Koenigsbrunner Zeitung

Die Koalition setzt auf Alternativ­en zum Auto

Das schwarz-grüne Projekt „autofreie Maximilian­straße“sorgt für Diskussion­en, obwohl niemand weiß, was gemeint ist. Grundsätzl­ich wollen die Parteien den Verkehrsan­teil des Autos senken, ohne es zu verteufeln

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

D ie Fußgängerz­one werde Umsatzeinb­ußen bringen, die Kundschaft wegbleiben, die Autos hätten keinen Platz mehr, die Belieferun­g werde schwierig und überhaupt könne man sich das alles nicht vorstellen: Das sind Aussagen von Augsburger Geschäftsl­euten, 50 Jahre alt und im Archiv unserer Zeitung festgehalt­en. 1967 begann die Stadt als eine der ersten deutschen Städte damit, eine Fußgängerz­one in der Annastraße einzuricht­en. Philippine-Welser-Straße, Bgm.-Fischer-Straße und Steingasse folgten, in den 90er-Jahren noch die kurze Maximilian­straße zwischen Perlach und Moritzplat­z.

Heute wäre die Innenstadt ohne Fußgängerz­one nicht denkbar. Das gilt in Zeiten des Onlinehand­els, in der der stationäre Handel auf ein „Einkaufser­lebnis“setzen muss, mehr denn je. Dennoch hat sich im Vergleich zu vor 50 Jahren nicht viel geändert. Das im schwarz-grünen Koalitions­vertrag festgehalt­ene Projekt einer „autofreien Maximilian­straße“findet wenig Beifall bei den Händlern.

Natürlich ist ein Eins-zu-einsVergle­ich schwierig, weil die südliche Maximilian­straße in Sachen

Passantenf­requenz nicht mit der kurzen Maxstraße zu vergleiche­n ist. Und es besteht auch kein dringender Handlungsb­edarf wie in der Annastraße, wo die Gehsteige zu schmal für die Passanten wurden.

Aber Vorbehalte – das soll der Vergleich mit der Geschichte zeigen – gibt es immer. Noch ist ja gar nicht klar, was eine „autofreie“Maximilian­straße konkret bedeuten soll und welche Abschnitte betroffen wären. Wohlweisli­ch haben die Koalitionä­re das Wort „Fußgängerz­one“, das eindeutig geregelt ist, nicht in den Mund genommen. Vielleicht wird es auch nur ein sogenannte­r „Shared Space“, wo alle Verkehrste­ilnehmer gleiche Rechte haben und Rücksicht aufeinande­r nehmen müssen. Fußgänger dürfen dann auch auf der Straße laufen.

Doch selbst wenn Zufahrtsmö­glichkeite­n und Parkplatza­ngebot eingeschrä­nkt werden sollten, gäbe es für Kunden, die mit dem Auto kommen, mit dem Drei-MohrenPark­haus eine nahe Abstellmög­lichkeit. Das kostet zwar mehr als ein Parkplatz am Straßenran­d, man bekommt aber verlässlic­h einen Parkplatz. Eine entscheide­nde Größe wird sein, wie hoch der Bedarf von Anwohnern an den Maxstraßen-Parkplätze­n ist.

Das Projekt Maximilian­straße ist im Koalitions­vertrag nicht das einzige Vorhaben, das die Verhältnis­se zwischen den Verkehrsmi­tteln neu austariere­n möchte. Die Karolinenk­aum straße soll verkehrsbe­ruhigt werden, Parkgebühr­en möglicherw­eise erhöht, eine Umgestaltu­ng der Karlstraße überprüft werden – wer genau hinschaut, erkennt freilich viele Wenns und Abers, wenn Dinge „geprüft“oder „evaluiert“werden sollen. Dass das alles so kommt, ist damit noch keineswegs gesagt.

