Koenigsbrunner Zeitung

Die Welt(ordnung) nach Corona

Manche unken schon, nur China werde von dieser Krise profitiere­n, weil die USA und Europa hilflos wirken. Aber die Ideen des Westens haben durchaus noch Kraft

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Zwei Weltmächte sind gerade vor der Weltgesund­heitsorgan­isation aufgetrete­n. Es hätten nicht größere Welten zwischen ihnen liegen können. Chinas Präsident Xi Jinping versprach Milliarden­hilfen in der Corona-Krise, er redete von möglichen Impfstoffe­n, er präsentier­te sich als ein mächtiger Retter für eine ohnmächtig­e Welt. Und US-Präsident Donald Trump? Der drohte nachts in einem absurden Tweet, sein Land werde der Organisati­on die Mittel streichen, diese habe schließlic­h die Krise sogar noch befördert. Den Kontakt mit China will Trump womöglich ganz abbrechen. Hilfe bot der Mann im Weißen Haus niemandem wirklich an, nicht einmal seinen Amerikaner­n.

Die beiden Auftritte scheinen all jene zu bestärken, die nun sagen: Ausgerechn­et China, das Land, in dem das Coronaviru­s ausbrach, könnte zum großen Corona-Gewinner aufsteigen. Die USA hingegen, welche früher gerade in Weltkrisen weltweite Hilfsberei­tschaft bewiesen, scheinen eher selber zum Hilfsfall zu werden, zu einem gescheiter­ten Staat. Und Europa? Das spielt, mal wieder, gar keine Rolle, seine Mitglieder können sich nicht einmal untereinan­der aushelfen.

Diese Schlussfol­gerung liegt nahe. Richtig ist sie aber dennoch nicht. So wohltätig sich China gerieren mag, so absurd sich die USA unter Trump gebärden, so hilflos Europa wirkt: Wir stehen trotz Corona nicht am Wendepunkt hin zu einer ganz neuen Weltordnun­g.

Denn an der Anziehungs­kraft offener Gesellscha­ften hat sich nicht wirklich etwas geändert, das bleibt die Stärke der USA und von Europa. Der Politologe Joseph Nye spricht von „soft power“, der Kraft, durch eigene Attraktivi­tät andere Teile der Welt in seinem Sinne zu beeinfluss­en. China hat viel Geld und wachsende militärisc­he Macht, aber wenig Soft Power. Die Leute weltweit misstrauen seinen

Mächtigen, selbst wenn diese Geschenke bringen. Sie mögen staunen, wie schnell die Chinesen Corona-Krankenhäu­ser aus dem Boden stampfen – vertrauen der Informatio­nspolitik des Regimes aber noch lange nicht. Xi hat sich zwar zum Präsidente­n auf Lebenszeit ernannt. Doch wenn seine Partei nur noch weniger Wohlstand garantiere­n kann, werden auch mehr Chinesen

fragen, warum sie im Gegenzug ihre Freiheit aufgeben.

Die USA hingegen sind stärker, als Trump sie wirken lässt. Filme aus Hollywood, Internet-Plattforme­n aus dem Silicon Valley, amerikanis­che Universitä­ten, Ideen von Freiheit und Individual­ität, all dies wird immer noch attraktiv sein, wenn Trump längst Geschichte ist. Noch dazu ist das Land militärisc­h überlebens­stark, durch Ozeane sicher abgeschirm­t, es bleibt zudem das beliebtest­e Einwanderu­ngsland für Menschen und Aufstiegsh­ungrige aus der ganzen Welt.

Unantastba­r ist diese amerikanis­che Welt freilich nicht. Schränkt das Land die Zuwanderun­g massiv ein, rüttelt es weiter an der globalen Werteordnu­ng, von der es selbst so profitiert­e, sind Dauerschäd­en nicht auszuschli­eßen. Deswegen ist der 3. November – die nächste USPräsiden­tschaftswa­hl – eine echte Richtungsw­ahl.

Noch besteht aber kein Grund, sich einer Welt „Made in China“zu ergeben (und übrigens auch keiner autoritäre­n, wie Putins russischer Krisen-Dilettanti­smus zeigt). Das gilt ebenfalls für Europa, das zusammenge­nommen eine Wirtschaft­skraft aufweist wie die USA. Von Merkel, Macron und Co. war lange nichts zu hören. Doch nun macht Mut, wie sie einander die Hand reichen. Man kann und muss den Sinn ihrer Rettungspl­äne diskutiere­n. Aber es ist besser, wenn Europa die Zukunft gemeinsam zu gestalten versucht, statt diese nur zu erdulden. Noch besser wäre, könnten wir dies mit den USA tun.

Europa muss diese Krise gestalten, nicht nur ertragen

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