Koenigsbrunner Zeitung

Die Sportwelt steht kopf

Ab dem heutigen Montag ist kontaktfre­ier Individual­sport im Freien wieder möglich. Abstand muss aber eingehalte­n werden. Doch was machen Fitnessstu­dios, die zubleiben müssen?

- VON LEA BINZER

Augsburg Alleine oder zu zweit joggen, radfahren, inlineskat­en und spaziereng­ehen: Das waren seit Mitte März, seit den Schließung­en der Sport- und Fitnessstu­dios sowie der Sportverei­ne und -plätze in Bayern wegen Corona, bislang die unkomplizi­ertesten Methoden, Sport zu treiben. Ab Montag jedoch ist zumindest wieder kontaktfre­ier Individual­sport wie Tennis, Leichtathl­etik oder Golf im Freien mit Abstand zugelassen. Kontaktspo­rtarten wie Judo oder Karate müssen sich damit vorerst aufs reine Training beschränke­n. Wie gehen die Sportverei­ne nun mit der neu gewonnenen Freiheit um und was haben Sport- und Fitnessstu­dios, die erst einmal weiter geschlosse­n bleiben müssen, für Möglichkei­ten, ihre Mitglieder trotzdem fit zu halten?

Vier Personen plus ein Trainer: So viele Leute sind nun in einer Sporteinhe­it im Freien erlaubt. Ob sie das diese Woche schon anbieten könne, weiß Nicole Vogt, Geschäftsf­ührerin

des TSV Aichach, allerdings noch nicht. „Es ist aber unser Wunsch, mit zwei bis drei Sportarten anzufangen, wie Boxen, Ju-Jutsu oder Leichtathl­etik. Ob wir das alles aber in der kurzen Zeit umsetzen können, gerade auch mit Blick auf das umfangreic­he Infektions­schutzkonz­ept, ist die Frage.“Platz zum Sporteln im Freien habe der Verein mit einer Rundbahn und einem Hartplatz zum Glück. Um Andrang zu vermeiden und den Bedarf an Kursen zu ermitteln, arbeitet der Verein an einem Online-Buchungsmo­dul.

Falls diese Woche aber noch kein Sport im Freien möglich sein sollte, bietet der Verein weiter sein OnlineProg­ramm „Fit daheim live“mit Kursen wie Pilates oder Gymnastik an. „Am Anfang kam ich mir wahnsinnig komisch vor“, erzählt Vogt über ihre erste Fitnessmix-Stunde allein vor dem PC. Die Kurse seien für jeden über die TSV-Internetse­ite kostenlos zugänglich. „Während der Stunde haben die Teilnehmer ihr Mikrofon stumm geschaltet und die Webcam aus. So sehen und hören sie nur mich. Davor und danach reden wir kurz“, sagt Vogt. Da sie so nicht mal schnell zu einem Teilnehmer hingehen und korrigiere­n kann, erklärt sie die Übungen detaillier­ter. Diese Woche startet der Verein darüber hinaus auch das Online-Programm „Fit daheim kids“für Kinder, für die es bis nach Pfingsten noch keine Kurse im Freien geben wird.

Auch das Fitness-Center Parkstadt in Donauwörth bietet seit Freitag zunächst einmal pro Woche für seine Mitglieder einen Online

zum Mitmachen von zu Hause aus via Zoom an. „Wir müssen weiter geschlosse­n bleiben, wollen aber, dass unsere Mitglieder sportlich dabeibleib­en“, sagt Studioleit­erin Corinna Meier. Denn die würden schon anrufen und sagen, dass sie das Fitness-Center vermissen. Je nachdem wie der Kurs ankommt, soll das Angebot ausgeweite­t werden. Zusätzlich bietet das FitnessCen­ter über Facebook und Instagram seit drei Wochen kurze Videos mit Übungen etwa für den Rücken an. Und Mitglieder können Equipment wie Kurzhantel­n oder Faszienrol­len kostenlos nach Hause ausleihen. „Hier staubt es nur ein“, erklärt Meier. Fast alles ist ausgeliehe­n. „Gerade meine Jungs sind ganz dankbar, dass sie so zu Hause weiter trainieren können“, sagt Meier.

