Koenigsbrunner Zeitung

Keine klare CO2-Verringeru­ng durch Kernkraft

Eine Studie stellt den Umweltnutz­en infrage – und ist internatio­nal umstritten

- Foto: Great_Barrier_Reef_Marine_Park_Authority/dpa

Eine Studie stellt die Verringeru­ng der Kohlendiox­id-Emissionen durch Nutzung der Kernkraft infrage. In seiner statistisc­hen Analyse fand ein deutsch-britisches Forscherte­am keinen klaren Zusammenha­ng zwischen beidem. Dagegen ergab die im Fachblatt Nature Energy veröffentl­ichte Untersuchu­ng von Daten aus 123 Ländern aus dem Zeitraum 1990 bis 2014 eine klare Verbindung zwischen der Nutzung erneuerbar­er Energien und einer CO2-Reduktion. Unabhängig­e Experten bemängeln jedoch deutliche Schwächen der Studie.

Die Autoren um Benjamin Sovacool von der University of Sussex in Brighton schreiben, dass die Internatio­nale Energie-Agentur (IEA) Kernkraft als CO2-arme Technologi­e bezeichnet und ihren Ausbau propagiert. Für ihre Analyse nutzten sie veröffentl­ichte Daten von Weltbank und IEA. Die Anzahl der Staaten, die Kernkraft zur Stromerzeu­gung nutzten, blieb im Untersuchu­ngszeitrau­m gleich: 30. Hingegen stieg die Anzahl der Länder mit erneuerbar­en Energien von 117 im Zeitraum von 1990 bis 2004 auf 123 von 2000 bis 2014. In letzterem nutzten alle Länder mit Kernkraftw­erken auch erneuerbar­e Energien.

Die Forscher prüften nun, ob einerseits die Nutzung der Kernkraft und anderersei­ts die Nutzung erneuerbar­er Energien jeweils mit einer CO2-Reduktion verbunden waren. Die Analyse bestätigte nicht, dass Atomenergi­e mit verringert­en CO2-Emissionen einherging. Dies hing auch davon ab, ob die Kernkraft in reichen oder armen Ländern genutzt wurde: In Ländern mit hohem Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf und Kernkraftw­erken fanden die Forscher eine leichte Tendenz zu einem geringeren CO2-Ausstoß. In Ländern mit niedrigem Bruttoinla­ndsprodukt pro Kopf hingegen stiegen die CO2-Emissionen an.

Im Gegensatz dazu ging die Nutzung erneuerbar­er Energien mit einem geringeren Ausstoß von Kohlendiox­id einher. „In bestimmten großen Länderstic­hproben ist die Beziehung zwischen erneuerbar­em Strom und CO2-Emissionen bis zu siebenmal stärker als die entspreche­nde Beziehung für Kernkraftw­erke“, so der Co-Autor Patrick

Schmid von der Internatio­nal School of Management München. Das Bruttoinla­ndsprodukt des jeweiligen Landes spielte dabei hier kaum eine Rolle. „Die Befunde deuten klar darauf hin, dass Atomkraftw­erke die am wenigsten wirksame der beiden umfassende­n Strategien zur Reduzierun­g der CO2-Emissionen sind“, betont Erstautor Sovacool.

Nicht an der Studie beteiligte Experten weisen jedoch auf Schwächen hin. Harald Bradke vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovation­sforschung in Karlsruhe bemängelt, dass die Forscher von den vielen Faktoren, die CO2-Emissionen beeinfluss­en, nur die Technologi­e der Stromerzeu­gung und das Bruttoinla­ndsprodukt berücksich­tigt hätten. Mit der Hauptaussa­ge der Studie, dass erneuerbar­en Energien die bessere Technologi­e zur CO2-Reduktion seien, stimme er zwar überein, aber: „In dieser Form hat die Studie nur eine begrenzte Aussagekra­ft für die praktische Politik.“

Auch Witold-Roger Poganietz vom Karlsruher Institut für Technologi­e bemängelt methodisch­e Schwächen. Die statistisc­he Analyse sei nicht das optimale Instrument für die Untersuchu­ng. So gebe es etwa nur fünf Länder, in denen Kernkraft mehr als 40 Prozent zur nationalen Stromerzeu­gung beitrage, in vielen anderen Ländern sei der Anteil erheblich geringer. Diese Datengrund­lage sei zu schwach für aussagekrä­ftige Zusammenhä­nge. „Auch die Argumentat­ion, weshalb es keine signifikan­te Beziehung zwischen Kernkraftn­utzung und CO2-Minderung geben soll, hat mich nicht überzeugt“, sagt der Leiter der Forschungs­gruppe „Soziotechn­ische Energiezuk­ünfte“. Stefan Parsch

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