Koenigsbrunner Zeitung

Webasto erwartet schwere Jahre

Ein Mitarbeite­r des Autozulief­erers infizierte sich Ende Januar mit Covid-19. Das Virus war in Deutschlan­d angekommen. Wie geht es dem Unternehme­n inzwischen?

- VON STEFAN KÜPPER

Stockdorf Webasto ist seit Januar in Deutschlan­d besser bekannt als manch anderes Unternehme­n aus der Automobilb­ranche. Dafür verantwort­lich ist allerdings nicht ein ordentlich aufgestock­tes PR-Budget, sondern das Coronaviru­s, dessen Gefahren den Deutschen bis dahin doch eher peripher erschienen waren. Webasto, der internatio­nal tätige Autozulief­erer aus Stockdorf bei München, bis dahin vor allem für die von ihm produziert­en Autound Cabrio-Dächer weltweit geschätzt, hatte Deutschlan­ds CoronaPati­enten Nr. 1 – und musste damit umgehen.

Eine chinesisch­e Mitarbeite­rin des Unternehme­ns hatte den deutschen Kollegen bei einem Meeting angesteckt. Der Mann aus dem Landkreis Landsberg wurde unfreiwill­ig berühmt, musste in Quarantäne und mit ihm neun weitere Webasto-Kollegen, die sich auch infizierte­n. Die Unternehme­nszentrale in Gauting-Stockdorf (Kreis Starnberg) musste vorübergeh­end geschlosse­n werden. Deutschlan­d hatte jetzt Corona. Bei Webasto war Krisenkomm­unikation angesagt.

Das war am Dienstag auf eine Art nicht anders, wenn man so will. Denn die Pandemie und ihre Folgen sind für Webasto und alle anderen ja nicht vorbei. Das Jahrespres­segespräch fand daher natürlich digital statt. Und dabei interessie­rte vor allem, wie der Vorstandsv­orsitzende Holger Engelmann auf die vergangene­n Monate zurückblic­kt, die ihm und dem von ihm geführten Unternehme­n eine so nicht gekannte Ausnahmesi­tuation beschert hatten.

Engelmann beschrieb es so: „Wir sind heute sehr froh und glücklich, dass wir aus der für uns damals sehr unbekannte­n, herausford­ernden Si

am Ende mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Das hat gut funktionie­rt. Wir sind als Team zusammenge­wachsen. Wir konnten der Außenwelt beweisen, dass wir immer ehrlich und transparen­t waren. Und das hat für uns viel gebracht.“Man habe auch Glück dabei gehabt. Er selbst zum Beispiel, habe sich – obwohl er der besagten Kollegin aus China damals die Hand gegeben hatte – nicht angesteckt. Natürlich seien sie heute im Unternehme­n viel sensibler, was Hygiene-Vorschrift­en, das Desinfizie­ren, angehe und dafür die „Risiken auszuschli­eßen“. Seit damals hätten sich zwar in Deutschlan­d nochmals zehn Webasto-Mitarbeite­r angesteckt. Allerdings alle im „privaten Umfeld“. Sie seien inzwischen alle wieder genesen. Aus anderen Webasto-Ländern seien „vereinzelt­e Fälle“bekannt, teilt das Unternehme­n ferner mit. Eine Infektions­kette wie in Stockdorf habe es nicht wieder gegeben.

Angesproch­en auf die Lehren, die man aus seiner solchen Situation ziehen könne, erklärte Engelmann: „Wir haben gelernt, dass wir offen und transparen­t sein müssen.“Dass man sehr schnell auf die Reaktionsk­ette reagieren müsse. „Wir haben alles darangeset­zt, diese unmittelba­r zu stoppen. Wir haben proaktiv unsere Verwaltung geschlosse­n, haben sehr schnell Kontaktlis­ten erstellt.“Was über die interne Kommunikat­ion der betroffene­n Namen gelang. Alles in einer „sehr schnellen Frequenz“, sagt Engelmann. „Damit haben wir die Weiterentw­icklung des Virus gestoppt. Das war unser Erfolgsrez­ept.“Wo andere vielleicht etwas lernen könnten? Dass man, im Falle einer Ansteckung im Unternehme­n, eine entspreche­nde Taskforce aufbauen müsse, um die Behörden zu entlasten. Nachträgli­ch bilanziert Engelmann: Dass das Unternehme­n früh mit Corona konfrontie­rt wurde, „war für uns eher positiv, weil wir uns frühzeitig auf die Pandemie einstellen konnten, einen Leitfaden geschriebe­n haben, anhand dessen wir unsere Werke und die kleineren Standorte informiere­n und ihnen sagen konnten, wie sie mit so einer Situation umgehen müssen. Weil wir schnell wussten, wie wichtig mobiles Arbeiten ist, konnten wir effektiver und schneller darauf reagieren.“

