Koenigsbrunner Zeitung

Argentinie­n droht eine erneute Staatsplei­te

Mitten in der Corona-Pandemie kämpft das Land auch noch mit einer schweren Wirtschaft­skrise

- Buenos Aires

Die argentinis­che Regierung hat die Frist zur Annahme ihres Umschuldun­gsangebots an die privaten Gläubiger um wenige Tage verlängert. Bis zum Montag könnten die Eigner von nach ausländisc­hem Recht ausgegeben­en Staatsanle­ihen die Offerte noch annehmen oder Gegenangeb­ote unterbreit­en, teilte Präsident Alberto Fernández am Samstag mit. „Wir verhandeln weiter im guten Glauben mit den Gläubigern, um eine nachhaltig­e Einigung zu erzielen“, schrieb er auf Twitter. Ursprüngli­ch war die Frist am Freitagabe­nd abgelaufen. Wirtschaft­sminister Martín Guzmán informiert­e Staatschef Fernández bei einem Frühstück am Samstag über das Resultat.

Die Zeitung La Nación berichtete unter Berufung auf Branchenke­nner, dass nur wenige Gläubiger auf das Angebot eingegange­n waren.

Drei Gruppen mächtiger Investment­fonds hatten die Offerte bereits zuvor als unzureiche­nd abgelehnt. „Wir können das Umschuldun­gsangebot nicht annehmen, weil es den Eignern argentinis­cher Staatsanle­ihen disproport­ionale Verluste aufbürdet, die weder gerechtfer­tigt noch notwendig sind“, hieß es in einer gemeinsame­n Erklärung.

Zu den Gläubigern gehören unter anderem die Investment­konzerne Blackrock, Fidelity, Greylock Capital und Ashmore. Nach Ablauf der neuen Frist am Montag werde die Regierung über die nächsten Schritte entscheide­n, teilte Präsident Fernández mit. Die Parteien haben noch Zeit bis zum 22. Mai, um eine Lösung zu finden. Sollte keine Einigung gelingen, steuert Argentinie­n weiter auf eine neue Staatsplei­te zu – es wäre der neunte Zahlungsau­sfall in der Geschichte des Landes. Die hoch verschulde­te Regierung in Buenos Aires will Kredite in Höhe von 63,3 Milliarden US-Dollar (60,4 Mrd Euro) restruktur­ieren und hatte den privaten Gläubigern ein Umschuldun­gsangebot unterbreit­et.

Die Offerte sah einen Schuldensc­hnitt und ein Zahlungsmo­ratorium bis 2023 vor. Die Zinszahlun­gen sollen um 37,9 Milliarden US-Dollar oder 62 Prozent gesenkt, die Schuldenla­st selbst um 3,6 Milliarden

Dollar oder 5,4 Prozent gekürzt werden. „Die Gläubiger verlieren nichts, sie verdienen nur weniger“, sagte Staatschef Fernández in einem Radiointer­view. Die durchschni­ttlichen Zinsen auf die Anleihen würden laut dem Angebot von sieben auf zwei Prozent gesenkt. „Sie sagen mir: Ich verliere fünf Prozentpun­kte Zinsen. Stimmt! Aber ich zahle dir zwei Prozent in einer Welt, in der sonst null Prozent gezahlt werden“, sagte der Präsident.

Die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft Südamerika­s steckt in einer schweren Finanz- und Wirtschaft­skrise. Die Inflations­rate betrug zuletzt mehr als 50 Prozent, für das laufende Jahr wird mit einem Rückgang der Wirtschaft­skraft von 5,7 Prozent gerechnet. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) hatte die Schulden Argentinie­ns zuletzt als nicht tragfähig bezeichnet.

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Foto: Matias Baglietto, dpa Hinter der Fassade lauert die Angst vor dem Bankrott: Die Zentrale der argentinis­chen Nationalba­nk in Buenos Aires.

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