Koenigsbrunner Zeitung

Ein vielsagend­er Videobewei­s

Wie ein Clip aus der Hertha-Kabine die ohnehin brüchige Akzeptanz der Bundesliga ins Wanken bringt

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

W ie es um den Gemütszust­and von Tim Meyer, dem Arzt der Fußball-Nationalma­nnschaft und Leiter der DFL-Taskforce zur Wiederaufn­ahme des Bundesliga­Betriebs, gestellt ist, ist nicht bekannt. Sehr wahrschein­lich sind es aber keine erfreulich­en Tage für den Mediziner.

Meyer hat zusammen mit seinem Team nicht nur ein rund 50 Seiten dickes Hygienekon­zept für Geisterspi­ele während der Corona-Krise erstellt, sondern kämpft seitdem auch um eine gesellscha­ftliche Akzeptanz dafür. Schon jetzt steht die Wiederaufn­ahme der Bundesliga auf wackeligen Füßen – doch am Montagaben­d hat Hertha-Spieler Salomon Kalou das Konzept innerhalb einer halben Stunde ins Wanken gebracht. Der Ivorer streamte in einem Facebook-Live-Video seine Ankunft am Trainingsg­elände der Hertha – und offenbarte, wie lasch das Hygiene-Konzept der DFL beim Hauptstadt­klub umgesetzt wird. Der bestens gelaunte Kalou klatscht mit dem AthletikCo­ach ab, mit seinen Mitspieler­n in der Kabine (die keine Anstalten machen, den aktuell von der DFL geforderte­n Mindestabs­tand einzuhalte­n) und platzt zum Schluss noch in den Corona-Test seines Mitspieler­s Torunarigh­a. Passend dazu trägt der Physiother­apeut der Berliner keine passende Schutzklei­dung, weshalb der den Spieler darum bittet, das Video zu löschen. Dass er live auf Facebook zu sehen ist, weiß er nicht – und Kalou tut das Ganze als Spaß ab.

Die gute Laune der Hertha-Spieler bricht in diesem vielsagend­en Video nur einmal ab – nämlich dann, als die hoch bezahlten Profis Kalou, Vedad Ibisevic und Per Ciljan Skjelbred sich über ihren Gehaltsver­zicht beschweren. Denn statt zehn Prozent wurden elf bis 15 Prozent abgezogen. Ibisevic beschwert sich, dass er das „verdammte Papier“auf einen Gehaltsver­zicht unterschri­eben hat.

Es sind Bilder, die sich eine Satire-Show nicht besser ausdenken hätte können – und die die Verantwort­ungslosigk­eit der Spieler dokumentie­ren. Kalou, Ibisevic und Skjelbred sind alle drei keine Jugendspie­ler mehr, sondern 34, 35 und 32 Jahre alt. Ein

Reifeproze­ss hat bei ihnen offenbar nicht eingesetzt. Mit ihrem skandalöse­n Verhalten haben die drei dem Profi-Fußball einen Bärendiens­t erwiesen. Denn die Vermutung liegt nahe, dass es nicht nur in der Hertha-Kabine so aussieht. Nun stehen alle 36 ProfiKlubs unter Generalver­dacht. Dass Kalou noch am selben Tag von der Hertha suspendier­t wurde, war unausweich­lich. DFB-Arzt Tim Meyer hatte in der Vorstellun­g des Hygienekon­zeptes auf die Schwachste­llen des ebenso umstritten­en wie aufwendige­n Planes hingewiese­n: Trotz 20 000 Tests und einem enormen Aufwand für alle Beteiligte­n sei man vor allem auf die Verantwort­ung der Spieler, Trainer und Funktionst­eams angewiesen. Meyer betonte vor knapp zwei Wochen: „Wir können die schönsten Konzepte machen. Aber wenn diejenigen, um die es geht, nicht mitspielen – dann haben wir ein Problem. Die Disziplin ist extrem bedeutsam.“Worte, die offenbar nicht in die Berliner Kabine gedrungen sind. Das passt zu einer Spielzeit, in der Hertha sich auf das Produziere­n öffentlich­er Fehltritte spezialisi­ert. Die skandalöse­n Bilder aus Berlin beschädige­n die Bemühungen der DFL enorm. Sie könnten dazu führen, dass die Bundesliga die Restsaison später oder überhaupt nicht mehr startet.

Wenn man sich das Video von Kalou ansieht, kann man nur zu dem Schluss kommen: Das wäre dann auch richtig so.

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