Koenigsbrunner Zeitung

15-Jähriger getötet: So ging es nach der Bluttat weiter

Nach der Tragödie in der Unterkunft für Flüchtling­e hat die betroffene Familie ein neues Zuhause bekommen

- VON INA MARKS

Die Wohnung in der Asyl-Einrichtun­g in Göggingen ist frisch geweißelt. Die Blutspuren sind verschwund­en. Nichts deutet mehr auf das Drama hin, dass sich vor einem Monat in der Friedrich-Ebert-Straße abgespielt hat. Nichts zeugt mehr von dem gewaltsame­n Tod eines 15-jährigen Jungen. Doch für die Betroffene­n ist die Tragödie nicht zu Ende.

Es war ein sonniger Samstagnac­hmittag Anfang April, als Einsatzkrä­fte zur Unterkunft „Haus Noah“nach Göggingen eilten, in der rund 80 Menschen untergebra­cht sind. Sie wird von der Stadt Augsburg und der Caritas betrieben. Bei den Bewohnern handelt es sich um Familien und alleinerzi­ehende Mütter mit Kindern aus Afghanista­n, Syrien, Nigeria und Uganda. Hier lebte seit drei Jahren auch die afghanisch­e Familie: Vater, Mutter, zwei Töchter und ein Sohn. Die dritte und älteste Tochter, verheirate­t mit einem Afghanen, wohnte woanders. Die 24-Jährige hatte sich offenbar von ihrem Ehemann getrennt. Darin ist wohl auch der Hintergrun­d der blutigen Tat zu sehen.

Der 29-jährige Afghane, der nicht in der Region Augsburg lebt, soll mit einem Messer die Familie seiner Frau in der Gögginger Unterkunft angegriffe­n haben. Dabei tötete er laut Ermittlung­en seinen 15 Jahre alten Schwager. Als die Polizei eintraf, war der Jugendlich­e bereits tot.

Seine 24 Jahre alte Schwester ist nach Angaben der Polizei zur Tatzeit nicht in der Wohnung gewesen; sie soll sich aber auf dem Gelände des Hauses Noah befunden haben. Der 29-Jährige sitzt seitdem in Untersuchu­ngshaft in Gablingen. Gegen ihn besteht Haftbefehl wegen Mordes und vierfachen versuchten Mordes. „Er hat sich bei der Haftbefehl­seröffnung zu dem Sachverhal­t eingelasse­n“, berichtet Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai auf Nachfrage. Dies sei allerdings nicht als ein Geständnis zu werten, macht Nickolai klar. Die Ermittlung­en seien noch nicht abgeschlos­sen.

Der Tatverdäch­tige muss alle Familienmi­tglieder mit einem Messer attackiert haben. Die 37-jährige

Mutter wurde nach dem Angriff notoperier­t. Wie Walter Semsch, Geschäftsf­ührer der Caritas erzählt, habe man zwischenze­itlich auch um ihr Leben bangen müssen. Die Frau habe schwere Schäden davongetra­gen. Sie soll demnächst aus dem Krankenhau­s entlassen werden. Die betroffene Familie hat inzwischen in einer anderen Unterkunft ein Zuhause gefunden. Man wollte ihr eine Rückkehr an den Tatort ersparen. Der getötete Junge wurde in Augsburg bestattet.

Laut Semsch habe die Caritas die muslimisch­e Beerdigung organisier­t. Man habe dafür einen Imam organisier­t. „Wegen Corona durften nur 15 Personen bei der Beerdigung dabei sein. Es waren Angehörige und Freunde des Jungen.“Die Hinterblie­benen würden weiterhin betreut. Es habe viele Gespräche gegeben, um das Geschehen zu verarbeite­n, sagt Semsch. Auch mit den anderen Bewohnern der Unterkunft.

Inzwischen sei dort glückliche­rweise wieder Ruhe eingekehrt, so der Caritas-Geschäftsf­ührer. „Wir mussten die Bewohner auch davon überzeugen, dass die Tat nicht gegen sie gerichtet war“, erklärt er. Caritas-Helfer, Seelsorger der Polizei, ein Kriseninte­rventionst­eam der Malteser sowie ein Mitarbeite­r der Diakonie hätten sich um die verstörten Bewohner gekümmert. Im Mittelpunk­t der Seelsorge stand freilich die Familie des getöteten Jungen. Eine Caritas-Mitarbeite­rin, die Augenzeugi­n der Bluttat wurde, befinde sich in Therapie. „Das alles hat ihr sehr zugesetzt.“

Semsch selbst sei nach wie vor bestürzt. „Gegen so etwas ist man einfach machtlos.“Erleichter­t ist der Caritas-Geschäftsf­ührer allerdings, dass es keine Anrufe besorgter Bürger mehr gibt. Die Menschen hätten verstanden, dass die Tat ausschließ­lich im privaten Umfeld zu sehen ist. Die frisch geweißelte Wohnung in Göggingen soll demnächst wieder an eine Familie vergeben werden.

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Archivfoto: Peter Fastl Nach der Bluttat rückte die Polizei mit einem Großaufgeb­ot an.

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