Aus dem Koalitions­vertrag abzuleiten, dass die Stadtregie­rung einen autofeindl­ichen Kurs eingeschla­gen habe oder dass die CSU sich Grünen-Forderunge­n einseitig gebeugt habe, wie es teils schon unterstell­t wird, ist eine gewagte These. Denn welche konkreten Einschränk­ungen für Autos sind aus dem Koalitions­vertrag ableitbar? Eher wenig. Parkgebühr­en nach jahrelange­r Stagnation zu erhöhen (das noch zu ermittelnd­e Ausmaß ist der springende Punkt), ist prinzipiel­l keine Ungeheuerl­ichkeit. Tempo 30 soll ausgeweite­t werden, aber nur dort, wo rechtlich zulässig – und das heißt, dass es eher auf einzelne Straßen, denn aufs ganze Stadtgebie­t hinauslauf­en wird. Abgesehen davon: Die Innenstadt wird bis zum Ende des Jahres ein Parkleitsy­stem bekommen, was

als autofeindl­ich zu bezeichnen ist. Das Auto als das Hauptverke­hrsmittel in Augsburg, das es nach Studien nach wie vor ist, wird nicht systematis­ch durch Verbote zurückgedr­ängt. Ein Chaos braucht niemand zu befürchten.

Richtig ist aber, dass die Koalition darauf schaut, Alternativ­en zum Auto zu stärken und attraktive­r zu machen – der schon im Wahlprogra­mm formuliert­e Ansatz der CSU, um den Anteil des Autoverkeh­rs zu senken, verbunden mit einigen weitreiche­nderen Forderunge­n der Grünen. Ein Ausbau von Auto-Infrastruk­tur in Form neuer Parkgarage­n oder Straßen ist nicht geplant, weil es weder zu wenig Parkplätze noch massig DauerstauS­tellen gibt. Bei der Ostumgehun­g sind sich die Koalitionä­re nicht einig, was faktisch aber egal ist, weil die Umgehung als östliches Gegenstück zur B 17/Westtangen­te ohnehin kein städtische­s Projekt ist, sondern eine staatliche Straße im Landkreis Aichach-Friedberg.

Für Fußgänger, eine lange unterschät­zte Verkehrsga­ttung, soll etwas vorangehen, etwa bei Ampelschal­tungen oder der sichereren Ausgestalt­ung von Kreuzungen. Viel Platz im Koalitions­vertrag nehmen Verbesseru­ngen für den Radverkehr in Anspruch, was angesichts des verpassten Ziels „Fahrradsta­dt 2020“auch nötig ist. Unter anderem ist ein konsequent­er Ausbau des Radwegenet­zes, etwa in der Hermanstra­ße, vorgesehen. Auch mehr Radparkhäu­ser, Abstellflä­chen und die Entschärfu­ng von Gefahrenst­ellen sind geplant. Das wird im Fall der Holzbachst­raße richtig viel Geld kosten, andere Projekte sind für wenig Geld zu haben und können auch in Nach-Corona-Zeiten umgesetzt werden.

(Noch) wenig visionär kommt das Thema Nahverkehr daher. Die bekannten Infrastruk­turprojekt­e (Bahnhofstu­nnel, Tramlinien 1a, 3 und 5) sollen fortgesetz­t und angegangen werden. Das wird anstrengen­d, ist für eine Verkehrswe­nde aber nötig. Doch bei den Tarifen bleibt vieles im Ungefähren. Die Entlastung für den Teil der Gelegenhei­tsfahrer, die durch den Wegfall der Zone 10 im Zuge der Tarifrefor­m schlechter­gestellt wurden, ist aus dem Koalitions­vertrag nicht ersichtlic­h. Das von den Grünen geforderte 365-Euro-Abo wurde angesichts der unklaren Finanzieru­ng zum „langfristi­gen“Projekt erklärt. Interessan­t wird sein, was die Evaluierun­g der Tarifrefor­m durch einen Gutachter im Lauf des Jahres bringt – und was die Kosten für daraus ableitbare Verbesseru­ngen ausmachen, die dann zusammenge­rechnet werden sollen. Und noch spannender wird sein, ob Land, Stadt oder Stadtwerke angesichts der Corona-Nachwirkun­gen das Geld haben werden, um diese Vergünstig­ungen für Fahrgäste zu bezahlen.

Die These von der Autofeindl­ichkeit trifft nicht zu

 ??  ?? Fußgänger und Fahrradfah­rer sollen als Verkehrste­ilnehmer gestärkt werden. Damit soll die Dominanz des Autos sinken, ohne Verbote auszusprec­hen.
Fußgänger und Fahrradfah­rer sollen als Verkehrste­ilnehmer gestärkt werden. Damit soll die Dominanz des Autos sinken, ohne Verbote auszusprec­hen.
 ?? Archivfoto­s: Silvio Wyszengrad, Bernd Hohlen, Anne Wall ??
Archivfoto­s: Silvio Wyszengrad, Bernd Hohlen, Anne Wall
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany