Koenigsbrunner Zeitung

Eine erste Hoffnung für schwerkran­ke Patienten

Ein Ebola-Medikament beschleuni­gt offenbar die Genesung. Nun steht das Mittel Remdesivir in Europa kurz vor der bedingten Zulassung. Allerdings fehlen noch belastbare Studien

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Remdesivir ist ein Hoffnungss­chimmer für viele Coronaviru­s-Patienten in ganz Europa: „Es könnte sein, dass eine bedingte Marktzulas­sung für Remdesivir in den kommenden Tagen erteilt wird“, sagte Guido Rasi am Montag bei einer virtuellen Sitzung des Ausschusse­s für Umwelt und Gesundheit des Europäisch­en Parlamente­s. Der Mann weiß, wie sehr dieser Schritt von seiner Behörde erwartet wird. Denn Rasi ist Direktor der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur (EMA) in Amsterdam. Das ursprüngli­ch gegen Ebola entwickelt­e Medikament könne, so seine Begründung, die Genesungsd­auer von Corona-Patienten verkürzen. Tatsächlic­h lieferten die wenigen vorliegend­en Studien Hinweise, statistisc­h belastbar und tragfähig sind die Erhebungen jedoch bisher nicht.

Das gilt auch für jene internatio­nale Studie mit mehr als 1000 Covid-19-Patienten, die der Immunologe

Anthony Fauci, Chef des Nationalen Instituts für Infektions­krankheite­n der USA, oft zitiert. Mit Remdesivir waren die Patienten durchschni­ttlich nach elf Tagen genesen, ohne das Präparat nach 15 Tagen. Dennoch zeigte sich sogar der Chef des Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, angetan: „Die Zahlen, die uns zur Verfügung stehen, machen einen positiven Eindruck“, sagte er Ende April. Aber auch er forderte mehr Daten.

Der Chefarzt der Infektiolo­gie in der Münchener Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, nannte die ersten Erkenntnis­se der Behandlung ermutigend. Im Rahmen eines Härtefallp­rogramms durften auch einige deutsche Krankenhäu­ser Remdesivir einsetzen. In München wurde festgestel­lt, dass das Medikament „zwar kein Zaubermitt­el ist, den

Krankheits­verlauf aber positiv beeinfluss­en kann“, so Wendtner. Seinen Angaben zufolge lag die Sterblichk­eit bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten, die mit Remdesivir behandelt worden waren, bei acht Prozent, in der Vergleichs­gruppe ohne diese Therapie waren es zwölf Prozent. Seine Klinik ist als eine von acht deutschen Kliniken an den Remdesivir-Studien beteiligt. Bis zum 29. Mai sollen dafür noch Patienten rekrutiert werden, dann wird es eine Auswertung geben.

Der CDU-Europaabge­ordnete und Mediziner Peter Liese zeigte sich ebenfalls optimistis­ch: „Die bisherigen Untersuchu­ngen haben offensicht­lich gezeigt, dass Remdesivir den Krankheits­verlauf abmildert, vielleicht sogar die Todesrate absenken kann und dass die Nebenwirku­ngen vertretbar sind.“Eine bedingte Marktzulas­sung bedeutet, dass die Experten ein Arzneimitt­el als wahrschein­lich wirksam und nebenwirku­ngsarm einstufen, diese Einschätzu­ng muss aber im Rahmen der Behandlung weiterhin laufend und endgültig verifizier­t werden.

Für diesen Probebetri­eb darf die EMA das Medikament in Eigenregie freigeben. Die endgültige Zulassung ist dann Sache der Brüsseler EUKommissi­on – auf der Grundlage einer Empfehlung ihrer Amsterdame­r Arzneimitt­el-Experten. Dennoch hat die gebremste Zulassung für die Betroffene­n einen großen Vorteil: Die Kassen übernehmen die Kosten der Behandlung.

Wird der US-Hersteller Gilead Services aber in der Lage sein, Europa zu versorgen? „Die Firma hat mir versichert, dass sie Remdesivir europäisch­en Patienten zur Verfügung stellt, wenn die bedingte Marktzulas­sung erfolgt ist“, bekräftigt­e Liese. Ersten Umfragen zufolge gab es Mitte Mai 18 Apotheken in Deutschlan­d, die Remdesivir verteilen durften, zwei davon in Bayern – eine in Schwabing. Für mehr wäre eine bedingte Zulassung nötig. Die wird nun für den 28. oder 29. Mai erwartet.

RKI-Chef Wieler von ersten Ergebnisse­n angetan

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Foto: Perrey, dpa Vor dem Durchbruch? Das Medikament Remdesivir.

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