Koenigsbrunner Zeitung

Goldfinger: Bringen Dokumente aus England die Wende?

Wie sahen britische Steuerfahn­der den Fall? Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg hält die Akten zurück. Doch die Engländer wollen liefern

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF Augsburg

Es war Ende 2017. Das Goldfinger-Verfahren der Augsburger Staatsanwa­ltschaft lief da schon rund fünf Jahre. Die Ermittler wähnten sich kurz vor dem Ziel und planten einen großen Schlag: eine Großrazzia bei sämtlichen mutmaßlich­en Initiatore­n und Investoren des umstritten­en Steuerspar-Modells. Die Durchsuchu­ngsaktion sollte zeitgleich in mehreren europäisch­en Ländern stattfinde­n. Daher trafen sich zwei Augsburger Staatsanwä­lte mit Kollegen aus Österreich und Großbritan­nien bei der EU-Justizbehö­rde Eurojust in Den Haag und wenig später mit Vertretern der britischen Steuerbehö­rde HMRC in London. Der Haken daran: In den Gerichtsak­ten zum Prozess findet sich keinerlei Hinweis zu diesen Treffen. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft hat offensicht­lich keine Unterlagen über die Gespräche auf europäisch­er Ebene zu den Gerichtsak­ten gefügt. Dort findet sich nicht einmal eine Notiz darüber, dass diese Treffen stattgefun­den haben. Nun gibt es zwei Möglichkei­ten: Entweder haben die Ankläger keine Notizen oder Protokolle verfasst – was angesichts der Bedeutung des Verfahrens und der europäisch­en Dimension verwunderl­ich wäre. Oder es gibt diese Aufzeichnu­ngen, und sie werden zurückgeha­lten. Die Verteidige­r im Goldfinger-Prozess sprechen schon seit Wochen von „Vertuschun­g“. Die Chef-Sachbearbe­iterin des Goldfinger-Falls ist noch nicht als Zeugin vernommen worden. Der andere an den Treffen beteiligte Staatsanwa­lt hat vergangene Woche als Zeuge im Prozess ausgesagt, dass er nur seine Kollegin unterstütz­en sollte und keinerlei Vermerke über diese Gespräche angefertig­t habe.

Die britische Steuerbehö­rde HMRC jedenfalls hat noch Aufzeichnu­ngen aus diesen beiden Treffen. Dies geht aus einem E-Mail-Verkehr zwischen dem britischen Anwalt des Angeklagte­n Martin H. und einem englischen Steuerfahn­der hervor. Und nicht nur das. Die Behörde ist demnach jederzeit bereit, diese Unterlagen für den Goldfinger-Prozess in Augsburg

zur Verfügung zu stellen. Unter einer Bedingung: Die deutschen Strafverfo­lgungsbehö­rden, in diesem Fall also die Augsburger Staatsanwa­ltschaft muss die Genehmigun­g dazu erteilen. Am Dienstagmi­ttag hat die Sitzungsve­rtreterin der Staatsanwa­ltschaft nun laut Verteidige­r Richard Beyer mitgeteilt, dass sie keine Einwände hat. Darüber habe sie die Kollegen in Den Haag und London bereits informiert. Die Akten können kommen.

Die entscheide­nde Frage ist nun: Was steht in den Aufzeichnu­ngen der britischen Steuerfahn­der? Im viel beachteten Goldfinger-Verfahren geht es um komplexe Zusammenhä­nge. Die Steuerersp­arnis beim „Goldfinger“-Modell ergibt sich dadurch, dass mittels Goldhandel­sfirmen im Ausland steuerlich­e Verluste erzeugt werden konnten, die die Steuerlast im Inland stark drückten. Einer der Knackpunkt­e im Prozess ist, ob in Großbritan­nien tatsächlic­h Büros der Goldhandel­sfirmen existierte­n. Die Staatsanwa­ltschaft ging lange davon aus, dass es sich dabei um reine Briefkaste­nfirmen handelt. So steht es auch in der Anklage. Das darf inzwischen als widerlegt gelten. Bei den Treffen in Den Haag und London soll besprochen worden sein, ob Durchsuchu­ngen der britischen Firmen möglich sind. Er habe aus den Treffen mitgenomme­n, dass dies rechtlich schwierig sei, sagte der Staatsanwa­lt als Zeuge.

Doch die Verteidigu­ng hat einen ganz anderen Verdacht: Haben die britischen Steuerbehö­rden festgestel­lt, dass es diese Büros gibt? Und haben sie die Erkenntnis­se so an ihre deutschen Kollegen weitergege­ben? Und hat die Staatsanwa­ltschaft trotzdem Anfang 2018 Razzien organisier­t, die Anwälte in U-Haft nehmen lassen und Anklage erhoben? Die Angeklagte­n, die Münchner Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter Martin H. und Diethard G., halten diese Umstände für skandalös und fühlen sich zu Unrecht verfolgt. Sie wollen einen Freispruch erreichen und planen nach Auskunft des Verteidige­rs Richard Beyer sogar Strafanzei­gen, so erzürnt sind sie über das Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft.

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