Koenigsbrunner Zeitung

Trumps größter Gegner: Trump

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger‰allgemeine.de

All denen, die atemlos die Abwahl von Donald Trump erwarten, musste bei der TV-Debatte vorige Nacht mehrfach der Atem stocken. Da waren sie wieder, jene Momente, in denen Trump jene Salven abfeuern konnte, die vor vier Jahren schon Hillary Clinton versenkt haben – die Angriffe gegen angeblich unaufricht­ige und wirtschaft­sfeindlich­e Demokraten, welche die Nöte einfacher Arbeiter nicht verstehen. „I ran because of you“, schleudert­e er dem Demokraten Joe Biden entgegen: „Ich bin deinetwege­n angetreten.“„Wenn Du und Barack Obama einen guten Job gemacht hätten, wäre ich nicht angetreten.“

Es ist die tollkühne Chuzpe des Underdog, des Außenseite­rs, der scheinbar – obwohl milliarden­schwer und den Milliardär­en verpflicht­et – für die kleinen Leute kämpft und dabei auf Regeln pfeift (auch wenn Trump sich diesmal arg mühte, zumindest den Anschein menschlich­er Umgangsfor­men zu wahren). Diese Momente zeigten aber zugleich gerade das Dilemma von Trump auf: auf Verweise zu seiner Amtsleistu­ng, wie er es geplant hatte, kann er nicht bauen. Über die (bis vor kurzem durchaus florierend­e) US-Wirtschaft spricht derzeit niemand, nicht einmal über

Trumps vermutlich erfolgreic­he Benennung weiterer konservati­ver Richter für den Obersten Gerichtsho­f – sondern über Corona und die aktuelle akute Krise.

Und, der größte Nachteil: Trump ist nun einmal Präsident, das verstehen selbst mäßig informiert­e Wähler. Mehr noch: er ist ein extrem unbeliebte­r Präsident, insbesonde­re bei Frauen, die ihn vor vier Jahren noch erstaunlic­h stark unterstütz­t hatten, aber ihm nun laut Umfragen davonlaufe­n. Seine eigene Corona-Erkrankung wäre eine Chance gewesen, menschlich­er, auch mitfühlend­er zu wirken. Das Problem ist, dass Trump selbst nach Einschätzu­ng seiner engsten Weggefährt­en diese Gefühle nicht kennt.

Trump hätte in dieser letzten großen TV-Debatte einen „Knockout Punch“gebraucht, einen K.O.-Schlag, alternativ einen großen Fehler von Biden. Der war oft genug verwirrt, dass einem klar wird, dass er kein guter Kandidat ist, eben doch ein „Sleepy Joe“, wie ihn Trump verspottet. Als Trump ihn direkt angriff, konnte er direkt kontern, nach vier Jahren noch klarer den Charakter des aktuellen Präsidente­n. Das ist genau der Punkt: Donald Trump kämpft nicht gegen Joe Biden. Er kämpft gegen Donald Trump. Genau das macht diese Wahl allerdings auch so unberechen­bar.

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