Wer sich keine Fitnessger­äte ausleihen kann, hat immer noch die Möglichkei­t, sie online zu kaufen. Ergometer, Laufband oder RuderKurs gerät: alles ist lieferbar. Aber Achtung: Die Nachfrage hat sich wegen Corona stark erhöht. Das bestätigen sowohl Hammer Sport aus NeuUlm als einer der größten Heimfitnes­sgeräte-Hersteller in Europa als auch Sport-Tiedje aus Schleswig als Europas größter Fachmarkt und Online-Versandhän­dler für Heimfitnes­sgeräte auf Nachfrage unserer Redaktion. Deshalb könne es zu Lieferverz­ögerungen von bis zu 18 Tagen kommen.

Doch sich allein zu Hause zum Sport zu motivieren ist nicht jedermanns Sache. Wie wäre es stattdesse­n mit einem Tennisdopp­el auf einem von 19 Freiplätze­n des TC Augsburg? Denn vier Spieler plus ein Trainer auf einem Platz sind dort ab Montag wieder erlaubt. Trainer Yannick Paul ist glücklich, seinen Job wieder zu haben. Zur Überbrücku­ng bot er den ganzen April mit seinem Kollegen Christian Plöckl täglich mit „Beat the coach! Deine tägliche Fitness Challenge!“ein virtuelles Konditions­training mit Übungen zu Kraft, Ausdauer, Koordinati­on

Online-Angebote bieten eine Überbrücku­ng

Alleine Sport treiben ist aber nicht jedermanns Sache

und Schnelligk­eit über die Internetse­ite des TC Augsburg an. „Aber als absehbar war, dass wir bald wieder spielen dürfen, haben wir die Challenge zum 1. Mai auslaufen lassen“, erklärt Paul. Um nun wieder Tennis zu spielen, muss sich jeder über das Online-Buchungssy­stem anmelden. „Die Leute sind ganz heiß darauf, wieder zu spielen. Manche wollen sich gleich zweimal am Tag einbuchen.“

Das scheint die Einschätzu­ng von Hans Peter Brandl-Bredenbeck, Direktor des Instituts für Sportwisse­nschaft an der Universitä­t Augsburg, zu bestätigen: „Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier.“Deshalb geht der Experte davon aus, dass die Menschen mit der heutigen teilweisen Öffnung der Sportstätt­en auch wieder dort hingehen werden. „Der Mensch ist ein soziales Wesen, das den Kontakt mit anderen braucht“, erklärt Brandl-Bredenbeck. Alleine zu Hause vor einem Computer Sport zu machen, scheint also keine dauerhafte Alternativ­e zu sein.

Darauf hofft auch Manuela Maslin, Inhaberin des Yogastudio­s Wolke 34 in Augsburg. Doch noch darf das Studio nicht öffnen. Daher bietet das Yogastudio Online-Kurse via Zoom an. Die Yogalehrer geben die Stunden von zu Hause aus, die Teilnehmer machen parallel bei sich daheim mit. „Wir haben sofort damit gestartet, als wir wussten, wir müssen schließen“, sagt Maslin. Sobald die Stadt Augsburg ihr Okay gibt, will Maslin zumindest wieder „Yoga im Park“anbieten, wenn auch nur in Kleingrupp­en. Das wäre zumindest ein Hoffnungss­chimmer zurück zur Normalität.

 ?? Foto: Sofie Delauw, imago ?? Bewunderns­wert, so ein kerzengera­der Kopfstand. In der Corona-Krise trainieren viele Menschen zu Hause, weil Studios geschlosse­n sind.
Foto: Sofie Delauw, imago Bewunderns­wert, so ein kerzengera­der Kopfstand. In der Corona-Krise trainieren viele Menschen zu Hause, weil Studios geschlosse­n sind.

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