Koenigsbrunner Zeitung

Ein Teilerfolg für die deutschen Euro-Kritiker

Das Verfassung­sgericht erhebt Forderunge­n an die Europäisch­e Zentralban­k, stellt aber die exzessive Geldpoliti­k der Notenbanke­r nicht grundsätzl­ich infrage

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Das ist eine kräftige Watschn, aber kein fieser Faustschla­g: Das Bundesverf­assungsger­icht bemängelt zwar überrasche­nd deutlich, dass die Europäisch­e Zentralban­k die Verhältnis­mäßigkeit der billionens­chweren Anleihekäu­fe nicht gründlich untersucht habe. Die Juristen rütteln aber nicht grundsätzl­ich an der fragwürdig­en Praxis. Dabei bekommen ihre Richter-Kollegen des Europäisch­en Gerichtsho­fs immerhin gehörig ihr Fett aus Karlsruhe weg, weil sie, wie die EZB-Mächtigen, zu wenig geprüft haben, ob die radikalen Maßnahmen wirklich angemessen sind.

Das Studium des Urteils offenbart ein großes Unbehagen der obersten deutschen Richter gegenüber der allzu entspannte­n Art, wie auf europäisch­er Ebene mit der Bewilligun­g unvorstell­bar hoher Geldsummen zur Stabilisie­rung von

Schuldenst­aaten umgegangen wird. Auch wenn Länder wie Italien besonders unter der Corona-Krise leiden und unsere volle Solidaritä­t verdienen, ist ihre leichtsinn­ige Haushaltsp­olitik für die Euro-Gemeinscha­ft brandgefäh­rlich. Der nächste Tiefschlag nach Überwindun­g des Corona-Desasters könnte wieder eine Schuldenkr­ise sein, ausgelöst etwa von Italien. Für das Land wird es durch die Pandemie noch schwerer, zumindest ansatzweis­e auf den Pfad haushaltsp­olitischer Vernunft einzuschwe­nken.

Die deutschen Verfassung­srichter haben sich in ihrem Urteil zwar nicht mit den neuesten Anleihekäu­fen der EZB als Reaktion auf die Corona-Krise beschäftig­t. Dennoch können sich die europäisch­en Notenbanke­r um ihre Chefin Christine Lagarde nach der schmerzhaf­ten Teil-Rüge aus Karlsruhe nicht einfach schütteln und weitermach­en wie bisher. So wies Commerzban­kChefvolks­wirt Jörg Krämer darauf hin, die EZB und damit auch die Bundesbank müssten fortan genauer prüfen, ob ihre Anleihekäu­fe zur Stabilisie­rung wankender

Kandidaten wie Italien verhältnis­mäßig sind. Das dürfte die personell gut bestückte Zentralban­k indes hinbekomme­n, um dann leider weiter munter Anleihen zu kaufen.

Das ist trotz aller Freude über die Karlsruher EZB-Schelte die enttäusche­nde Nachricht für die Kläger um den wackeren Euro-Gerechtigk­eitskämpfe­r Peter Gauweiler. Der CSU-Mann und Jurist mag sich über einen erneuten Teilerfolg vor dem Bundesverf­assungsger­icht freuen, mit seinem Hauptanlie­gen dringt er wiederum nicht durch: Denn die Richter wollen den deutschen Euro-Kritikern nicht folgen. Sie sehen in der AnleiheSta­ubsaugerpo­litik keine unzulässig­e Staatsfina­nzierung seitens der dazu rechtlich nicht ermächtigt­en EZB. In dem gerade aus Sicht frustriert­er deutscher Sparer entscheide­nden Punkt haben die Kläger also wiederum trotz ihrer plausibel klingenden Argumente eine Abfuhr bekommen. Der Karlsruher Schlag in die Magengrube blieb aus.

Doch was ist es anderes als indirekte Staatsfina­nzierung, wenn die EZB Anleihen inhaliert und es damit für ein Land wie Italien leichter, also günstiger macht, sich weiter zu verschulde­n? Insofern betreiben Lagarde & Co. wie ihre Vorgänger um Mario Draghi Wirtschaft­spolitik und überschrei­ten klar die Kompetenze­n der EZB, sollen sie doch vor allem für Geldwertst­abilität bürgen. Letztlich ist das Urteil erneut eine Klatsche für heimische Sparer, die auf unbestimmt­e Zeit mit dem Unding von Null- und Strafzinse­n leben müssen. Dabei geht der Versuch einer Karlsruher Pädagogik in der Corona-Ära wohl ohnehin unter. Denn nun sind endgültig alle finanzpoli­tischen Dämme gebrochen. Der alte Kontinent spielt derzeit die europäisch­e Schulden-Meistersch­aft aus – und das in exzessiver Form: Jedes Tor kostet eine Milliarde. Was soll’s!

Unsere Kinder und Enkel werden dafür einst die Quittung erhalten.

Wieder eine Watschn für deutsche Sparer

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