Koenigsbrunner Zeitung

„Tränchen in den Augen“

David Garrett ist 40 und spielt Beatles, Stones und Metallica. Er spricht über seinen Umgang mit Corona und verrät, wen er in den USA wählt

- DORIS WEGNER Interview: Steffen Rüth

Ihre Mutter ist US-Bürgerin, Sie haben neben der deutschen auch die amerikanis­che Staatsange­hörigkeit. Werden Sie bei der Präsidents­chaftswahl Ihre Stimme abgeben? David Garrett: Selbstvers­tändlich. Ich gehe immer wählen, das ist mir sehr wichtig.

Trump oder Biden?

Garrett: Sagen wir mal so: Ich bin ein Freund von Veränderun­g. Gerade nach den vergangene­n vier Jahren.

Hätte Ihr neues Album eigentlich auch ohne Corona „Alive“, also „Lebendig“geheißen?

Garrett: Ja, das hätte es. Ich wollte von Anfang an ein fröhliches Album herausbrin­gen. Es sollte durch und durch positiv sein. Musik ist für mich etwas, das Spaß macht. Man kann sie in Gemeinscha­ft genießen, aber eben auch alleine. Ich will mit meinen Stücken so ein bisschen Lebensfreu­de für den Moment schaffen. Das gilt immer, aber in dieser für viele von uns sehr schwierige­n und schwermüti­gen Situation gilt es erst recht.

Wann haben Sie Ihr letztes Konzert gespielt?

Garrett: Das war im Januar in Abu Dhabi. Für mich hat diese ganze Situation immer noch etwas Ungreifbar­es. Für Nichtwisse­nschaftler wie mich ist es schwierig, sich eine neutrale Meinung darüber zu bilden, ob die Einschränk­ungen richtig sind. Ich vertraue den Menschen, die das beruflich machen und halte mich an die Vorgaben.

Sie haben auch eine Wohnung in New York. Waren Sie seit Corona schon mal wieder dort?

Garrett: Nein. Ich war im Februar in Deutschlan­d und bin dann auch nicht mehr in die USA geflogen. Meine einzigen Auslandsre­isen seitdem gingen nach Holland ins Studio und im Sommer war ich für zwei Wochen mit meiner Mutter auf Mallorca. Spätestens gegen Ende des Jahres würde ich aber gern in die USA fliegen, um meinen Bruder und seine Familie zu besuchen. Ich habe sie seit zehn Monaten nicht mehr gesehen.

Lebt Ihr Bruder auch in New York? Garrett: Upstate New York, also nördlich von der Stadt. Er lebt dort seit Jahren auf dem Land mit seiner Frau und zwei Kindern.

Wäre das für den umtriebige­n David Garrett auch mal ein Lebensmode­ll? Garrett: Ich habe meine Neffen unglaublic­h gern. Es macht mir Riesenspaß, mit denen Zeit zu verbringen. Eine eigene Familie zu haben, ist sicherlich ein Zukunftsmo­dell, das ich mir vorstellen kann. Das wäre ja auch merkwürdig, wenn ich sagen würde, ich möchte mein Leben lang Junggesell­e bleiben. Ich habe definitiv einen großen Familiensi­nn. Es muss halt nur passen.

Hatten Sie das Album bereits eingespiel­t, als es zum Stillstand kam? Garrett: Nein, ich habe im Frühjahr erst mit den Aufnahmen angefangen. Mit viel Zeit, Geduld und Freu

Jde habe ich mich mit meinem Produzente­n Franck von der Heijden darüber ausgetausc­ht, was wir aufnehmen möchten. Wir haben anfangs viel übers Internet kommunizie­rt, uns aber später auch zum Arbeiten in seinem Studio getroffen.

Worauf kam es euch besonders an? Garrett: Mir war die Orchestrie­rung sehr wichtig. Ich habe extrem viel Musik gehört im letzten halben Jahr, wirklich alles querbeet und auch ganz viel Klassik. Besonders Beethoven war eine Inspiratio­nsquelle, die ich in meine Bearbeitun­g von Crossover habe einfließen lassen.

Wie das?

Garrett: Ich will mich jetzt nicht mit Beethoven messen, aber dieses Umtriebige, der Wunsch, immer etwas Neues zu schaffen, sich von der Norm zu entfernen und seinen eigenen Kopf durchzuset­zen, der eint nicht nur uns beide, sondern alle Musiker, die versuchen, sich immer wieder zu verändern und stetig zu verbessern. Mir ist es wichtig, zwischen den Grenzen zu spielen, mal ein Klassikalb­um zu machen und dann wieder Crossover. Mein erster Gedanke ist es nicht, kommerziel­l erfolgreic­h zu sein, sondern etwas zu erschaffen, was mir selbst Spaß macht beim Spielen. Wenn es sich noch gut verkauft, ist es doppelt schön.

Das Album beginnt mit „Stayin’ Alive“von den Bee Gees. Was verbindet Sie mit dem Disco-Klassiker? Garrett: Das ist eine tolle Nummer, die für die Geige wunderbar funktionie­rt. Wir haben das Tempo noch ein bisschen angezogen. Ich finde, ein Album muss mit einem Knall anfangen. Die erste Nummer muss richtig sitzen.

Wie ist es um Ihre eigenen Tanzfähigk­eiten bestellt?

Garrett: Mäßig. Tanzen ist Lebensfreu­de. Egal, ob man es gut oder schlecht kann. Hauptsache, man bewegt sich und tut seinem Körper was Gutes.

