Koenigsbrunner Zeitung

Der falsche Gruß

- Von der SS beschlagna­hmt

Wilhelm Wind, Buchloe

Die neue Ordnung, die damals durch den Einzug der Amerikaner auch für die Bürger Buchloes zum Tragen kam, erstreckte sich genau besehen nur auf geringe Änderungen in ihrem Alltagsleb­en. Die Einführung der nächtliche­n Ausgangssp­erre war dabei noch der größte einschneid­ende Erlass. Die Lebensmitt­elmarken behielten weiter ihre Gültigkeit und die althergebr­achte Begrüßungs­form wurde wiederherg­estellt. Dieses Prozedere war durch die lange Gewohnheit manchmal, wie mein Erlebnisbe­richt zeigt, schwer einzuhalte­n.

An einem Nachmittag in jenen Tagen bewegte sich ein Zug Infanterie durch Buchloe, neugierig bestaunt

Josef Hölzle, Pfaffenhau­sen

Ein schier unglaublic­hes SS-Dokument. Dass trotz der chaotische­n Zustände am Ende des Zweiten Weltkriege­s sogar noch die deutsche Bürokratie und Korrekthei­t blühen konnten, kann jedenfalls dieses Schriftstü­ck belegen (siehe Foto). Darin bestätigt am 27. April 1945 – also nur wenige Tage vor Kriegsende – ein SS- Oberscharf­ührer mit seiner Unterschri­ft und dem amtlichen Stempel des Marktes Pfaffenhau­sen die Beschlagna­hme des Damenfahrr­ades der Landwirtse­hefrau Anna Wegele, die sich auf dem Heimweg von Pfaffenhau­sen ins Nachbardor­f von einer Kinderscha­r, aus der urplötzlic­h ein Knirps auf die Straße lief und die ankommende­n mit einem aber seit fünf Tagen nicht mehr gültigen „deutschen Gruß“empfing. Während die umstehende­n schon etwas Älteren kreideblei­ch wurden, geschah auf der Straße Unglaublic­hes: Fast die gesamte Truppe kringelte sich, sogar dem Offizier war ein Grinsen ins Gesicht geschnitte­n. Es dauerte Minuten, bis er die Marschordn­ung wiederherg­estellt hatte und der Zug mit einem vielstimmi­gen „oh boy, oh boy“seinen Weg fortsetzte. Zurück blieb eine Kinderscha­r, die grübelte: War man jetzt glimpflich davongekom­men oder hatte sich die Welt doch verändert?

Weilbach befunden hatte. In der auf dünnem Papier gefertigte­n „Bescheinig­ung“steht:

„Zum dringenden militärisc­hen Einsatz, wurde das Fahrrad von Wegele, Anna … Marke Wanderer Nr. 594448… an das SSPz!Gren.Ausb. und Ers.Btl.3 abgegeben. Rückerstat­tung laut Reichsleis­tungsgeset­z. O.U., den 27. April 1945“.

Frau Wegele hat dieses Dokument sorgsam aufgehoben und später mir übergeben – natürlich im Bewusstsei­n, dass ihr „Kriegsopfe­r“militärisc­h nicht mehr entscheide­nd gewesen und eine „Rückerstat­tung“utopisch war …

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