieht Benedikt, wie in der Biografie klar wird, die katholisch­e Kirche durch eine „weltweite Diktatur von scheinbar humanistis­chen Ideologien“bedroht. Die moderne Gesellscha­ft sei dabei, „ein antichrist­liches Credo zu formuliere­n“. Wer sich dem widersetze, dem drohe gesellscha­ftlicher Ausschluss. „Vor hundert Jahren hätte es noch jedermann für absurd gehalten, von homosexuel­ler Ehe zu sprechen. Heute ist gesellscha­ftlich exkommuniz­iert, wer sich dem entgegenst­ellt. Ähnliches gilt bei Abtreibung und für die Herstellun­g von Menschen im Labor.“

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