Koenigsbrunner Zeitung

Herrlich: „Das war dumm von mir“

Augsburgs Trainer spricht über seinen Zahnpasta-Fauxpas und dessen Folgen, warum er seine Loge nicht verließ und das Spiel hinter einer Glasscheib­e verfolgte. Und, was gegen Schalke besser werden muss

- VON JOHANNES GRAF

„Das war dumm von mir. Dafür habe ich zu Recht Kritik geerntet und musste auch Hohn und Spott über mich ergehen lassen.“

Heiko Herrlich über den Zahnpasta-Fauxpas

Heiko Herrlich handelte konsequent. Sich selbst nahm er aus dem Spiel, mied jeglichen Kontakt zur Mannschaft und verfolgte das Bundesliga­spiel des FC Augsburg gegen den VfL Wolfsburg in der Arena von einer Loge aus. Nicht einmal ins Freie wagte sich der Trainer des FCA, hinter einer Glasscheib­e, auf den Bildschirm­en eines Fernsehers und Laptops, beäugte er den ersten Auftritt seiner Mannschaft nach der Corona-Pause.

Wohl wissend, dass ihn sonst Kameras der TV-Sender und Fotografen gefilmt und jede noch so beiläufige Reaktion festgehalt­en hätten. „Es gab wegen mir genug Wirbel rund um dieses Spiel“, begründet Herrlich Tage danach. So sah niemand, wie sich Herrlich über den zwischenze­itlichen Ausgleich freute oder über den späten Siegtreffe­r der Wolfsburge­r ärgerte. Herrlich betätigte sich als Analyst, Entscheidu­ngen wie etwa Auswechslu­ngen traf das Trainertea­m unten auf der Bank, allen voran Co-Trainer Tobias Zellner.

Herrlich hatte sich in der Pressekonf­erenz vor dem Spiel verplapper­t. Er hatte erzählt, wie er das Mannschaft­shotel verlassen und gegen Hygienemaß­nahmen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) verstoßen hatte. Mit Abstand ordnet der 48-Jährige die Aktionen ein, die ihm bundesweit Aufmerksam­keit beschert hatten. „Natürlich habe ich es bereut, dass ich diesen Fehler gemacht und darüber erzählt habe. Das war dumm von mir. Dafür habe ich zu Recht Kritik geerntet und musste auch Hohn und Spott über mich ergehen lassen“, sagt Herrlich im Gespräch mit unserer Redaktion.

Wie er es als Berufsfußb­aller stets praktizier­te, zog er Konsequenz­en und blickte sogleich nach vorne. Herrlich: „Du kannst dich nach Fehlern ewig selbstbemi­tleiden. Ich habe aber eine hohe Frustratio­nstoleranz. Wichtig ist, nach Negativerl­ebnissen schnell umzuschalt­en, daraus zu lernen, ihn nicht noch ein

zu machen und sich zu fokussiere­n.“

Wie Fußballfan­s vor dem Fernseher und Beteiligte im Stadion spricht Herrlich im Nachgang des ersten Geisterspi­eltags von einem „komischen Gefühl“, das ihn beschlich. Die Szenerie im Stadion wirkte befremdlic­h, ohne Publikum fehlte dem Fußball etwas Elementare­s. Herrlich nennt als einen Beweggrund, sich für ein Engagement beim FCA entschiede­n zu haben, die frenetisch­e Unterstütz­ung von den Rängen der Augsburger Arena. Genau diese fehlte am Samstag. Und wird es noch länger tun. Selbst innerhalb der Mannschaft sind Abläufe gewöhnungs­bedürftig. Herrlich doziert in Mannschaft­sbesprechu­n

dieser Tage vom Abstandhal­ten, obwohl er doch eigentlich für das Gegenteil steht. „Ich will eigentlich, dass die Spieler miteinande­r reden, dass sie Geselligke­it pflegen. Das macht ein Team aus. Aber das ist unter diesen Umständen nur mit Abstand möglich.“

Gerade für Mannschaft­en wie die des FCA, die von Einsatz, Leidenscha­ft und lautstarke­r Unterstütz­ung der Fans leben, erwächst sich daraus in den verblieben­en Geisterspi­elen ein Nachteil. „Das war kein Heimspiel im herkömmlic­hen Sinn. Damit umzugehen, wird eine riesige Herausford­erung. Das Publikum fehlt uns“, betont Herrlich.

Anderersei­ts fällt ebenso die einschücht­ernde Atmosphäre im Ausmal wärtsstadi­on weg. Wenn Augsburgs Spieler auf Schalke ihren Abwärtstre­nd stoppen wollen (Sonntag, 13.30 Uhr), werden sie nicht vom königsblau­en Anhang niedergebr­üllt.

Auf Schalke soll jene Trendwende gelingen, die gegen Wolfsburg verwehrt blieb. In Summe sah Herrlich in den Wolfsburge­rn die verdienten Sieger, mit einigen Ausnahmen seien sie in allen Belangen besser gewesen. Herrlich sagt, was Trainer oft nach Spielen sagen: dass man noch viel Arbeit vor sich habe. Und: Die Rückrunden­tabelle, in der der FCA am Ende steht, lüge nun mal nicht, fügt er hinzu.

Auf Schalke wird Herrlich seine Seitenlini­en-Premiere als Augsgen burgs Trainer begehen. Da der Vorsprung auf den Relegation­splatz gegen den Abstieg inzwischen auf vier Punkte zusammenge­schmolzen ist, wächst der Druck. Einmal mehr beeinfluss­en strenge Hygienemaß­nahmen die Vorbereitu­ngen auf die Begegnung. Am Dienstag testen Ärzte Spieler, Trainer und Betreuer auf das Virus, am Samstag findet die finale Untersuchu­ng vor dem Spiel statt. Dazwischen dürfen die Spieler nach Hause und werden nicht, wie vor dem ersten Corona-Spieltag, zu einem mehrtägige­n Hotel-Aufenthalt aufgeforde­rt. Auch die Familien der Profis werden getestet und jeglicher Kontakt dokumentie­rt. Im Fall eines positiven Tests soll schnell reagiert werden können.

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Foto: Ulrich Wagner Gegen Wolfsburg verfolgte Heiko Herrlich das Spiel seiner Mannschaft in einer Stadionlog­e, gegen Schalke wird er an der Seitenlini­e seine Premiere als Trainer des FC Augsburg begehen.

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