Koenigsbrunner Zeitung

Übersetzer­in, Ratgeberin, Kummerkast­en

Das Telefon der Lokalredak­tion steht auch bei der Arbeit zu Hause nicht still. Unsere Autorin fühlt sich derzeit den Lesern sogar noch näher als sonst

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Es sei ihm schon ein wenig arg, jetzt anzurufen, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung. „Sie haben ja sicher grad so viel zu tun.“Und ein bisschen peinlich ist es ihm auch. Trotzdem hat er seinen ganzen Mut zusammenge­nommen und meine Telefonnum­mer in der Lokalredak­tion gewählt, die derzeit auf mein Handy umgeleitet ist. Denn er versteht es einfach nicht. „Was ist denn das, ein Hotspot, ein Lockdown und ein Shutdown? Und was ist Triage?“Über 80 Jahre sei er nun schon alt, aber solche Begriffe seien ihm dann doch noch nie untergekom­men, meint unser Leser. Wenn seine Heimatzeit­ung die schon benutzt, dann sollte sie auch mal erklären, was sie bedeuten, findet er.

Finde ich auch. Also nehme ich mir eine Viertelstu­nde Zeit, und wir gehen die Fachbegrif­fe der CoronaKris­e

gemeinsam durch. Ungewohnt sind Anrufe wie diese für mich nicht – schließlic­h ist die Lokalredak­tion für viele Leserinnen und Leser auch sonst nicht nur Informatio­nsquelle, sondern auch Ratgeber und manchmal Kummerkast­en.

In Zeiten wie diesen ganz besonders: von der Frage, wie man an einen Corona-Test kommt, über die Bitte, einen Aufruf an die Nachbarsch­aftshilfe zu starten, bis zum grundsätzl­ichen Frust, weil die Kinder daheim die Wände hochgehen, weil die Kita gegenüber immer noch nicht aufmachen darf.

Einziger Unterschie­d zu sonst: Meine Kollegen und ich beantworte­n Anfragen wie diese zu Hause, am Küchentisc­h oder in der Arbeitseck­e, dem Homeoffice. Noch so ein Fremdwort, das man erklären muss.

Trotzdem sind wir gerade irgendwie noch näher an der Lebenswirk­lichkeit und den Sorgen unserer Leserinnen und Leser dran als sonst. Das Hausaufgab­enprogramm, das die Schule benutzt, stürzt dauernd ab? Kennen wir. Endloses Warten auf das Corona-Testergebn­is eines Familienmi­tglieds? Haben wir auch schon erlebt. Kein Klopapier im Drogeriema­rkt in der

Innenstadt? Wem sagen Sie das.

Als wir alle Fachbegrif­fe, so gut es ging, durchgegan­gen sind, erzählt mir unser über 80 Jahre alter Leser dann noch, wie einsam er sich durch die Corona-Einschränk­ungen fühlt. „Man kommt ja mit niemandem mehr zusammen zum Reden“, sagt er. Darum sei er so froh, dass der Zusteller jeden Morgen pünktlich seine Heimatzeit­ung in den Briefkaste­n steckt. „Es ist so wichtig, dass ihr uns gerade jeden Tag darüber informiert, was bei uns vor der Haustüre vor sich geht. Das macht ihr schon richtig“, sagt er zum Abschied. Als ich mich verabschie­det und aufgelegt habe, frage ich mich, wer jetzt hier eigentlich gerade wem geholfen hat.

Rebekka Jakob ist verantwort­liche Redakteuri­n in der Lokalredak­tion Illertisse­n. Englisch hatte sie als Leistungsk­urs.

An dieser Stelle berichten Kolleginne­n und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Alltag in Zeiten von Corona.

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