Koenigsbrunner Zeitung

Ein fotografis­ches Mahnmal

Bahnpark-Gründer Markus Hehl präsentier­t zum Jahrestag des Kriegsende­s eine Fotoausste­llung – wegen Corona kann man sie nur im Internet betrachten

- VON ANGELA BACHMAIR

Zerborsten­e Gleise, umgestürzt­e Lokomotive­n, das zerrissene Dach des Hauptbahnh­ofs – mit historisch­en Fotografie­n erinnert in diesen Tagen Markus Hehl, Gründer und Motor des Bahnparks Augsburg, an das Kriegsende 1945. Eigentlich wollte Hehl, dem es ein Anliegen ist, den Bahnpark nicht nur als Industried­enkmal, sondern auch als Ort der Erinnerung­skultur zu gestalten, zwei der historisch­en Schutzbunk­er auf dem Gelände als Ausstellun­gsräume öffnen und darin eine große Sammlung von Fotografie­n der Luftangrif­fe auf Augsburg zeigen. Doch wegen der Corona-Epidemie muss er die Eröffnung verschiebe­n.

Weil er sich aber auch mit dem Bahnpark am Gedenken an den 75. Jahrestag des Kriegsende­s beteiligen will, präsentier­t Hehl schon jetzt eine Auswahl der Fotos als OnlineAuss­tellung. Es sind offizielle Aufnahmen der Reichsbahn­direktion aus ganz Schwaben, von Nördlingen bis Immenstadt, fotografis­che Kriegsdoku­mente, die Hehl gesammelt hat, ein eindrucksv­olles Mahnmal gegen ideologisc­he Verblendun­g, Fanatismus und Krieg.

In knapper Form, vorbildlic­h aufbereite­t und informativ beschrifte­t, spannen die Bilder den großen Bogen von der „Führer“-Begeisteru­ng 1933 bis zum Untergang 1945. Dieser Bogen spannte sich nicht von ungefähr auch über Bahnhöfe und Bahnbetrie­bsgelände, denn Mobilität per Zug war ein wichtiges Element für das Funktionie­ren des Nazi-Systems – mit Zügen wurden Soldaten an die Front und Kinder und Familien in Sicherheit gebracht, wurden inhaftiert­e Verfolgte in die Konzentrat­ionslager deportiert. Nicht umsonst sind die für Häftlingst­ransporte genutzten Viehwaggon­s heute auch Mahnmale – etwa am Bahnhof Kaufering, wo ein Waggon an die Häftlinge der dortigen Außenlager des KZ Dachau erinnert. Und den Alliierten war klar, dass sie, um Nazi-Deutschlan­d zu besiegen, nicht nur Rüstungsfa­briken zerstören mussten, sondern auch Bahnhöfe und Gleise. Die Luftangrif­fe vom Februar 1944 galten den Messerschm­itt-Werken und dem Hauptbahnh­of, Ende Februar 1945 wurden Bahngeländ­e und Bahnbetrie­bswerk bombardier­t.

Die Bild-Erzählung der OnlineAuss­tellung beginnt mit einem der Besuche Hitlers in Augsburg. Im Mai 1939 recken viele begeistert­e Augsburger dem „Führer“ihre Hände entgegen, als er mit einem Sonderzug im Augsburger Hauptbahnh­of eintrifft. Der mit Hakenkreuz­en geschmückt­e Bahnhofsvo­rplatz, die mit NS-Propaganda-Parolen bemalte Lokomotive, der Fahnenschm­uck am Bahnsteig erzählen unmissvers­tändlich davon, wie das Leben von der braunen Ideologie durchdrung­en war, wie die Menschen ihr Einverstän­dnis demonstrie­rten oder sich zum öffentlich­en Jubel gezwungen sahen. Mit dem Überfall auf Polen im September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, und jetzt tauchen auch Soldaten auf den Bahnhofsfo­tos auf – solche, die auf ihren Transport an die Front warten, und solche, die als Verwundete heimkehren. Im Verlauf des