Sie spielen eine sehr bunte Mischung von Songs, etwa „Imagine“und „Come Together“von den Beatles oder a, ich finde schon, dass man wütend sein darf. Was ist eigentlich so schwer daran, sich wenigstens für eine gewisse Zeit zurückzune­hmen? All dies, was wir jetzt in Kauf nehmen müssen, ist nicht für die Ewigkeit. Wer angesichts der Zahlen in Deutschlan­d und der Entwicklun­g in den anderen Ländern Europas noch immer nach dieser Ach-wird-schongut-gehen-Mentalität lebt, befindet sich entweder im Tal der Ahnungslos­en oder auf einem anderen Stern. Schön, wenn man sich um niemanden kümmern oder sorgen muss.

Wenn ich nun also Hotelier in Berchtesga­den wäre und zum zweiten Mal in diesem Jahr meine Gäste hätte nach Hause schicken müssen, nur weil ein paar Leute gedacht haben, dass man a bisserl Party scho machen könnte, dann wäre ich schon sehr wütend. Wieder Einnahmeau­sfälle, wieder Sorgen, wie lange wohl die Mitarbeite­r bezahlt werden können, schon

Michael Jacksons „Thriller“. Sind das alles Lieblingss­ongs von Ihnen? Garrett: Absolut. Gerade die Beatles haben wirklich wunderbare Melodien, vielleicht die besten überhaupt. Bei deren Liedern wusste ich auch direkt, dass die Umsetzung für mich und mein Instrument funktionie­rt.

Welche Stücke waren die komplexest­en?

Garrett: „Paint It Black“von den Rolling Stones war eine große Anstrengun­g, vor allem auch wegen Strawinsky­s „Feuervogel“in der Mitte. Und auch „Enter Sandman“von Metallica war knifflig mit der großen Orchestrie­rung.

Ein paar romantisch­e Nummern sind auch dabei, etwa „Shallow“aus „A Star Is Born“. Haben Sie einen Hang zu melodramat­ischen Filmen? Garrett: Ja, also manchmal muss es auch was fürs Gefühl sein. Ich liebe gute Disney-Filme, und bei „A Star Is Born“standen auch mir ein paar Tränchen in den Augen.

Sie sind Anfang September 40 geworden. Fühlt sich das eigentlich anders an? Garrett: Als 39 (lacht)? Nein, überhaupt nicht. Bis jetzt ist alles im grünen Bereich. Ich hatte an meinem Geburtstag ein bisschen Familie und Freunde zusammenge­trommelt, was Schönes zu essen organisier­t und danach bei mir zu Hause in Berlin noch einen Absacker getrunken. Ich habe mich wirklich gefreut, mal wieder ein paar Menschen zu sehen, die ich zuletzt nicht so häufig gesehen habe. In den vergangene­n Monaten habe ich doch auch sehr viel Zeit mit mir alleine verbracht.

Auch mit 40 ist Ihre wallende Mähne dein Markenzeic­hen. Werden Sie zu Ihren Lebzeiten wohl noch eine Kurzhaarfr­isur haben?

Garrett (lacht): Nur, wenn sie mir ausfallen. Dann schneide ich sie ab.

Tun sie aber nicht, oder?

Garrett: Bis jetzt noch nicht. Bei meinem Papa fing es mit Mitte 20 an, dünner zu werden. Bei mir dagegen stehen die Chancen gut. Ich habe wohl das volle Haar meines Großvaters geerbt.

meldet oder einer aus dem Bekanntenk­reis über eine positive Testung informiert. Wen hat man letztlich nicht doch alles getroffen? Schon direkt! Und dann noch zusätzlich indirekt über das Kind in Kita oder Schule oder über die Kollegen? Es soll Menschen geben, die ein CoronaTage­buch führen. Die jedenfalls haben dann vor Augen, wie schnell man selbst unversehen­s zum Spreader wird. Die Übergänge zur Fahrlässig­keit sind da also eher fließend. Und ein Urteil, das Schuld zuweist, fällt allzu leicht auf einen selbst zurück.

Am schnellste­n sind die meisten ohnehin dabei, gegen die ach so unverständ­ige Jugend zu wettern. Als hätten sie vergessen, wie viel essenziell­er das Soziallebe­n für die noch ist, wie viel schmerzlic­her also noch eine vor allem dauerhafte Beschränku­ng ist. Das ändert freilich nichts an der faktischen Einschätzu­ng, aber hoffentlic­h am Ton des Umgangs.

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 ?? Fotos: Wolfgang Kumm/dpa, Universal ?? Seine Karriere
Eigentlich heißt er ja David Christian Bongartz, geboren am 4.9.1980 in Aachen, der Vater deutscher Jurist und Geigenaukt­ionator, die Mutter US‰Primaballe­rina. Be‰ reits mit zwölf erhielt er seinen ersten Plattenver­trag, noch ganz klassisch – später aber wurde das Crossover sein Markenzeic­hen, dass der zeitweise schnellste Gei‰ ger der Welt auch Pop‰ und Rocksongs mit der Violine einspielt.
Fotos: Wolfgang Kumm/dpa, Universal Seine Karriere Eigentlich heißt er ja David Christian Bongartz, geboren am 4.9.1980 in Aachen, der Vater deutscher Jurist und Geigenaukt­ionator, die Mutter US‰Primaballe­rina. Be‰ reits mit zwölf erhielt er seinen ersten Plattenver­trag, noch ganz klassisch – später aber wurde das Crossover sein Markenzeic­hen, dass der zeitweise schnellste Gei‰ ger der Welt auch Pop‰ und Rocksongs mit der Violine einspielt.
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