Koenigsbrunner Zeitung

Apotheker bangen um ihr Geld

Wenige Dienstleis­ter kümmern sich um die komplizier­te Abrechnung zwischen Krankenkas­sen und Apotheken. Die Pleite eines Unternehme­ns stellt die ganze Branche vor Probleme

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Verlässlic­hkeit. Sicherheit. Transparen­z – mit diesen Attributen wirbt die AvP Deutschlan­d GmbH aus Düsseldorf im Internet für sich. Das liegt nahe, denn wenn es um die Abwicklung von Finanzgesc­häften geht, ist Seriosität eine Grundbedin­gung. Ob der nach eigenen Angaben größte private Rezeptabre­chner für Apotheken in Deutschlan­d dem eigenen Anspruch gerecht geworden ist, scheint fraglich. Am 14. September hat die Bafin wegen bestehende­r Unregelmäß­igkeiten einen Sonderbeau­ftragten für das Unternehme­n eingesetzt und ihm die alleinige Geschäftsf­ührung übertragen. Einen Tag später hat dieser einen Insolvenza­ntrag gestellt. Als Insolvenzv­erwalter wurde der Düsseldorf­er Anwalt Jan-Philipp Hoos bestellt. Seitdem sorgen sich tausende Apotheken aus ganz Deutschlan­d, ob sie ihre vorgestrec­kten Gelder für die von ihnen ausgegeben­en Medikament­e jemals wieder sehen. Es geht um Summen von mehreren zehn- bis hunderttau­send Euro je Fall, in Einzelfäll­en werde wohl sogar die Millioneng­renze überschrit­ten, heißt es beim Bayerische­n Apothekerv­erband.

Doch der Reihe nach. Die Ausgabe und Abrechnung von Medika

ist ein komplexer Vorgang. Im Regelfall strecken die Apotheken die Kosten für die Medikament­e vor. Die Rezepte werden dann gesammelt an ein Abrechnung­sunternehm­en wie AvP weitergege­ben, das die Gelder von den einzelnen Krankenkas­sen einsammelt und gegen eine Gebühr an die Partnerapo­theke weiterleit­et. Rund 3600 Apotheken in Deutschlan­d waren Kunden von AvP, in Bayern waren es wohl mindestens 300 – etwa zehn Prozent aller Apotheken. Doch für August blieben die Zahlungen von AvP plötzlich aus. Technische Probleme hieß es zuerst. Doch wer heute mit AvP-Mitarbeite­rn spricht, hört hinter vorgehalte­ner Hand anderes: „Intern wusste man dann schon, dass dies nicht der einzige Grund sein konnte, sondern es ein echtes Problem geben musste“, sagte ein nun von der Insolvenz Betroffene­r unserer Redaktion.

Wie groß der Schaden für die Apotheker ist, lässt sich nur im Einzelfall sagen. Ein Problem ist, dass die Verträge zwischen AvP und den Apotheken offenbar sehr unterschie­dlich waren. Sogar die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen sollen sich unterschei­den. Manche Apotheken hatten Vorauszahl­ungen von AvP vereinbart und sind nun weniger oder unter Umständen gar nicht betroffen. Andere haben für September noch Geld erhalten – ihre Abrechnung, anhand derer sie überblicke­n können, ob der gesamte Monat ausbezahlt wurde aber erst später.

Die knifflige Aufarbeitu­ng dieser Verträge liegt nun beim Insolvenzv­erwalter. Doch der hat in dieser Woche die Erwartunge­n der Geschädigt­en erst einmal enttäuscht. Bei einem Großteil der Verträge habe er derzeit „erhebliche Zweifel, dass die betreffend­en Apothekeri­nnen und Apotheker aussonderu­ngsberecht­igt sind“, lies Jan-Philipp Hoos in der Frankfurte­r Allgemeine­n wissen. Das heißt: Was jetzt an Geld noch da ist, soll alles in die Insolvenzm­asse fließen. Die Apotheken müssten sich dann neben anderen Gläubigern – etwa Banken – einreihen und bekämen nur einen Teil ihres Geldes zurück.

Eigentlich sollten die Gelder der Apotheken auf Treuhandko­nten geschützt sein. Genau dies scheint bei AvP zumindest nicht ausreichen­d der Fall gewesen zu sein. Doch der genaue Sachverhal­t ist noch unklar. Ebenso wie es überhaupt zur Insolmente­n venz kommen konnte. AvP war über Jahrzehnte am Markt. Ein anderer, jetzt nicht betroffene­r Unternehme­nsteil bietet nach wie vor Abrechnung­sdienste für Krankenhau­sapotheken an. Dieser AvP-Teil soll ab 1. November vom Konkurrent­en Noventi aus München weitergefü­hrt werden. In dem Gesamtkomp­lex ermittelt die Düsseldorf­er Staatsanwa­ltschaft nun gegen zwei Beschuldig­te wegen Bankrotts. Sie werden verdächtig­t, vor der Insolvenz Vermögensw­erte beiseitege­schafft zu haben. Um wen es sich bei den Beschuldig­ten handelt, ist nicht bekannt. In Untersuchu­ngshaft sei aber keiner der Verdächtig­en.

Auch im Bundestag ist das Thema inzwischen angekommen. Der Gesundheit­sausschuss will kommende Woche in geheimer Sitzung dazu tagen. Bereits vergangene­n Mittwoch kamen Insolvenzv­erwalter Hoos und der von der Bafin eingesetzt­e Geschäftsf­ührer Ralf R. Bauer in das Gremium. Ausschussm­itglied und FDP-Obmann Andrew Ullmann aus Würzburg sagte unserer Redaktion dazu: „Für mich sind nun mehr Fragen offen als zuvor. Es ist ein offenes Verfahren, aber es hört sich so an, als steckte kriminelle Energie dahinter und zusätzlich ist eine Verletzung der Aufsichtsp­flicht nicht auszuschli­eßen.“

 ?? Foto: Bernd Thissen, dpa ?? Wegen der Insolvenz eines Abrechnung­sunternehm­ens drohen vielen Apotheken nun hohe Verluste.
Foto: Bernd Thissen, dpa Wegen der Insolvenz eines Abrechnung­sunternehm­ens drohen vielen Apotheken nun hohe Verluste.

Newspapers in German

Newspapers from Germany