Koenigsbrunner Zeitung

Hilfe, mein Kind blamiert mich

- ERZIEHUNGS­TIPPS AUS DEM FAMILIEN‰ALLTAG

„Mami, warum hat die Frau einen Bart?“– „Die Tante stinkt“… Es sind Momente, da wünscht man sich so etwas wie einen Tarnumhang, un‰ ter dem man verschwind­en kann, um bei‰ spielsweis­e nie mehr der Bäckereive­rkäuferin mit Oberlippen­behaarung in die Augen sehen zu müssen, die stumm die Brötchen in die Tüte packt. Das Kind aber steht neben einem, fühlt sich doch keiner Schuld bewusst, wartet auf Antwort.

Beim Feinkost Discounter an der Kasse sagt mein Dreijährig­er zu der eher älteren Mitbürgeri­n: „Du weißt schon, dass Du auch bald stirbst?“Und beim italienisc­hen Großhändle­r, der gerade mit dem Gabelstapl­er Olivenöl ablädt, zitiert er seine Lieblingss­zene aus Mein Partner mit der kalten Schnauze: „In diesem Lagerhaus sind Drogen versteckt – ich weiß es und ihr wisst es auch!“Wie gehe ich dann um mit diesem Gefühl des „Fremdschäm­ens“? Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er schon recht hat, dass die Frau bald stirbt und ich mir sicher bin, dass sie es auch weiß (weil sie gefühlte 100 Jahre alt war), aber man Menschen nicht immer an Dinge erinnern muss, die sie gar nicht so gerne hören – weil es sie traurig macht. Und dass er sich immer vorstellen muss, ob es ihm gefallen würde, wenn ein Fremder – auch wenn es ein Kind ist – sagt, „Deine Mama ist aber dick“, „Dein Papa ist alt“, „Dein Hund stinkt“und „Deine Oma stirbt auch bald“. Silke, Steuerfach­frau, ein Sohn, 12

Ehrliche Fragen, ehrliche Antworten. Warum stinkt die Tante? Weil es Gerüche gibt, die man nicht mag. Aber nicht alles, was für meine Tochter stinkt, stinkt auch für mich. Warum hat die Frau einen Bart? Auch mir wachsen z. B. Haare aus einem Leberfleck. Die Erklärung ist meist einfach. Ich hab immer versucht, alles zu erklären – und meistens ist es nicht schlimm. Es hat sich noch nie jemand auf den Schlips getreten gefühlt. Sybille, Projektman­agerin, eine Tochter, 14

Kann ein Kind wirklich einen Erwachsene­n blamieren? Einmal sagte mein Sohn in Anwesenhei­t seiner Großmutter: „Die Oma ist hässlich.“Mein Sohn hatte es aus einer Geschichte, in der sich ein Marienkäfe­r den anderen Tieren gegenüber „hässlich“vor der Arbeit drückt. Es war also nicht Omas Aussehen gemeint, sondern ihre Strenge, die meinem Sohn nicht behagte. Gut, dass die Großmutter einen gesunden Menschenve­rstand hat und nach dem Motto lebt: „Wer mich beleidigt, bestimme ich!“Raphaele, Romanistin, zwei Söhne, 5 und 9

» Auch Sie haben eine Er‰ ziehungsfr­age? Schreiben Sie an Familie@augsburger‰ allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Weg‰ ner und Stefanie Wirsching, beide Mütter und Autorinnen des Buches „Supermütte­r“(www.augsburger‰allgemei‰ ne.de/shop).

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