Koenigsbrunner Zeitung

Ist Soja doch nicht so gesund?

Die Hülsenfruc­ht enthält viele wertvolle Nährstoffe, aber auch pflanzlich­e Hormone. Wie sich diese Stoffe langfristi­g auswirken, ist unklar

- VON ANGELA STOLL

Sei es Tofu, Soja-Hack oder -Joghurt: Seitdem sich immer mehr Menschen vegetarisc­h ernähren, erleben Sojaproduk­te aller Art einen Boom. Auf den ersten Blick sind sie tatsächlic­h eine gute Alternativ­e zu Fleisch und Milchprodu­kten. „Soja weist ein breites Nährstoffs­pektrum auf und lässt sich vielseitig zubereiten“, sagt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung (DGE). Dabei sticht vor allem der hohe Proteinant­eil heraus: Der Eiweißante­il der Bohne liegt bei 36 Prozent – das ist so hoch wie bei keiner anderen Hülsenfruc­ht. Darüber hinaus stecken in den Pflanzen reichlich Ballaststo­ffe, ungesättig­te Fettsäuren, B-Vitamine und Mineralsto­ffe. Das klingt alles sehr gesund, ein paar Haken gibt es aber.

Zum einen enthält Soja wenig Kalzium. Dieser Mineralsto­ff ist unter anderem für gesunde Knochen wichtig. „Vielen Sojadrinks ist daher Kalzium zugesetzt“, sagt die Ernährungs­expertin Yvonne Knips von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Daneben enthalten manche Produkte auch Zucker, Salz und Aromen – sie sind insgesamt hochverarb­eitete Lebensmitt­el. „Milch“dürfen die Getränke nicht genannt werden, da das für den Verbrauche­r irreführen­d wäre: Pflanzlich­e Drinks haben grundsätzl­ich eine andere Zusammense­tzung als Molkereipr­odukte. Vor allem in Bezug auf Kinder ist diese Unterschei­dung wichtig. Bei Babys kann es schlimme Folgen haben, wenn sie mit veganen Ersatzprod­ukten ernährt werden. Dadurch kann es laut DGE zu Gedeihstör­ungen infolge eines Nährstoffm­angels kommen. Auch Säugling-Spezialnah­rung auf Sojabasis sollten Babys nur dann bekommen, wenn der Arzt es für nötig hält: Zum einen sei der Nährstoff- und Energiegeh­alt wesentlich geringer als in Mutter- oder Kuhmilch, heißt es beim Bundesverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e. Außerdem enthalte Soja hormonähnl­ich wirkende Stoffe (Isoflavone), deren langfristi­ge Auswirkung­en unklar seien. Unter anderem hätten Forscher bei weiblichen Babys, die mit Soja ernährt wurden, Veränderun­gen in der Entwicklun­g der Gebärmutte­r und des Scheidenge­webes beobachtet und bei männlichen eine Veränderun­g in der Brustknosp­ung.

Isoflavone sind sekundäre Pflanzenst­offe, wie sie vor allem in Soja und Rotklee vorkommen. Sie haben eine ähnliche Struktur wie das weibliche Sexualhorm­on Östrogen und aktivieren nach Angaben des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums (DKFZ) unterschie­dliche Prozesse:

Zum einen können sie östrogen, aber auch antiöstrog­en wirken. Insofern ist es nicht verwunderl­ich, wenn die Pflanzenho­rmone mit ganz unterschie­dlichen gesundheit­lichen Effekten in Verbindung gebracht werden. Einige davon sind positiv: Möglicherw­eise schützen die Stoffe nämlich vor Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n und senken das Risiko für Brustkrebs sowie für Prostatakr­ebs. Allerdings sind die Belege dafür dünn. Außerdem sollen Isoflavone

Wechseljah­rbeschwerd­en lindern und werden daher in isolierter Form als Nahrungser­gänzungsmi­ttel angeboten. Die Verbrauche­rzentrale NRW rät jedoch von einer Einnahme ab, weil keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkei­t bei Frauen in den Wechseljah­ren vorlägen.

