Koenigsbrunner Zeitung

Zwischen Gülle-Mord und Gruben-Unglück

Ein Landwirt aus dem Landkreis Donau-Ries soll seine Frau mit Jauche übergossen und getötet haben. Der Prozess gegen den 55-Jährigen nähert sich dem Ende. Doch der Ausgang ist ungewiss

- VON DAVID HOLZAPFEL UND MICHAEL SIEGEL

Birkhausen/Augsburg Als der Familienna­me fällt, schütteln die Männer kollektiv mit dem Kopf. Sie wollen keinen Ärger. Deshalb sollen sie hier auch nicht näher beschriebe­n werden, nur so viel: Sie alle wohnen nur wenige Meter entfernt von jenem Hof, an dem es passierte. Einer der Nachbarn zuckt mit den Schultern. „Darüber kann ich nix sagen.“Niemand hier spricht gerne über den Septembert­ag vor knapp zwei Jahren, der das Dorf in helle Aufregung versetzte.

Birkhausen ist eine Ortschaft, von denen es im Landkreis Donau-Ries viele gibt. Ein paar hundert Einwohner, Hof reiht sich an Hof, umrahmt von satten Wiesen und Feldern. Jeder kennt jeden, manche Familien leben über Generation­en hinweg seit Jahrhunder­ten im Dorf. Hektik gibt es hier selten; ab und an fährt ein Auto die Dorfstraße entlang, die Kirchenglo­cken läuten. Ansonsten: Ruhe. Und hier soll sich ein grausames Verbrechen abgespielt haben. Ein 55-jähriger Landwirt soll seine Ehefrau umgebracht haben. Soll sie, so die Anklage, an einem Vormittag im September mit einem Hieb gegen den Kopf erst bewusstlos geschlagen, anschließe­nd an die hofeigene Gülle-Grube gezogen und mit Jauche übergossen haben. Bei einer späteren Obduktion finden die Rechtsmedi­ziner Gülle tief in den Atemwegen des Opfers. Sie ist an der stinkenden Flüssigkei­t erstickt.

Die Nachricht über den Tod der damals 51-Jährigen verbreitet sich wie ein Lauffeuer – erst im Dorf, dann im ganzen Land. Der Angeklagte, ein kleiner, kräftiger Mann mit Halbglatze, sagt in eine Fernsehkam­era: „Ich habe mit dem Tod meiner Frau nichts zu tun. Es war ein Unfall.“Seit sieben Monaten versucht das Augsburger Landgerich­t nun schon zu prüfen, ob das stimmt. Es ist ein Mammut-Prozess.

Im Oktober des vergangene­n Jahres begann die Verhandlun­g gegen den Landwirt. Als Zeugen hörte das Gericht Menschen aus seiner Heimatgeme­inde, Nachbarn, Bekannte, Familienan­gehörige, Arbeitskol­legen, zudem Polizisten, Sanitäter und Ärzte. Die Verteidigu­ng stellte insgesamt 62 Beweisantr­äge. Um deutlich zu machen, dass die Landwirtin eigenständ­ig in die Gülle-Grube gestiegen, dort kollabiert und in die Flüssigkei­t gefallen ist. Dass sie wie2018 der zu sich gekommen und auf einer Leiter noch bis zum Rand der Grube hinaufgest­iegen ist, wo sie schließlic­h zusammenbr­ach und erstickte. 62 Beweisantr­äge, die deutlich machen sollten, dass der Landwirt unschuldig ist.

Die Staatsanwa­ltschaft warf dem Landwirt zu Prozessbeg­inn vor, seine Frau aus Habgier ermordet zu haben. Schon länger habe sich das Opfer von ihm trennen wollen. Die Ehe, sagten Zeugen, habe nur auf dem Papier existiert. Aus Angst, das gemeinsame Vermögen von mehreren hunderttau­send Euro teilen zu müssen, soll der 55-Jährige schließlic­h bis zum Äußersten gegangen sein.

Der Fall ist komplex. Tatwerkzeu­ge werden nie gefunden, zum Todeszeitp­unkt der Bäuerin ist es helllichte­r Tag, das Hoftor ist geöffnet und gibt den Blick frei für neugierige Nachbarn. Unfall oder Mord, auch die bestellten Sachverstä­ndigen sind sich uneins.

Prozesstag 26, vergangene Woche. Die Justizbeam­ten lösen die Handschell­en, der Angeklagte reibt sich kurz das Handgelenk, nickt seinen Verteidige­rn zu und setzt sich auf seinen Platz auf der Anklageban­k. Den gesamten Prozess über hat der Landwirt das Geschehen ohne erkennbare Emotionen verfolgt. Keine Wut, keine Trauer und auch keine eigenen Angaben. In seinem „letzten Wort“schließlic­h fragt er, warum er all diese Verhandlun­gstage habe durchstehe­n müssen. Nachdem er doch seit 20 Monaten in Untersuchu­ngshaft sitze. Er wolle heim, sich um seine drei Kinder und die Landwirtsc­haft kümmern.

Im Plädoyer der Staatsanwa­ltschaft zeichnet sich ab, dass eine klare Spurenlage weder zu einem Verbrechen noch zu einem Unfallgesc­hehen erkennbar ist. Staatsanwa­lt Michael Nißl rückt von der ursprüngli­chen Mord-Annahme ab und fordert 13 Jahre und sechs Monate Haft wegen Totschlags. Abschließe­nd fragt er: „Wie kann man einem Menschen mehr die Würde nehmen als ihn mit Tierfäkali­en zu ersticken?“Die Verteidigu­ng setzt dem in ihren Plädoyers die Forderung nach einem Freispruch entgegen. Es gebe keine Beweise für ein Verbrechen. „Es gibt nichts als bloße Vermutunge­n“, sagt Rechtsanwa­lt Nico Werning und warnt die Strafkamme­r vor einem Fehlurteil. Am heutigen Mittwoch will das Gericht sein Urteil fällen.

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Foto: David Holzapfel Der mutmaßlich­e Mord versetzte das beschaulic­he Birkhausen im Landkreis DonauRies in helle Aufregung.

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