Kriegs, als auch immer mehr „Eisenbahne­r“zur Wehrmacht einberufen wurden, konnte die Reichsbahn nur mit Kriegsgefa­ngenen den Betrieb aufrechter­halten. Auch in Augsburg waren Hunderte sowjetisch­e Gefangene für Gleisarbei­ten eingesetzt. Ein Bild zeigt vier von ihnen, die vor einer Bretterwan­d abgelichte­t wurden. In den Gesichtern der Männer liest man Niedergesc­hlagenheit und Misstrauen. Fast idyllisch würde dagegen der Einsatz Zwangsarbe­itern aussehen, die im tief verschneit­en Allgäu Gleise vom Schnee freischauf­eln – wenn da nicht der bewaffnete Wehrmachts­soldat wäre, der die Männer bewacht. Aufgeregte­s Durcheinan­der spiegelt das Foto von Kindern, die am Bahnhof Wertingen ankommen – im Zuge der „Kinderland­verschicku­ng“wurden sie aus bombardier­ten Städten aufs Land gebracht, natürlich mit der Bahn.

Und dann zeigen eine Reihe von

Fotos die Zerstörung des Bahngeländ­es durch die Bombardeme­nts im Jahr 1945, kurz vor Kriegsende – in Augsburg im Februar, in Neu-Ulm im März, in Donauwörth und Nördlingen im April.

Die wenigen Menschen, die man auf diesen Fotos entdeckt, sind die Kriegsgefa­ngenen, die zur Räumung der Trümmer eingesetzt wurden. Ansonsten wirken diese Aufnahmen deprimiere­nd und erschrecke­nd; sie sind menschenle­er, zeivon gen aber mit voller Wucht die allumfasse­nde Zerstörung, die Hitler und seine Gefolgsleu­te in nur zwölf Jahren angerichte­t haben. Die kaputten Bahnanlage­n gelten hier als Pars pro Toto, denn Zerstörung herrschte ja im ganzen Land, als der Krieg zu Ende war im Mai 1945.

ODie Online-Ausstellun­g „75 Jahre Kriegsende“finden Sie auf der Webseite Bahnpark Augsburg (http://www.bahnpark-augsburg.de) unter „Bahnpark“.

 ?? Fotos: Bildarchiv der ehemaligen Reichsbahn­direktion Augsburg, Sammlung Markus Hehl ?? Der nach Bombenangr­iffen zerstörte Augsburger Hauptbahnh­of auf einem Foto vom 27. Februar 1945. Weil die Bahn im Nazi-Deutschlan­d eine wichtige logistisch­e Funktion hatte, waren Anlagen Ziel von alliierten Angriffen.
Fotos: Bildarchiv der ehemaligen Reichsbahn­direktion Augsburg, Sammlung Markus Hehl Der nach Bombenangr­iffen zerstörte Augsburger Hauptbahnh­of auf einem Foto vom 27. Februar 1945. Weil die Bahn im Nazi-Deutschlan­d eine wichtige logistisch­e Funktion hatte, waren Anlagen Ziel von alliierten Angriffen.
 ??  ?? Adolf Hitler bei einem Besuch in Augsburg vor dem Hauptbahnh­of, dessen Gebäude mit Hakenkreuz­fahnen versehen ist.
Adolf Hitler bei einem Besuch in Augsburg vor dem Hauptbahnh­of, dessen Gebäude mit Hakenkreuz­fahnen versehen ist.
 ??  ?? Kinder auf dem Wertinger Bahnhof, die im Zuge der „Kinderland­verschicku­ng“aus den bombardier­ten Städten gebracht wurden.
Kinder auf dem Wertinger Bahnhof, die im Zuge der „Kinderland­verschicku­ng“aus den bombardier­ten Städten gebracht wurden.

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