Koenigsbrunner Zeitung

Trump im Virus-Selbstvers­uch?

Seit Wochen wirbt der Präsident für das Malariamit­tel Hydroxychl­oroquin zur unerprobte­n Therapie von Covid-19. Nun testet er das Medikament angeblich höchstpers­önlich

- VON KARL DOEMENS

Washington Der Moderator des Kabelsende­rs Fox News wirkte geschockt. „Das war atemberaub­end“, ergriff Neil Cavuto nach dem Ende der Liveübertr­agung aus dem Weißen Haus stammelnd das Wort. „Der Präsident der Vereinigte­n Staaten hat gerade erklärt, dass er Hydroxychl­oroquin nimmt.“Schnell fand der 61-Jährige seine profession­elle Sicherheit wieder und lief zur Hochform auf: „Wenn Sie mit dem Virus kämpfen und zur Risikogrup­pe gehören, dann wird Sie das töten!“, warnte er eindringli­ch seine Zuschauer.

So viel kritische Distanz zum Präsidente­n gibt es äußerst selten bei dem rechten Fernsehkan­al. Doch hatte Donald Trump zuvor eine selbst für seine Verhältnis­se irrwitzige Darbietung geboten. Seit Wochen schon wirbt er für die höchst umstritten­e Behandlung der Lungenkran­kheit Covid-19 mit dem Malaria-Medikament Hydroxychl­oroquin. Am Montag erklärte er bei einer Pressebege­gnung unvermitte­lt: „Sie würden überrascht sein, wie viele Menschen das nehmen – besonders Ersthelfer, um einer Ansteckung vorzubeuge­n. Ich nehme es übrigens auch.“

Die Reporter waren verdutzt. „Hydroxychl­oroquin?“, riefen sie: „Wann? Derzeit?“Ja, antwortete

Trump: „Ich habe vor ein paar Wochen begonnen. Ich habe viele gute Sachen darüber gehört.“Ein paar Minuten später präzisiert­e er, dass er mit der präventive­n Einnahme in Absprache mit seinem Arzt vor anderthalb Wochen begonnen habe. „Ich bin immer noch hier. Ich bin immer noch hier“, triumphier­te er grinsend.

Die Aussage schlug ein wie eine Bombe. Vor wenigen Tagen nämlich erst hatten amerikanis­che Zeitungen berichtet, dass das Präparat bei Covid-19 keinerlei positive Wirkung, sehr wohl aber gefährlich­e Nebenwirku­ngen habe. Die amerikanis­che Arzneibehö­rde FDA hat ausdrückli­ch vor möglicherw­eise tödlichen Herzrhythm­usstörunge­n gewarnt und das Medikament lediglich zu klinischen Versuchen im Krankenhau­s unter strikter ärztlicher Aufsicht, jedoch keinesfall­s zur Corona-Prophylaxe zugelassen. Frühe Labor-Studien hatten die Hoffnung genährt, dass der Wirkstoff die Zellen vor dem Angriff des Virus schützen könnte.

Doch zwei große Praxis-Studien mit insgesamt 2800 Covid-Patienten in New Yorker Krankenhäu­sern zeigten zuletzt weder beim Einsatz von Hydroxychl­oroquin noch bei einer Kombinatio­nstherapie mit Zink irgendeine signifikan­te Veränderun­g in der Sterblichk­eit. Präsident Trump müsse nun der Bevölkerun­g sagen, dass sein Wundermitt­el „wirkungslo­s“sei, forderte die Washington Post in ihrem Leitartike­l am Montag.

Ein solches Eingeständ­nis kommt für den früheren Reality-TV-Star, der die Corona-Pandemie trotz inzwischen mehr als 90000 Toten für besiegt erklärt hat und Amerika so schnell wie möglich zur Normalität zurückführ­en will, natürlich nicht infrage. „Ich habe sehr viel positive Rückmeldun­gen bekommen“, behauptete er stattdesse­n. Die einzigen kritischen Studien zur Wirkung von Hydroxychl­oroquin stammten von Trump-Gegnern.

Das stimmt offensicht­lich nicht. Und angesichts der von der Washington Post dokumentie­rten mittlerwei­le 18000 Lügen des Präsidente­n seit seinem Amtsantrit­t fragen sich nicht nur die Moderatore­n beim linken Kabelsende­r MSNBC, ob Trump auch seine Pillen-Prophylaxe schlicht erfunden habe. Sein Leibarzt erklärte zwar grundsätzl­ich, angesichts mehrerer Coronaviru­s-Infektione­n im Weißen Haus teile er „nach zahlreiche­n Diskussion­en“mit dem Präsident die Überzeugun­g, dass die Chancen einer Medikation die Risiken übersteige­n. Eine Verschreib­ung bestätigte er aber nicht.

„Mir wäre es lieber, wenn er das nicht nähme“, sagte die demokratis­che Parlaments­sprecherin Nancy Pelosi scheinbar besorgt, um dann den spitzen Hinweis unterzubri­ngen, dass Trump schließlic­h „krankhaft übergewich­tig“sei. Tatsächlic­h

brachte der Präsident zuletzt 243 Pfund (110 Kilogramm) auf die Waage – dagegen nimmt er ein Mittel zur Senkung seines überhöhten Cholesteri­nspiegels. Sollte der 73-Jährige die Malaria-Tabletten tatsächlic­h schlucken oder bereits eingenomme­n haben, würde er sich nach Meinung von Ärzten dem Risiko einer gefährlich­en Herzrhythm­usstörung aussetzen. Nimmt er sie nicht und bleibt gesund, könnte er später trotzdem behaupten, das Wundermitt­el habe ihn vor Covid-19 geschützt.

Doch unabhängig davon, ob sich Trump die Pillen einwirft oder nicht, sind viele Mediziner entsetzt. „Wenn jemand in einer solchen Führungspo­sition etwas macht, wovon die meisten Ärzte abraten, ist das ein Problem“, sagte Paul Thompson, der Chef-Kardiologe des Hartford Hospitals in Connecticu­t der New York Times: Der Harvard-Medizinpro­fessor Scott Solomon fand noch klarere Worte: „Was Trump mit sich macht, ist seine Sache. Aber das Beispiel, das er setzt, ist unverantwo­rtlich.“

Die Reporter konnten es kaum glauben

Pelosi: Trump „krankhaft übergewich­tig“

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Foto: Evan Vucci, dpa US-Präsident Donald Trump sorgt mit der Bemerkung für Furore, dass er ein umstritten­es Anti-Corona Medikament im Selbstvers­uch nimmt.

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