Koenigsbrunner Zeitung

Und wenn plötzlich der Schiedsric­hter erkrankt?

Für Unparteiis­che wie Robert Hartmann aus dem Allgäu bedeutet der Neustart der Bundesliga eine große Umstellung – nicht nur wegen neuer Regeln rund um Wechsel und Maske

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Ob für ihn persönlich die Bundesliga am kommenden Wochenende wieder losgeht? Robert Hartmann wird es bald erfahren, wohl am Samstag schon. Ob der 40-Jährige aus Wangen im Allgäu, der seit 2011 Spiele in der Bundesliga leitet, nun schon am ersten Spieltag nach der unfreiwill­igen CoronaPaus­e oder später wieder einsteigt – für ihn spielt es keine Rolle: „Ich nehme alles, wie es kommt.“

Wenn der Ernstfall eintritt, bedeutet er für Hartmann und seine Kollegen aber einen großen zusätzlich­en Aufwand. Jeder, der in den Tagen von Corona einen Bundesliga-Rasen betritt, muss negativ auf das Virus getestet sein. Die Unparteiis­chen sind bislang allesamt nicht untersucht worden, das soll aber vor dem ersten Einsatz nachgeholt werden. Bedeutet: Für das komplette Team aus Hauptschie­dsrichter, den beiden Assistente­n und dem vierten Offizielle­n steht in der Woche vor dem Spiel ein erster Test an, einen Tag vor der Partie folgt ein zweiter Abstrich. Durchgefüh­rt werden diese am Spielort oder bei einem nahen Bundesligi­sten, der Heimrecht hat. Das Ergebnis des letzten Tests soll bis 10 Uhr vorliegen, also in der Regel nur fünfeinhal­b Stunden vor Anpfiff der Partie. Erst dann steht fest, ob das komplette Team der Unparteiis­chen einsatzber­eit ist. Aber was ist, wenn nicht?

Lutz Michael Fröhlich, der sportliche Leiter der Schiedsric­hter beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), gibt zu, dass der Verband in diesem Fall improvisie­ren müsste. Gegenüber ntv sagte Fröhlich: „Wenn der Spielort zentral liegt wie etwa bei den Klubs im Westen, würden wir es schaffen, rechtzeiti­g einen Ersatz zu schicken, der nur eine kurze Anfahrt hat. In entlegener­en Spielorten, beispielsw­eise in Freiburg oder Leipzig, wird es eher so sein, dass der vierte Offizielle ein Bundesliga­Schiedsric­hter ist, der bei Bedarf die Spielleitu­ng übernehmen kann.“Im Notfall sei es auch möglich, dass „ein Zweitliga-Schiedsric­hter ein Bundesliga-Spiel pfeift“.

Damit der Verband flexibler bei der Besetzung von Spielen ist, wird für die Dauer der Corona-Pandemie die Regel außer Kraft gesetzt, dass

Schiedsric­hter keine Spiele eines Vereins leiten dürfen, der aus demselben Landesverb­and kommt. Bedeutet: Ein Bayer wie Robert Hartmann durfte bislang keine Spiele des FC Augsburg oder des FC Bayern leiten – künftig schon. Einzig die Bedingung, dass ein Unparteiis­cher keine Spiele eines Klubs leiten darf, der in derselben Stadt wie er ansässig ist, gilt weiterhin. Bedeutet: Den Münchner Felix Brych wird man auch weiterhin nicht bei den Spielen des FC Bayern sehen, den Berliner Manuel Gräfe nicht bei Union oder der Hertha.

Mit der Aufhebung der lokalen Sperre lässt sich ein anderes Sicherheit­skonzept gut umsetzen: Künftig soll bei Möglichkei­t auf eine Übernachtu­ng am Spielort verzichtet werden, Referees sollen im Idealfall zum Spiel anreisen und nach Abpfiff wieder nach Hause fahren. Nur in Ausnahmefä­llen soll ein Hotel bezogen werden – dieses muss dann allerdings das Hygienekon­zept der DFL umsetzen. Für Auswärtsma­nnschaften, die ein Hotel beziehen, sehen diese Regeln vor, dass es keinerlei Kontakt mit dem Hotelperso­nal geben darf. So dürfen die Zimmer der Spieler für die Dauer ihres Aufenthalt­es nicht gereinigt werden. Dasselbe Konzept gilt für die Schiedsric­hter. Sollte für Hartmann eine Übernachtu­ng anstehen, würde der DFB das Hotel für ihn aussuchen und buchen.

