Koenigsbrunner Zeitung

Die Natur leidet unter dem Menschen

Warum der Zustand von Flora und Fauna seit Jahren schlechter wird

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Es gibt auch gute Nachrichte­n aus dem Umwelt- und Artenschut­z, doch die sind ziemlich schnell erzählt: An der Küste haben sich die Bestände von Seehunden und Kegelrobbe­n erholt. Ziemlich gut geht es laut dem aktuellen Bericht zur „Lage der Natur“auch dem Steinbock. Denn in seinem Lebensraum, den Alpen, sei die Umwelt noch vergleichs­weise intakt.

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD), die die Bestandsau­fnahme am Dienstag in Berlin vorstellte, verbucht dann noch den Schutz der Buchenwäld­er als Erfolg, von dem mehrere Fledermaus­arten profitiert hätten. Doch die beunruhige­nden Nachrichte­n überwiegen bei weitem. Schulze spricht von einem „gemischten Bild“und fordert verstärkte Anstrengun­gen im Naturschut­z. „Eine intakte Natur ist die Voraussetz­ung für eine krisenfest­e Gesellscha­ft“, betont sie.

Nach dem Bericht ist die Natur in Deutschlan­d aber insgesamt alles andere als intakt. So befinden sich insgesamt 63 Prozent der beobachtet­en Tiere und Pflanzen sowie 69 Prozent der untersucht­en Lebensraum-Typen in unzureiche­ndem oder schlechtem Erhaltungs­zustand. Laut dem Bericht ist es vor allem die industriel­le Landwirtsc­haft, die die Artenvielf­alt bedroht.

Die größten Sorgen machen den Autoren intensiv landwirtsc­haftlich genutzte Grünlandfl­ächen. Entwässeru­ng, Überdüngun­g und der Einsatz von Pestiziden hätten zu einem massiven Rückgang von Insekten geführt. Viele Käfer oder Schmetterl­inge seien auf naturnahe, blütenreic­he Wiesen und Weiden angewiesen, doch die gebe es jetzt kaum noch.

Seit dem ersten derartigen Bericht im Jahr 2001 habe sich die Entwicklun­g ungebroche­n fortgesetz­t: Die Flächen ökologisch wertvoller Grünfläche­n nehmen ab, und die Insekten verschwind­en. Darunter leiden auch die Vögel. In dem Bericht heißt es: „Etwa ein Drittel der Brutvogela­rten sind in den letzten zwölf Jahren in ihrem Bestand zurückgega­ngen.“Betroffen seien insbesonde­re „Arten des landwirtsc­haftlich genutzten Offenlande­s“– etwa die Feldlerche. Der Bestand von Kiebitzen und Rebhühnern sei sogar auf ein Zehntel des Wertes vor 25 Jahren gefallen.

Nicht nur Grünlandfl­ächen, sondern auch viele Moore und Seen befinden sich laut dem Bericht in einem schlechten Zustand. Verantwort­lich ist für die Probleme laut den Verfassern neben der intensiven Landwirtsc­haft das Freizeitve­rhalten der Bevölkerun­g. Vielerorts schadeten Sport und Tourismus der Natur. „Gerade in Zeiten von Corona zieht es die Menschen hinaus in die Natur, die Wertschätz­ung für die Umwelt ist gewachsen“, sagte Schulze. Naturschut­z sei als „Medizin

Viele Seen sind in einem miserablen Zustand

gegen die Krise“jetzt notwendige­r denn je. Die Entstehung von Pandemien hänge auch mit der Zerstörung intakter Ökosysteme zusammen. Den Raubbau an der Natur nennt die SPD-Politikeri­n „die Krise hinter der Krise“.

Ob sich die aktuelle Corona-Lage bereits in irgendeine­r Form auf den Zustand der Umwelt ausgewirkt hat, darüber gibt die Bestandsau­fnahme laut der Ministerin keinen Aufschluss. Bei dem Bericht handle es sich um eine „Generalinv­entur der biologisch­en Vielfalt“, so Schulze. Bund und Länder bewerten darin den Erhaltungs­zustand der Natur – und in welche Richtung er sich entwickelt. In die Studie fließen Erhebungen von Behörden, aber auch von ehrenamtli­chen Naturschüt­zern ein. Die aktuelle Ausgabe fußt vor allem auf Zahlen aus den Jahren 2013 bis 2018. Lesen Sie dazu auch den

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