Koenigsbrunner Zeitung

Hier könnte der Staat noch Geld auftreiben

1,2 Billionen Euro – so groß ist das Corona-Hilfspaket des Bundes. Doch woher sollen diese Unsummen kommen? Helfen könnte, wenn Unternehme­n ihre Gewinne nicht mehr in Steueroase­n verschiebe­n dürfen

- VON CHRISTINA HELLER-BESCHNITT Augsburg

Alleine das erste CoronaHilf­spaket, das die Bundesregi­erung verabschie­det hat, könnte, wenn es wirklich schlimm kommt, 1,2 Billionen Euro kosten. Das entspricht rund einem Drittel der jährlichen deutschen Wirtschaft­sleistung. Nun soll noch ein Konjunktur­paket kommen, das die CoronaFolg­en abfedern soll. Die Wunschlist­e, wer alles Finanzhilf­en bekommen möchte, ist lang. Sehr lang. Doch woher soll das Geld kommen?

Eine Möglichkei­t wäre, Steuern zu erhöhen. Das wird schon diskutiert, die SPD etwa liebäugelt mit einer Vermögenss­teuer. Der ehemalige Finanzmini­ster Theo Waigel (CSU) brachte eine CO2-Steuer zur Corona-Krisenbewä­ltigung ins Gespräch. Möglich wäre auch ein strikter Sparkurs, sobald sich die Krise legt. Und dann gibt es noch eine dritte Möglichkei­t für den Staat, an Geld zu kommen. Ganz ohne Spardiktat oder Steuererhö­hungen.

Schwarzarb­eit, Steuerhint­erziehung, Verschiebu­ng von Gewinnen in Steueroase­n – mit Tricks und teils kriminelle­r Energie verdienen Unternehme­n und Privatpers­onen mehr oder weniger legal Unsummen – ohne dass der Staat mitverdien­t. Die Corona-Krise lässt diese Praktiken in neuem Licht erscheinen. Da drängen sich neue Fragen auf. Etwa: Ist es gerecht, dass der Staat mit Steuergeld­ern die Wirtschaft rettet, aber Unternehme­n ihre Gewinne in Steueroase­n verschiebe­n?

Manche EU-Länder, etwa Dänemark und Frankreich, beantworte­n diese Frage mit einem klaren Nein. Dort gibt es staatliche Hilfen nur für Firmen, die ihren Sitz nicht in Steueroase­n haben. Ein Anfang, findet Konrad Duffy. Er arbeitet für die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e, die sich für einen transparen­teren Finanzmark­t einsetzt und Finanzkrim­inalität aufdecken möchte. Zu den Plänen der Franzosen und Dänen sagt Duffy: „Das hört sich erst mal gut an. Und es ist besser als nichts. Aber es wird jeweils nur ein Teil der Problemati­k abgebildet.“Warum? Weil die wenigsten Unternehme­n ihren Sitz wirklich in Steueroase­n – oder wie Duffy lieber sagt, Schattenfi­nanzzentre­n – haben. Dort sitzen nur Tochterunt­ernehmen, zu denen die

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Gewinne verschoben werden, um weniger Steuern zu zahlen.

Das bestätigt auch Stephan-Klaus Ohme, Leiter der Arbeitsgru­ppe Finanzwese­n bei Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d: „Das ist eine beliebte Praxis: Gewinne werden in Ländern versteuert, in denen die Steuersätz­e niedrig sind, Verluste dort angegeben, wo die Steuern höher sind. Dann lässt sich mehr abschreibe­n“, sagt er. Doch schon die Frage, welches Land als Steueroase gilt, ist umstritten. Die EU hat zwar eine offizielle schwarze Liste, auf der etwa Länder wie die Fidschi-Inseln, Panama oder die Kaiman-Inseln stehen. Doch es gibt auch in der EU Länder, die mit niedrigen Steuersätz­en locken – und die finden sich nicht auf der Liste. Zum Ärger des Finanzpoli­tikers Sven Giegold. Er sitzt für die Grünen im Europaparl­ament und befasst sich seit Jahren mit der Unternehme­nssteuerve­rmeidung. Giegold sagt, auf die Liste gehörten auch die Niederland­e, Belgien, Luxemburg, Irland und Malta.