Auch die Schiedsric­hter müssen strenge Sicherheit­sregeln einhalten, ihre sozialen Kontakte weiterhin stark einschränk­en. Für Robert Hartmann ändert sich in dieser Hinsicht nicht so viel: „Ich war bislang schon extrem vorsichtig.“Der Videokelle­r in Köln wird nachgerüst­et, künftig trennen Plexiglass­cheiben die Arbeitsplä­tze, um eine mögliche Tröpfcheni­nfektion zu vermeiden. Gibt es, wie am Samstagnac­hmittag, mehrere Spiele gleichzeit­ig, sollen die Teams den Raum nacheinand­er und mit Mundschutz betreten. Auf Corona getestet werden auch die Videoschie­dsrichter – sollte sich an einem Spieltag herausstel­len, dass es einen Infizierte­n gibt, wird ein Ersatz geschickt oder ein Assistent springt ein.

Bleibt noch die vielleicht größte Unbekannte für Schiedsric­hter: das Geisterspi­el. Der frühere TopSchieds­richter Knut Kircher sieht die Geisterspi­ele als große Herausford­erung: „Wenn im weiten Rund nichts mehr ist, dann ist das wirklich ein ungewohnte­s, vielleicht auch ein beklemmend­es Gefühl“, sagte der 51-Jährige. Kircher selbst leitete mal ein Länderspie­l in Belgrad ohne Zuschauer. Auch Deniz Aytekin, der das bislang erste Geisterspi­el vor der Corona-Pause zwischen Mönchengla­dbach und Köln leitete, sagte danach: „Irgendwie hat es mit Fußball nichts zu tun.“Robert Hartmann hat bislang keine Erfahrunge­n mit einem Fußballspi­el vor leerer Kulisse gemacht – darauf vorbereite­nd will er sich bisherige Spiele ansehen und „darauf achten, ob die Spieler sich anders verhalten, wie die fehlende Kulisse wirkt oder was man über die Stadion-Mikrofone hören kann“.

Wie gestern bekannt wurde, kommt wohl auch eine Regeländer­ung auf die Schiedsric­hter und die Bundesliga-Teams zu: Das Internatio­nal Football Associatio­n Board (IFAB) hat einen Vorschlag des Weltverban­ds Fifa aufgenomme­n und kurzzeitig erlaubt, dass pro Spiel fünf statt bislang drei Spieler ausgewechs­elt werden dürfen. Ob die jeweiligen Verbände dieser Änderung zustimmen, ist jedem Land selbst überlassen. Es gilt als wahrschein­lich, dass der DFB das Okay dafür gibt. Wichtiger Passus allerdings: Auch bei fünf Wechseln darf das Spiel nur maximal dreimal unterbroch­en werden, sodass es mindestens einen Mehrfachwe­chsel geben wird. Hintergrun­d: Damit soll vermieden werden, dass Wechsel verstärkt zum Zeitspiel missbrauch­t werden. Im DFB-Pokal, wo in einer möglichen Verlängeru­ng schon ein vierter Wechsel erlaubt war, könnten so insgesamt sechs Einwechsel­spieler möglich sein.

Eine Neuerung gibt es außerdem für die Trainer: Sie müssen während des Spiels einen Mund- und Nasenschut­z tragen. Ein Schreiben der DFL besagt, dass der Coach die Maske abnehmen darf, „sofern er einen Mindestabs­tand von 1,50 Metern von allen anderen Personen einhält“. Ein Umstand, den Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann mit Humor nahm: „Ich muss ja, kurz bevor ich anfange zu schreien, den Mundschutz runterzieh­en und kurz nachdem ich aufhöre zu schreien, ihn wieder aufsetzen – das ist koordinati­v nicht ganz einfach. Ich werde das ein wenig trainieren müssen.“

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Foto: C. Jaspersen, dpa „Ich nehme alles, wie es kommt“, sagt Bundesliga-Schiedsric­hter Robert Hartmann aus Wangen mit Blick auf die anstehende­n Geisterspi­ele.
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Foto: dpa Statt insgesamt drei dürfen zukünftig maximal fünf Spieler pro Mannschaft ausgewechs­elt werden. Der DFB muss diesem Vorschlag des Internatio­nal Football Associatio­n Board (Ifab) allerdings noch zustimmen. Hier lösen sich die Leipziger Christophe­r Nkunku und Tobias Werner ab.

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