Er kämpft gegen Plastikmüll in Augsburgs Kanälen
Das verzweigte Kanalsystem der Stadt ist Teil des Unesco-Welterbes. Doch immer wieder landet Abfall im Wasser. Ein Kraftwerksbetreiber will das ändern und hat Mitstreiter bei der Stadt gefunden.
Spätestens seit der Ernennung zum Unesco-Welterbe sind auch die Augsburger Kanäle stärker in den Blickpunkt gerückt. Augsburg ist stolz auf die verzweigten Fließgewässer und die 530 Brücken, die darüber hinweg führen. Doch alle Wasserbegeisterung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kanäle häufig als Abfalleimer missbraucht werden – teils aus Unachtsamkeit, häufig mit Vorsatz. Aus diesem Grund hat sich jetzt eine Allianz aus Bürgern, Verwaltung und Politik zusammengefunden, die den Schutz der Kanäle voranbringen – und Umweltsündern das Handwerk legen will.
Wenn Karl Ketterl den Deckel seiner Gelben Tonne am Kraftwerk am Hanreibach hebt, ist der 1200-Liter-Behälter berstend voll mit Plastikmüll und anderen Zivilisationshinterlassenschaften. Plastikflaschen liegen neben Verpackungen von Schokoladenriegeln und Stieleis, Styroporkügelchen und Plastiktüten. Was aussieht wie der Müll eines großen Haushalts, ist das Schwemmgut einiger Tage aus dem Kanal. „Natürlich werfe ich nur in die Gelbe Tonne, was auch hineingehört“, sagt Ketterl. Volle Hundekotbeutel beispielsweise, die er regelmäßig aus dem Wasser fischt, landen im Restmüll.
Jeden Tag steht Ketterl eine Stunde am Rechen seines Kraftwerks, und fischt mit der Hand heraus, was sich an Plastik- und anderem Müll verfangen hat. Er könnte auch einfach einen Schieber an seinem Kraftwerk umlegen, und das Material zum Nachbarn weitertreiben lassen – doch das käme dem Umweltschützer nie in den Sinn. Ketterl hat mit einigen Gleichgesinnten die „Schutzgemeinschaft zur Reinhaltung der Gewässer und Kanäle in Augsburg“gegründet, die „Lobbyarbeit für sauberes Wasser in und um Augsburg“betreibt.
Als Kraftwerksbetreiber ist Ketterl verpflichtet, Schwemmgut aus seinem Rechen auf eigene Kosten zu entsorgen. Doch was in den Rechen gelangt und was am Kraftwerk vorbeigeleitet wird, hat er selbst in der
Hand. An diesem Tag ist der Schaum an der Anlage mal wieder voller Styroporkügelchen. Regelmäßig gelangt das Material von Baustellen in den Hanreibach und wird auf dem Weg zum Kraftwerk zu kleinsten Kügelchen zerrieben. Die bekommt selbst Ketterl nur schwer aus dem Wasser. Sie machen sich auf den Weg in Schwarze Meer – jeden Tag sind es 4,2 Tonnen Plastik, die über die Donau im Meer landen, hat der Ketterl recherchiert.
Der Wasserschützer ist mit seinen Meldungen beim Augsburger Ordnungsamt und der Umweltbehörde bekannt. Immer wieder macht er darauf aufmerksam, wenn mal wieder größere Mengen Müll von einer Baustelle angeschwemmt werden. Den Verursacher zu finden, sei fast unmöglich, sagt er. Wenn die Täter nicht gerade auf frischer Tat erwischt würden, sei der Nachweis schwierig.
Doch mittlerweile findet der Streiter für saubere Kanäle bei der Stadt offene Ohren. Zuletzt gab es ein Treffen, an dem Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU), Umweltamtschef Hans Peter Koch und Augsburgs Dritter Bürgermeister Bernd Kränzle (CSU) teilnahmen. Auch Vertreter des Abfallwirtschaftsbetriebs der Stadt (AWS) und der Vereinigung Bayerischer Wasserkraftwerke waren dabei.
„Wir stehen mit unseren Kanälen hervorragend da, sonst wären wir sicher nicht Welterbe geworden“, sagt Kränzle. „Aber wir müssen auch alles tun, damit unsere Gewässer weiterhin den Standards des Weltkulturerbes entsprechen.“Plastikmüll und Styropor gehöre nicht ins Wasser. Die Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Kanäle frei von Müll zu halten.
Wie das geschehen soll, darüber gab es bei den Teilnehmern aber unterschiedliche Vorstellungen. Von konkreten ordnungsrechtlichen Maßnahmen bis zu Kampagnen in der Bevölkerung und Grundlagenarbeit beispielsweise in Schulen reichten die Ideen. So glaubt Stadtrat Josef Hummel (CSU), dass das Grundproblem in der Erziehung der letzten Jahrzehnte liegt. „Das Abfallproblem betrifft nicht nur die Kanäle, sondern die ganze Stadt“, ist er überzeugt. „Ob der Müll auf dem Rathausplatz landet oder im Wasser – das gehört sich einfach nicht.“
Um aus den Ideen ein umsetzbares Konzept zu erstellen, soll in nächster Zeit ein Expertentreffen mit den Beteiligten und weiteren Umweltexperten stattfinden, so Kränzle. Kurzfristig könne man mit einfachen Maßnahmen wie weiteren Müllbehältern entlang der Kanäle reagieren. Doch um das Müllproblem ernsthaft anzugehen, brauche es umfassende Maßnahmen. Das gehe so weit, dass man auch prüfen müsse, inwieweit Gesetzesänderungen im Landtag auf den Weg gebracht werden könnten, auch um die Kraftwerksbetreiber für ihren Mehraufwand zu entschädigen.
Damit sich auch der Augsburger Stadtrat mit dem Thema befassen kann, sollen schnellstmöglich abgestimmte Vorschläge erarbeitet werden, sagt Kränzle. Allerdings – auch hier scheint die Corona-Pandemie bremsend zu wirken. Ein für Ende Oktober angedachtes Treffen wurde mit Verweis auf die steigenden Infektionszahlen abgesagt, so Kraftwerksbetreiber Ketterl. Er hofft, dass das Thema nicht ein weiteres Mal von der Stadt auf die lange Bank geschoben wird. »Kommentar