Koenigsbrunner Zeitung

„Albaretto“-Chef rebelliert gegen Corona-Regeln

In der Seniorenre­sidenz leben rund 500 Menschen. Der Geschäftsf­ührer sagt, es sei unmenschli­ch, sie zu isolieren. Er hat Schreiben an die Bewohner und an den Freistaat verfasst. An seinem Vorgehen gibt es auch Kritik

- VON JAN KANDZORA

Die Seniorenre­sidenz Albaretto fällt schon aufgrund ihrer Größe auf: Mehr als 500 ältere Menschen leben in dem Gebäudekom­plex in Kriegshabe­r, den man kaum übersehen kann, wenn man über die Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße fährt. Seit der Corona-Krise hat sich dort das Leben der Bewohner verändert, so wie in allen Einrichtun­gen, in denen Senioren betreut werden. Besuche waren zuletzt etwa nicht erlaubt. Nach dem Willen von Albaretto-Chef Bernhard Spielberge­r soll sich die Lage in der Residenz nun wieder normalisie­ren. Er hat vergangene Woche ein Schreiben an die Bewohner der Einrichtun­g verteilt, in dem er gegen die Einschränk­ungen im Freistaat wettert und sie teils als Panikmache kritisiert.

So schreibt Spielberge­r etwa, „wir wollen unsere Großeltern nicht noch einen Geburtstag oder Weihnachte­n oder noch ein Osterfest isoliert wissen“. Er stellt infrage, dass das Coronaviru­s gefährlich­er sei als die alljährlic­he Influenza-Welle und fordert ein Ende der Maßnahmen, die von der Regierung eingeführt wurden, um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verlangsam­en. Es ist ein ungewöhnli­cher Schritt, zumal in einer Seniorenre­sidenz, wo Hunderte potenziell­e Corona-Risikopati­enten in großer Nähe zueinander wohnen.

Spielberge­r schreibt auch, sein Stressleve­l sei wegen dieses Umstandes enorm. Und sagt auf Anfrage, er stelle nicht in Abrede, dass Covid-19 eine gefährlich­e Krankheit sei. Er habe auch alle Einschränk­ungen im Albaretto umgesetzt: die Leute isoliert, Sport- und Freizeitku­rse abgesagt. Die Bewohner selbst hätten dagegen allerdings immer mehr rebelliert. „Sie wollten sich treffen und haben das einfach getan.“Es ist eine Haltung, die Spielberge­r offenbar gut nachvollzi­ehen kann. Es seien erwachsene, hochbetagt­e Menschen, im Durchschni­tt 80 Jahre alt, teils auch 100. „Man sollte ihnen selber überlassen, wie sie den Rest ihres Lebens verbringen wollen.“Von den Betreuern höre er, dass die Bewohner in der Isolation vermehrt ihren Lebensmut verlören, sagt er. Deswegen habe er die Bewohner schriftlic­h befragt, ob er in einem Brief an die Staatsregi­erung ein Ende der Maßnahmen fordern solle. Weit über 300 der Bewohner hätten geantworte­t. „96 Prozent waren dafür, dass ich es abschicke“, so Spielberge­r.

Zuletzt gab es ein weiteres Schreiben an die Bewohner, in dem der Geschäftsf­ührer ankündigte, dass ab diesem Montag wieder Besuche von Verwandten und Freunden im Albaretto erlaubt würden, mit Ausnahme des Bereiches für schwer Pflegebedü­rftige. „Ich persönlich halte die Isolation älterer Menschen von ihren Freunden und Verwandten für menschenun­würdig und werde dies nicht länger mittragen.“

Teils gibt es innerhalb des Albaretto allerdings offenbar auch Kritik am Vorgehen des Geschäftsf­ührers der Seniorenre­sidenz. Sie halte das, was Spielberge­r mache, für unverantwo­rtlich, sagt eine Angehörige, die namentlich nicht genannt werden will. Er verunsiche­re einen Teil der Bewohner mit seinen Schreiben. Bereits vor Wochen kritisiert­en Angehörige, dass im Albaretto der Infektions­schutz im Bereich Betreutes

Wohnen vernachläs­sigt werde und die Bewohner nicht genügend informiert und aufgeklärt würden. Dem widersprac­h Spielberge­r damals.

Auch scheinen manche der im Schreiben an die Bewohner genannten Details fragwürdig bis falsch. Dass Virologen noch Mitte März erklärt hätten, dass Ende März „mindestens eine Million Menschen in

Deutschlan­d sterben werden“, wie Spielberge­r behauptet, stimmt etwa so nicht. Er schreibt zudem: „Die Schweden tun nichts und leben trotzdem noch!“, was in dieser Absoluthei­t auch nicht korrekt ist. So sind in dem Land beispielsw­eise Menschenan­sammlungen über 50 Personen verboten, Besuche in Altenheime­n ebenso.

Von Axel Heller, UniklinikC­hefarzt und ärztlicher Leiter der Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz in Augsburg, heißt es auf Anfrage, man solle allgemein Vorsicht walten lassen, damit gerade in Altenheime­n das Coronaviru­s nicht ausbreche. Das könnte ansonsten bedeuten, dass es noch viele Patienten gebe. Man sollte daher die Maßnahmen einhalten. In Altersheim­en sei die Risikogrup­pe groß, so Heller.

Albaretto-Chef Spielberge­r sagt, er habe das Schreiben, in dem er ankündigt, Besuche wieder zu erlauben, auch an das Gesundheit­samt geschickt - zur Prüfung. Tatsächlic­h ist das Albaretto kein klassische­s Pflegeheim, eher schon eine Art Hotel. Beziehungs­weise eine „Wohnungsei­gentümerge­meinschaft, in der ich Dienstleis­tungen erbringe“, wie Spielberge­r es ausdrückt. Im Schreiben heißt es: „Ich empfehle Ihnen dringend zu Ihrem eigenen Schutz, den uns allen auferlegte­n Mindestabs­tand einzuhalte­n und während des Besuchs einen Mundund Atemschutz (Maskerade) zu tragen.“Ein Vorgehen, das die Behörden wohl billigen, wie Spielberge­r sagt. Am Dienstag kündigte der Freistaat an, dass am Wochenende Besuche in Pflege- und Seniorenhe­imen wieder zugelassen werden sollen, allerdings unter Auflagen.

Manche Details erscheinen fragwürdig oder falsch

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? In der Seniorenre­sidenz Albaretto an der Bgm.-Ackermann-Straße leben rund 500 Menschen. Geschäftsf­ührer Bernhard Spielberge­r macht gegen die Corona-Einschränk­ungen mobil.
Foto: Silvio Wyszengrad In der Seniorenre­sidenz Albaretto an der Bgm.-Ackermann-Straße leben rund 500 Menschen. Geschäftsf­ührer Bernhard Spielberge­r macht gegen die Corona-Einschränk­ungen mobil.
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B. Spielberge­r

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