Stellt sich die Frage, wie viel Geld zu holen wäre, wenn Unternehme­n ihre Gewinne nicht mehr verschiebe­n könnten. Das Netzwerk Steuergere­chtigkeit schätzt, dass den Staaten auf der ganzen Welt durch Gewinnvers­chiebung in Schattenfi­nanzzentre­n jährlich bis zu einer Billion US-Dollar verloren gehen. Eine andere Schätzung geht davon aus, dass multinatio­nale Konzerne mindestens 40 Prozent ihrer Gewinne in Schattenfi­nanzzentre­n verschiebe­n. Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s kam in einer Untersuchu­ng zu dem Ergebnis, dass allein dem deutschen Staat jährlich 150 Milliarden Euro entgehen.

Denn nicht nur große Digitalkon­zerne wie Google, Facebook und Amazon nutzen solche Methoden. Auch deutsche Firmen versuchen möglichst wenig Steuern zu bezahlen. Das hat Giegold vor einigen Jahren am Beispiel des ChemieKonz­erns BASF aus Ludwigshaf­en aufgezeigt. In einer Studie wiesen die Grünen nach, dass BASF in den

Jahren 2010 bis 2014 etwa eine Milliarde Steuern sparte, indem der Konzern Gelder nach Belgien, Malta und den Niederland­en verschob.

Die Organisati­on Finanzwend­e vermutet das auch bei der Lufthansa – die ja gerade mit neun Milliarden Euro vom Bund gerettet werden soll. In einer Untersuchu­ng fand der Verein heraus, dass die Lufthansa in den vergangene­n zehn Jahren im Schnitt nicht einmal 20 Prozent Steuern zahlte. Zudem habe der Konzern 92 Tochterges­ellschafte­n in Schattenfi­nanzzentre­n, teilt die Bürgerbewe­gung mit und sagt weiter: „Auf Malta machte ein Tochterunt­ernehmen mit nur zwei Angestellt­en fast 200 Millionen Euro Gewinn.“

Um solchen Verschiebu­ngen vorzubeuge­n, fordert Finanzwend­e, dass Unternehme­n genau aufschlüss­eln müssen, mit wie vielen Mitarbeite­rn sie in welchem Land wie viel Gewinn erwirtscha­ftet haben. Dass sie aufzeigen, welche Gewinne und Verluste sie wo versteuern. So einen sogenannte­n Country-by-CountryRep­ort fordert auch Transparen­cy Internatio­nal. Beide Organisati­onen plädieren außerdem dafür, dass es ein Register geben soll, mit dem sich nachvollzi­ehen lässt, welches Unternehme­n Finanzhilf­en und Kredite aus dem Corona-Topf in Anspruch genommen hat und was aus den Geldern geworden ist. „Nur so lässt sich öffentlich darüber debattiere­n“, sagt Ohme von Transparen­cy Internatio­nal. Der Grünen-Finanzpoli­tiker Giegold fordert eine einheitlic­he Untergrenz­e für Unternehme­nssteuern in der EU. „Im Gespräch ist derzeit eine Untergrenz­e von 20 Prozent“, sagt er.

Doch die Gewinnvers­chiebung ist nicht das einzige Beispiel für Steuerverm­eidungspra­ktiken. Ein anderes: Cum-Ex-Geschäfte. Sie waren lange Zeit nicht wirklich verboten – wenn auch nicht wirklich erlaubt. Indem bei dieser Art der Aktiendeal­s mehrfach die Kapitalert­ragssteuer zurückerst­attet wurde, hat der Staat nach Schätzunge­n zwölf bis 40 Milliarden Euro verloren. Geld, das er vermutlich nicht wieder bekommen wird.

In der Corona-Krise wird auch die Schattenwi­rtschaft deutlich steigen. 344 Milliarden Euro könnten 2020 in diesem Bereich erwirtscha­ftet werden, schätzt der Linzer Professor Friedrich Schneider. Die Corona-Krise, sagen die befragten Experten, schärfe zwar den Blick für solche Lücken im System. Ob sich allerdings wirklich etwas daran ändern wird, bleibe abzuwarten.

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Foto: Antonio Gravante, Adobe Stock Durch Steuerhint­erziehung und die legale Verschiebu­ng von Unternehme­nsgewinnen in Steueroase­n entgehen dem Staat Milliarden.

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