Ein Schutzzelt gegen das Coronavirus
Weil die Räumlichkeiten geschlossen bleiben müssen, wird in Welden im Freien trainiert. Andreas Dienstbier belegt mit aktuellem Beispiel, dass Fitnesscenter doch systemrelevant sind
Welden Leise tröpfelt der Regen auf das Zeltdach. Drinnen prasseln die Kommandos von Fitnesstrainerin Jasmin Dobesch auf die vier Sportlerinnen und Sportler nieder, die einen der begehrten Plätze beim Rücken-fit-Kurs ergattert haben. Nachdem seit dem gestrigen Montag Sport im Freien erlaubt ist, das Landratsamt und die Gemeinde ihre Genehmigung erteilt haben, wird im Sport- und Fitnesscenter Welden wieder trainiert. Und weil die Räumlichkeiten derzeit noch gesperrt sind, wird das in einem nach drei Seiten offenen Zelt auf dem Parkplatz vor dem 3000 Quadratmeter umfassenden Komplex gemacht. So sind die Sportlerinnen und Sportler sozusagen in freier Natur, aber dennoch vom Regen geschützt.
„Als Ministerpräsident Markus Söder am vergangenen Dienstag verkündet hat, dass die Öffnung von Fitnessstudios zusammen mit den Freibädern wohl noch bis Ende Juni andauern wird, war das für uns wie ein Schlag ins Gesicht“, sagt Andreas Dienstbier. Dabei war das Thema Hygiene gerade in dieser Branche, die auf ganz Deutschland bezogen rund zwölf Millionen Kunden bedient, die den mehr als 10 000 Fitnesstempeln mit rund 220 000 Mitarbeitern zuletzt fünfeinhalb Milliarden Euro Jahresumsatz bescherein wichtiges Thema. Schon immer wurden Geräte vor und nach der Nutzung desinfiziert.
Bisher hat man – wie viele anderen Studios auch – versucht, die Kunden mit Cyber-Work-outs bei Laune zu halten. „Aber zu Hause im Wohnzimmer ist das halt nicht dasselbe“, lacht Andreas Dienstbier. Ein Freund hat ihn dann auf die Idee gebracht, den Sportbetrieb ins Freie zu verlegen. Zeltverleiher Thorsten Enkelmann aus Buttenwiesen war sofort zur Stelle. Auch er leidet unter den Folgen der Corona-Krise. Die vielen Feste, die er sonst bedient, sind alle abgesagt. Per WhatsApp, Facebook oder E-Mail hat man die Mitglieder informiert, manche sogar persönlich angerufen. Jetzt kann man sich online anmelden.
„Als logische Folge der Schließung haben wir uns etwas einfallen lassen“, zeigt sich auch Alfred Dienstbier voller Tatendrang. Er hat sich mit seiner Familie ein sportliches Lebenswerk geschaffen, 1986 mit seiner Frau Elfriede das Sportund Fitnesscenter gegründet. Ein Jahr später ist Sohn Andreas geboren, der mittlerweile ebenso wie seiten, ne Schwester Michaela Joachim im Center, in dem auch eine Tennishalle integriert ist, mitarbeitet.
„Wir waren schon ein wenig aufgeregt, ob alles funktioniert“, meinte Michaela Joachim unmittelbar vor der Wiedereröffnung. Die Personaltrainerin bietet in einem Teil des Zeltes EMS-Training an. Dabei steht sie wie eine Stewardess vor den Kunden, um ihnen vorzuführen, wie sie die Spezialweste anziehen müssen, durch die später via Bluetooth die elektrischen Impulse zur Muskelstimulation geschickt werden. Bei den verschiedenen Kursen dürfen immer nur vier Mitglieder gleichzeitig trainieren. Anschließend werden alle Geräte desinfiziert. Erst eine Viertelstunde später dürfen die nächsten vier kommen. Alle haben umgezogen zu erscheinen und müssen zu Hause duschen. „Wer Symptome hat, darf nicht rein!“, erklärt Andreas Dienstbier.
Was den Fitness-Verantwortlichen in der Region besonders missfällt: Geredet wird bei der Diskussion um Krisen-Verlierer oft vor allem von Tourismus, Hotel- und Gaststättengewerbe. Fitness im Allgemeinen scheint dagegen den politisch Verantwortlichen weniger „systemrelevant“zu sein. Andreas Dienstbier ist da ganz anderer Meinung: „Ein Mitglied, das regelmäßig bei uns trainiert, lag mit Corona infiziert auf der Intensivstation im Koma. Der Arzt meinte, dass es nicht überlebt hätte, wenn es nicht so fit gewesen wäre.“
Grundsätzlich fordert der Gesundheitsmanager, der sich unendlich freut, seinem Beruf wieder nachgehen zu können, ein Umdenken. Es müsse endlich Schluss sein mit dem abgenutzten Stempel von der bloßen Muckibude. „Auch wir bewegen uns bereits seit einem Jahrzehnt auf der Gesundheitsschiene“, so Dienstbier. Deshalb heißen die Kurse längst nicht mehr Pumpen, sondern Starker Rücken, Funktionaltraining, Mobility oder Smoover.