Koenigsbrunner Zeitung

Nicht an jedem Schmarrn ist der Föderalism­us schuld

Das Hin und Her bei der Maskenpfli­cht schürt Zweifel an der Kompetenzv­erteilung zwischen Bund und Ländern. Söder will das ändern – zumindest ein bisserl

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger‰allgemeine.de

Wer es gerne pointiert mag und Verwirrung nicht scheut, darf sich den deutschen Föderalism­us in CoronaZeit­en am Beispiel der Maskenpfli­cht gerne mal so vorstellen:

Erstens: die Bundeseben­e. Da trifft sich die mächtigste Frau Deutschlan­ds mit 16 Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten, um endlich einheitlic­here und strengere Corona-Regeln zu vereinbare­n. Doch Bundeskanz­lerin Angela Merkel kann sich trotz einiger Unterstütz­er in der Runde nicht wirklich durchsetze­n. In Sachen Maskenpfli­cht bleibt es bei der Empfehlung, dass sie spätestens bei einer Inzidenz von 35 Neuinfekti­onen im öffentlich­en Raum dort eingeführt werden soll, „wo Menschen dichter und/oder länger zusammenko­mmen“. Und der mächtigste­n Frau Deutschlan­ds bleibt hinterher nichts anderes übrig, als an die Vernunft der Bürger zu appelliere­n: Bitte seid vorsichtig!

Zweitens: die Landeseben­e. Der bayerische Ministerpr­äsident, in Sachen Corona voll auf der Linie der Kanzlerin, ist ebenfalls unzufriede­n mit dem Ergebnis der Ministerpr­äsidentenk­onferenz. Für den „großen Wurf“, den er tags zuvor propagiert hatte, hat’s nicht gereicht. Also holt Markus Söder sein Kabinett zusammen, beschließt eine strengere Gangart und präzisiert die Maskenpfli­cht – sie soll in Bayern an allen Schulen auch im Unterricht gelten. Aus der Empfehlung wird eine Verordnung.

Drittens: die kommunale Ebene. Dem Münchner Oberbürger­meister und einigen Landräten schmeckt das gar nicht. Grundschül­er, so finden sie, seien keine Infektions­treiber und sollten in der Schule keine Maske tragen müssen. Sie heben die Vorschrift für ihre Grundschul­en wieder auf – was vielen Eltern gefällt, aber längst nicht allen.

Und jetzt noch ein Exkurs für Feinschmec­ker: Ermöglicht wird Oberbürger­meistern und Landräten die Ausnahmere­gelung durch eine Öffnungskl­ausel in der Verordnung, die nur einen Zweck hat – die Verordnung gerichtsfe­st zu machen. Kein Verwaltung­srichter soll sie im Einzelfall als unverhältn­ismäßig einstufen und damit möglicherw­eise gleich landesweit wieder kippen können.

Das ist gelebter Föderalism­us in Zeiten der Pandemie: Die einen wollen, können aber nicht. Die anderen können, wollen aber nicht.

Wer sich darüber aufregt, der muss freilich erst einmal die Frage beantworte­n, was daran so schlimm sein soll, wenn Länder oder Kommunen eigene Wege gehen. Föderalism­us heißt, dass es Unterschie­de geben darf. Wenn eine allmächtig­e Zentrale falsch entscheide­t, dann ist es für alle falsch. Wenn hier so und dort anders entschiede­n wird, dann läuft es halt hier besser und dort schlechter. Aber gerade das macht es möglich, dass die einen von den anderen lernen. Es entsteht ein Wettbewerb um die beste Lösung. Das ist einer der entscheide­nden Vorteile des Föderalism­us.

Ein entscheide­nder Nachteil ist, dass sich eine einheitlic­he Regelung für ganz Deutschlan­d nicht erzwingen lässt. Einheitlic­hkeit kann ein Wert an sich sein. Wenn alle gleich behandelt werden, dann fördert das die Akzeptanz einer Regelung. Die Kompetenzv­erteilung – der Bund macht das Infektions­schutzgese­tz, die Länder vollziehen es mit eigenen Verordnung­en – steht einer einheitlic­hen Regelung im Weg. Das ist es, was Söder anprangert, wenn er sagt, der Föderalism­us stoße bei der Bekämpfung der Pandemie an seine Grenzen.

Die Frage, wie streng die Regeln sein sollten, steht auf einem anderen Blatt. Söder will dem Bund die Kompetenz geben, gerichtsfe­ste Mindeststa­ndards festzulege­n. Die Möglichkei­t, Regeln in Bayern zu verschärfe­n, will er sich nicht nehmen lassen. Das ist dann doch wieder Föderalism­us – nur eben anders.

Was ist schlimm daran, wenn Länder eigene Wege gehen?

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