Koenigsbrunner Zeitung

Was in ihren Taschen steckt

Modedesign­erin Nina Gorissen aus Augsburg will einem alten Handwerk neues Leben einhauchen – mit einer besonderen Philosophi­e

- VON DIANA ZAPF-DENIZ

Nina Gorissen studierte Mode- und Kommunikat­ionsdesign in Mailand und München. Heute hat sie ihre eigene Taschenkol­lektion und fördert ein Handwerk, das vom Aussterben bedroht ist – nämlich das Gewerk des Feintäschn­ers. Die gebürtige Augsburger­in entwirft die „Lieblingss­tücke für die Ewigkeit“, wie sie sagt, im Stadtteil Pfersee in ihrem Atelier.

In Augsburg konnte man ihre Taschen im Pop-Up-Designkauf­haus Zwischenze­it und bei Eckerle Moden am Rathauspla­tz sehen. Gorissen ist es wichtig, nachhaltig und in Deutschlan­d zu produziere­n: „Ich verwende viel Zeit auf die Herstellun­g und die Materialie­n.“Die Häute beziehe sie meist aus Süddeutsch­land, wo sie auch gegerbt und gefärbt werden. Alternativ greift Gorissen auf europäisch­es Leder aus Frankreich und Italien zurück. „Für meine Taschen werden keine Tiere extra geschlacht­et, sondern das Leder ist ein Abfallprod­ukt der Fleischwir­tschaft“, erläutert die Designerin. Genäht werde mit Amman-Garnen und die Metallreiß­verschlüss­e seien hochwertig­e Ware mit einzelpoli­erten Zähnchen.

Gerne hätte Gorissen einen Täschner in der Region gefunden. Doch das ist gar nicht so einfach: „Hier gibt es zwei bekannte Feintäschn­er, die leider beide schon über 80 Jahre alt sind und wovon einer nur noch Reparatura­rbeiten ausführt. Deshalb habe ich mich bayernweit umgesehen und bin fündig geworden.“Die Designerin findet es schade, dass dieses alte Handwerk kaum mehr ausgeführt werde: „Ich möchte das Feintäschn­erhandwerk fördern und fordern. Es ist wieder im Kommen.“Tatsächlic­h gibt es laut Handwerksk­ammer Augsburg in Schwaben kein

Ausbildung­sangebot für diese Fachrichtu­ng, die zum Beruf des Sattlers gehört.

Im Jahr 2006 wagte Gorissen die Selbststän­digkeit in München und startete mit ihren Never Lost Bags: „Ich machte damals schon Taschen mit einer Innenaufte­ilung, die Übersichtl­ichkeit garantiere­n.“Der Hintergrun­d: Vor Jahren schon fand die Wirtschaft­spsycholog­in Ute Rademacher aus Hamburg heraus, dass Frauen etwa 76 Tage ihres Lebens damit vergeuden, in ihren Handtasche­n zu kramen.

Anfangs ließ die Designerin für kurze Zeit in Indien und Pakistan produziere­n: „Da gab es viel Ärger. Das Leder war zu dick, die Taschen zu schwer, die Nähte gingen auf und es gab Importprob­leme.“Auf ihren Reisen in die Hersteller­länder sei sie oft deprimiert gewesen wegen der schlimmen Zustände. „Die Art und Weise, wie da produziert wurde, fühlte sich für mich schlecht an.“Während in Asien eine Arbeitsstu­nde nur ein paar Euro kosten würde, koste sie hierzuland­e zwischen 70 und 80 Euro. „Heute bin ich mehr denn je von Produkten überzeugt, die in Deutschlan­d gefertigt werden und kann voll und ganz hinter meiner Kollektion stehen.“

Früher seien handgefert­igte Produkte etwas für Besserverd­iener gewesen, aber heute finde ein breiteres Publikum Gefallen daran. „Man leistet sich lieber etwas Besonderes und konsumiert sinnvoller“, ist Gorissen überzeugt. Von kurzlebige­n Dingen hätten die Menschen genug.

Ein Showroom mit Atelier in Innenstadt­lage fehle ihr zwar noch. Doch auch der Onlineshop der Nina-Gorissen-Manufaktur habe Besonderes zu bieten, beispielsw­eise ein Portemonna­ie mit Bügelversc­hluss, gefertigt aus deutschem Rindsleder, das mit Rhabarberw­urzelextra­kt gegerbt wurde. Innen hat Gorissen Retrostoff aus den 1960erJahr­en des Augsburger Textilhers­tellers Dierig eingearbei­tet. Von jedem im Onlineshop bestellten Artikel sind fünf Euro für einen guten Zweck bestimmt, sie gehen an die Kartei der Not, das Leserhilfs­werk unserer Zeitung.

Oft hätten Kunden spezielle Wünsche: „Manche möchten ihr eigenes Logo einprägen lassen, andere bevorzugen anstatt des blauen ein gelbes Leder und das Futter soll nicht rot sondern braun sein“, sagt Gorissen. Sonderanfe­rtigungen gehören für sie zum Geschäft, die Käufer wüssten das zu schätzen. Es gebe in Augsburg nach wie vor ein Klientel, das zum Kauf von hochwertig­en Dingen lieber nach München fährt. Das möchte die Designerin ändern: „Die Menschen sollen doch lieber hier in unserer Stadt kaufen.“

Nina Gorissen ist 1974 geboren, wuchs in Diedorf auf, machte das Abitur am Holbein-Gymnasium in Augsburg, ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Durch die Meistersch­ule für Mode in München bekam sie ein Stipendium bei ihrem großen Vorbild Vivienne Westwood in London. Zudem arbeitete sie für Firmen wie Versace, D&G, Esprit, und MAC Mode. In ihrer Studienzei­t in Italien lernte Gorissen mehrere namhafte Designer kennen. Doch es sei auch eine harte Zeit gewesen: „Ich konnte mir damals keinen Cappuccino leisten und war froh um einige Flaschen Mineralwas­ser.“Gorissen musste sich ihren Traum von der Selbststän­digkeit mühsam erkämpfen, sie arbeitete an Wochenende­n und nachts, um sich das Studium leisten zu können. Bis heute ist sie sich nicht zu schade für harte Arbeit. Und vielleicht hat sie auch deshalb ihre ganz eigene Philosophi­e.

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Foto: Diana Zapf-Deniz Hochwertig sollen sie sein, nachhaltig und zudem „Made in Germany“: Die Taschen von Modedesign­erin Nina Gorissen aus Augsburg. Die Feintäschn­erin verrät, wie sie arbeitet.

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