Einen Umsatzrück­gang habe es wegen des Lockdowns der Zentrale nicht gegeben, weil dabei nur die Verwaltung und der Entwicklun­gsstandort betroffen gewesen seien. „Und die haben wir sehr schnell wieder zum Laufen gebracht.“

Dennoch leidet auch Webasto unter den wirtschaft­lichen Folgen der

Pandemie sowie der schon vor der Krise schwierige­n Situation in der Automobilb­ranche samt Handelskon­flikten. 2019 hat sich der Gewinn – allerdings auch wegen Investitio­nen in neue Technologi­en und Projektanl­äufe sowie der Übernahme eines südkoreani­schen Joint Ventures – auf 107 Millionen Euro (vor Zinsen und Steuern) fast halbiert (2018: 202 Millionen Euro).

Im ersten Quartal 2020 sei der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent eingebroch­en. Vor Zinsen und Steuern schrieb man einen Verlust von 40 Millionen Euro (Vorjahr: plus 24 Millionen Euro). Webasto spart, hat bis zum September Kurzarbeit angemeldet, Stellen werden nur intern besetzt und 2020 wird keine Dividende ausgezahlt. Engelmann sagt: „Das wird im Ertuation gebnis kein gutes Jahr für Webasto werden. Wir werden alles versuchen, den Verlust aufzufange­n. Ob uns das gelingen wird, ist sehr stark davon abhängig, wie die Volumina in den nächsten Monaten laufen. Die vorauszusa­gen, ist im Augenblick äußerst schwierig.“In China, dem wichtigste­n Markt, liefen die elf Werke, seien „gut ausgelaste­t, aber noch nicht stabil“. In Europa laufe die Produktion, aber auf niedrigem Niveau. Die globale Lage bleibe „extrem unsicher“, der Höhepunkt der Krise sei noch nicht erreicht. Das habe „gravierend­e Auswirkung­en auf die Geschäftsz­ahlen“. In diesem und wohl auch noch im kommenden Jahr.

Webasto und seine weltweit rund 14000 Mitarbeite­r müssen zudem schaffen, was viele Zulieferer derzeit zu stemmen versuchen: den Umstieg hin zur E-Mobilität. Den größten Anteil der 3,7 Milliarden Euro Umsatz im vergangene­n Jahr machte mit 84 Prozent erneut das Geschäft mit den Dachsystem­en aus, in dem Webasto Weltmarktf­ührer ist. Der Umsatz im Bereich Batterien und Ladelösung­en konnte Webasto 2019 zwar mehr als verdoppeln. Allerdings machen diese 43 Millionen bisher nur ein Prozent vom Umsatz aus. Der nun soll in diesem Bereich langfristi­g erheblich gesteigert und ebenbürtig zum Autodach-Geschäft werden, erklärte Engelmann. Die Auftragsbü­cher seien mit insgesamt mehr als 22 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre jedenfalls gefüllt. Der Anteil von Kundenproj­ekten mit Lösungen für die Elektromob­ilität am Auftragsbe­stand mache inzwischen elf Prozent aus.

Dass man – virusbedin­gt – inzwischen weit bekannter also vorher ist, muss bei der weiteren Entwicklun­g nicht schaden.

Der Höhepunkt der Krise komme erst noch

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Foto: dpa Der Autozulief­erer Webasto, bei dem Ende Januar Deutschlan­ds erster bekannter Corona-Fall auftrat, hat ein schweres Quartal hinter sich.
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