Koenigsbrunner Zeitung

Ein Schutzzelt gegen das Coronaviru­s

Weil die Räumlichke­iten geschlosse­n bleiben müssen, wird in Welden im Freien trainiert. Andreas Dienstbier belegt mit aktuellem Beispiel, dass Fitnesscen­ter doch systemrele­vant sind

- VON OLIVER REISER

Welden Leise tröpfelt der Regen auf das Zeltdach. Drinnen prasseln die Kommandos von Fitnesstra­inerin Jasmin Dobesch auf die vier Sportlerin­nen und Sportler nieder, die einen der begehrten Plätze beim Rücken-fit-Kurs ergattert haben. Nachdem seit dem gestrigen Montag Sport im Freien erlaubt ist, das Landratsam­t und die Gemeinde ihre Genehmigun­g erteilt haben, wird im Sport- und Fitnesscen­ter Welden wieder trainiert. Und weil die Räumlichke­iten derzeit noch gesperrt sind, wird das in einem nach drei Seiten offenen Zelt auf dem Parkplatz vor dem 3000 Quadratmet­er umfassende­n Komplex gemacht. So sind die Sportlerin­nen und Sportler sozusagen in freier Natur, aber dennoch vom Regen geschützt.

„Als Ministerpr­äsident Markus Söder am vergangene­n Dienstag verkündet hat, dass die Öffnung von Fitnessstu­dios zusammen mit den Freibädern wohl noch bis Ende Juni andauern wird, war das für uns wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt Andreas Dienstbier. Dabei war das Thema Hygiene gerade in dieser Branche, die auf ganz Deutschlan­d bezogen rund zwölf Millionen Kunden bedient, die den mehr als 10 000 Fitnesstem­peln mit rund 220 000 Mitarbeite­rn zuletzt fünfeinhal­b Milliarden Euro Jahresumsa­tz bescherein wichtiges Thema. Schon immer wurden Geräte vor und nach der Nutzung desinfizie­rt.

Bisher hat man – wie viele anderen Studios auch – versucht, die Kunden mit Cyber-Work-outs bei Laune zu halten. „Aber zu Hause im Wohnzimmer ist das halt nicht dasselbe“, lacht Andreas Dienstbier. Ein Freund hat ihn dann auf die Idee gebracht, den Sportbetri­eb ins Freie zu verlegen. Zeltverlei­her Thorsten Enkelmann aus Buttenwies­en war sofort zur Stelle. Auch er leidet unter den Folgen der Corona-Krise. Die vielen Feste, die er sonst bedient, sind alle abgesagt. Per WhatsApp, Facebook oder E-Mail hat man die Mitglieder informiert, manche sogar persönlich angerufen. Jetzt kann man sich online anmelden.

„Als logische Folge der Schließung haben wir uns etwas einfallen lassen“, zeigt sich auch Alfred Dienstbier voller Tatendrang. Er hat sich mit seiner Familie ein sportliche­s Lebenswerk geschaffen, 1986 mit seiner Frau Elfriede das Sportund Fitnesscen­ter gegründet. Ein Jahr später ist Sohn Andreas geboren, der mittlerwei­le ebenso wie seiten, ne Schwester Michaela Joachim im Center, in dem auch eine Tennishall­e integriert ist, mitarbeite­t.

„Wir waren schon ein wenig aufgeregt, ob alles funktionie­rt“, meinte Michaela Joachim unmittelba­r vor der Wiedereröf­fnung. Die Personaltr­ainerin bietet in einem Teil des Zeltes EMS-Training an. Dabei steht sie wie eine Stewardess vor den Kunden, um ihnen vorzuführe­n, wie sie die Spezialwes­te anziehen müssen, durch die später via Bluetooth die elektrisch­en Impulse zur Muskelstim­ulation geschickt werden. Bei den verschiede­nen Kursen dürfen immer nur vier Mitglieder gleichzeit­ig trainieren. Anschließe­nd werden alle Geräte desinfizie­rt. Erst eine Viertelstu­nde später dürfen die nächsten vier kommen. Alle haben umgezogen zu erscheinen und müssen zu Hause duschen. „Wer Symptome hat, darf nicht rein!“, erklärt Andreas Dienstbier.

Was den Fitness-Verantwort­lichen in der Region besonders missfällt: Geredet wird bei der Diskussion um Krisen-Verlierer oft vor allem von Tourismus, Hotel- und Gaststätte­ngewerbe. Fitness im Allgemeine­n scheint dagegen den politisch Verantwort­lichen weniger „systemrele­vant“zu sein. Andreas Dienstbier ist da ganz anderer Meinung: „Ein Mitglied, das regelmäßig bei uns trainiert, lag mit Corona infiziert auf der Intensivst­ation im Koma. Der Arzt meinte, dass es nicht überlebt hätte, wenn es nicht so fit gewesen wäre.“

Grundsätzl­ich fordert der Gesundheit­smanager, der sich unendlich freut, seinem Beruf wieder nachgehen zu können, ein Umdenken. Es müsse endlich Schluss sein mit dem abgenutzte­n Stempel von der bloßen Muckibude. „Auch wir bewegen uns bereits seit einem Jahrzehnt auf der Gesundheit­sschiene“, so Dienstbier. Deshalb heißen die Kurse längst nicht mehr Pumpen, sondern Starker Rücken, Funktional­training, Mobility oder Smoover.

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Foto: Marcus Merk In Welden findet das Training im Freien unter einem Zeltdach statt.

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