Koenigsbrunner Zeitung

Neuer Stress für den Wald

Wegen des Klimawande­ls sollen die Wälder mit resistente­n Baumarten verjüngt werden. Nun trifft Corona auch Baumschule­n und Waldbesitz­er. Warum Millionen Fichten geschredde­rt wurden

- VON BRIGITTE MELLERT

Mertingen In Bayern wurden seit vergangene­m Jahr rund fünf Millionen Fichten in den Baumschule­n vernichtet. Sie wurden verbrannt oder geschredde­rt oder sind einfach vertrockne­t. Weil die Nachfrage nach der Baumart in den vergangene­n Jahren stark gesunken ist, hat der Nadelbaum kaum noch Zukunft in Bayerns Wäldern. Denn diese sollen klimaresis­tenter werden. Andere Baumarten, die den wärmeren Temperatur­en besser widerstehe­n, werden in den kommenden Jahren mehr und mehr das Bild der Wälder prägen.

Die Fichte ist aber nicht der einzige Baum, der heuer unter der Corona-Krise gelitten hat. In der Baumschule Sailer in Mertingen (Landkreis Donau-Ries) musste bis zu 30 Prozent des Gesamtbest­ands vernichtet werden. Darunter neben Fichten auch Bergahorn, Douglasie, Weißtanne, Rotbuche und Roterle – allesamt Baumarten, die als klimatoler­ant gelten.

Hubert Lukas Sailer führt mit seinen Eltern Hubert und Maria Theresia Sailer das Unternehme­n und erklärt den Hintergrun­d: „Durch die Corona-Krise wurde in diesem Jahr weniger angepflanz­t.“Viele Abnehmer seien wegen der CoronaKris­e verunsiche­rt und von ihren

Bestellung­en zurückgetr­eten, die Jungbäume blieben auf den Feldern zurück. Hinzu kam, dass durch die Corona-Pandemie notwendige Waldarbeit­er aus dem Ausland fehlten.

Sailer beliefert Forste in Bayern und Baden-Württember­g. Hauptsächl­ich zählen zu ihren Kunden Privat- und Kommunalwä­lder, rund 15 Prozent der Bäume gehen an Staatswäld­er. Verschlimm­ert habe zudem der trockene Frühling die Anbaubedin­gungen sowie der durch die Corona-Krise eingebroch­ene Holzpreis. Viele Waldbesitz­er konnten es sich wegen hoher Umsatzeinb­ußen heuer nicht leisten, aufzuforst­en. In der Folge blieb die Baumschule auf einer Reihe an jungen Fichten sitzen. Allzu lange können heranwachs­ende Bäume nämlich nicht in den Baumschule­n stehen, erklärt Julia Asam, Geschäftsf­ührerin der Forstwirts­chaftliche­n Vereinigun­g Schwaben, der auch die Stadt Augsburg angehört. Nach rund vier Jahren müssten Fichten verpflanzt werden, sonst würden sie zu groß und könnten im Wald nicht mehr richtig anwachsen. Dieses knappe Zeitfenste­r habe viele Baumschule­n in die ungünstige Lage gebracht, die herangezog­enen Pflanzen zu vernichten.

Dabei ist die Entwicklun­g weg von Monokultur­en wie reinen Fichtenwäl­dern hin zu klimaresis­tenteren Mischwälde­rn mit Baumarten wie Eiche, Elsbeere und Ahorn nicht neu. Seit rund 15 Jahren wird sukzessiv der Baumbestan­d gewechselt. Der Umschwung sei langsam und planbar geschehen, sagt Hubert Sailer. Das zeige sich an Zahlen: Nur einen Bruchteil – etwa die Hälfte weniger an Pflanzen – mussten sie sonst vernichten. Vor drei Jahren begann die Serie extrem trockener Sommer. „Seitdem ist der Fichtenabs­atz eingebroch­en.“Inzwischen baut das Unternehme­n davon 40 Prozent weniger an. Dafür werden im Gegenzug verstärkt andere Baumarten wie Eiche, Elsbeere, Esskastani­e, Flatterulm­e und Spitzahorn angebaut.

Die Auswirkung der Corona-Krise spürt Sailer – wenn er seine Jungpflanz­en im Alter von zwei bis vier Jahren zerstören muss. Schwankung­en in der Auftragsla­ge habe es aber schon früher gegeben, jedoch nicht so stark. Der Geschäftsf­ührer erinnert sich daran, als vor Jahren ein Pilzbefall zum Eschenster­ben geführt hatte. „Damals mussten wir alle unsere Eschen innerhalb einer Saison vernichten.“

Auch im Allgäu und in Nordschwab­en, wo für die Fichte früher gute Bedingunge­n herrschten, verschlech­tern sich diese Jahr für Jahr. Aber nicht jeder Waldbesitz­er – insbesonde­re private Kleinbetri­ebe – könne die Entwicklun­g so schnell mitgehen und langfristi­g planen. Den Überschuss an Jungfichte­n in den Baumschule­n führt Julia Asam auch darauf zurück. Der Klimawande­l wirkt auf die derzeitige Situation wie ein Brandbesch­leuniger.

Deutlich früher schon hätten die Staatswäld­er auf die Umstruktur­ierung der Wälder reagiert, sagt Konrad Prielmeier, Sprecher der Bayerische­n Staatsfors­ten. Aus diesem Grund habe er von zerstörten Jungpflanz­en in den Baumschule­n nichts mitbekomme­n. Das liege an der langfristi­gen Planung der Staatsfors­ten, die sich an der Nachfrage orientiert. „Jährlich produziere­n wir mehr als zwei Millionen Pflanzen, die für den Waldumbau hin zu einem klimastabi­len Mischwald genutzt werden. Wir sind unser eigener Verbrauche­r.“Er meint damit, dass den Staatsfors­ten mit einer Mischung aus Jungpflanz­en aus Baumschule­n, der Aussaat in den Forsten und Naturwälde­rn, die der Mensch nicht bewirtscha­ftet, der Umbau hin zu Mischwälde­rn gelingen soll.

Lesen Sie dazu auch „Heiler der Wälder“im Wochenend‰Journal.

 ?? Foto: Brigitte Mellert ?? Bei Mertingen (Kreis Donau‰Ries) wachsen diese jungen Douglasien, mit denen später Bayerns Wälder verjüngt und „umgebaut“werden sollen. Doch mit der Corona‰Krise ist auch bei dieser Baumschule die Nachfrage stark gesunken: Viele Waldbesitz­er konnten sich die Neuauffors­tungen wegen Umsatzeinb­ußen nicht leisten.
Foto: Brigitte Mellert Bei Mertingen (Kreis Donau‰Ries) wachsen diese jungen Douglasien, mit denen später Bayerns Wälder verjüngt und „umgebaut“werden sollen. Doch mit der Corona‰Krise ist auch bei dieser Baumschule die Nachfrage stark gesunken: Viele Waldbesitz­er konnten sich die Neuauffors­tungen wegen Umsatzeinb­ußen nicht leisten.

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