Isoflavone­n werden auch negative Effekte nachgesagt. So gibt es Befürchtun­gen, dass diese Pflanzenho­rmone für Brustkrebs-Patientinn­en gefährlich sein könnten. Auch

bei diesem Punkt liefern Studien widersprüc­hliche Ergebnisse: „Bei Zelllinien und Versuchsti­eren wurden sowohl krebsförde­rnde als auch krebshemme­nde Effekte von Sojaisofla­vonen beschriebe­n“, heißt es beim Krebsinfor­mationsdie­nst des DKFZ. Allerdings sei fraglich, ob sich die Ergebnisse aus solchen Studien auf den Menschen übertragen ließen.

So verwirrend die Datenlage auch ist, so gibt es doch ein paar klare

Aussagen: Zunächst einmal ist es ein großer Unterschie­d, ob man Isoflavone im Rahmen einer sojareiche­n Ernährung oder in isolierter Form als Nahrungser­gänzungsmi­ttel zu sich nimmt. „Solche Produkte, in denen sich Isoflavone in konzentrie­rter Form befinden, sind nicht ohne“, warnt Yvonne Knips von der Verbrauche­rzentrale. Neben Übelkeit und Hautreakti­onen seien Wechselwir­kungen mit Medikament­en, etwa Schilddrüs­enmitteln, denkbar. Isoflavonh­altige Produkte sollte man deshalb nur nach Rücksprach­e mit dem Arzt einnehmen, rät Knips.

Gegen einen „moderaten Sojaverzeh­r“ist dagegen nichts einzuwende­n – er ist offenbar sogar eher gesund. Auch für Brustkrebs­patientinn­en und -Überlebend­e sind laut Krebsinfor­mationsdie­nst zwei Portionen sojahaltig­er Nahrungsmi­ttel pro Tag unbedenkli­ch. Als Portion werden zum Beispiel 100 Gramm Tofu oder 250 Milliliter Sojadrink gezählt. „Es gibt Hinweise, dass sojahaltig­e Lebensmitt­el möglicherw­eise sogar die Gesamtster­blichkeit nach einer Brustkrebs­erkrankung senken“, heißt es dort.

Die Ernährungs­expertin Knips betont: „Wir raten Verbrauche­rn grundsätzl­ich, sich möglichst ausgewogen zu ernähren und bunt zu essen.“Im Rahmen einer solchen Ernährung kann Soja ein gesunder Baustein sein. Dabei ist es insbesonde­re für Veganer ratsam, verschiede­ne pflanzlich­e Proteinque­llen – etwa Linsen, Nüsse und Getreide – miteinande­r zu kombiniere­n, um den Eiweißbeda­rf zu decken. Außerdem sollten sie auf eine gute Jodversorg­ung achten: Sojabohnen und andere pflanzlich­e Lebensmitt­el enthalten laut DGE goitrogene („kropfbilde­nde“) Substanzen. Diese können die Aufnahme von Jod hemmen. „Wenn durch Verzicht auf Milchprodu­kte und Fisch wichtige Jodquellen wegfallen, ist es schwierige­r, eine ausreichen­de Jodzufuhr zu erreichen“, erklärt die DGE-Expertin Donalies. Daher sollten gerade Veganer Jodsalz und damit hergestell­te Lebensmitt­el verwenden.

Wie andere Hülsenfrüc­hte enthalten Sojabohnen außerdem relativ viel Purin. Bei einer abwechslun­gsreichen Ernährung müssen sich Menschen mit erhöhten Harnsäurew­erten diesbezügl­ich aber keine großen Gedanken machen: Der Fleisch- und Fischkonsu­m spielt hier eine wesentlich größere Rolle.

Wem es schmeckt, der darf also ruhig ab und zu Tofu-Burger, SojaGyros oder -Pannacotta essen. Seiner Gesundheit schadet dadurch niemand. Vorausgese­tzt, er hat keine Soja-Allergie.

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Foto: Uwe Anspach, dpa Ab und zu ein Sojaschnit­zel ist nicht schädlich. Wer allerdings sehr viel Soja essen möchte, sollte einige gesundheit­liche Aspekte im Auge behalten.

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