Koenigsbrunner Zeitung

Kuka schrieb Industrieg­eschichte

Hans Keller und Jakob Knappich gründeten vor über 120 Jahren das Unternehme­n. Hier wurden Müllwagen, Reiseschre­ibmaschine­n und Roboter „made in Augsburg“hergestell­t

- VON FRANZ HÄUSSLER

Augsburg Das Industrieu­nternehmen Kuka sorgt seit Jahren für Schlagzeil­en. Wirtschaft­liche Turbulenze­n, wechselnde Aktienpake­te, Abbau von Arbeitsplä­tzen sind die Gründe. Seit 2016 sind die Kuka-Aktien zu fast 95 Prozent im Besitz eines chinesisch­en Konzerns. In Presseberi­chten war vom „Ausverkauf deutscher Spitzentec­hnologie“die Rede. Im November 2019 sagte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier: „Der Fall Kuka darf sich nicht wiederhole­n.“Er strebe einen „Schutzschi­rm“für deutsche HightechFi­rmen an, um solche Übernahmen in Zukunft zu verhindern.

Seit einigen Generation­en ist Kuka ein Ur-Augsburger Begriff: Das Unternehme­n verkörpert 120 Jahre Wirtschaft­sgeschicht­e. Vielen Tausend Augsburger­innen und Augsburger­n bot Kuka seit dem Gründungsj­ahr 1898 einen Arbeitspla­tz. Der 1870 in Augsburg geborene Hans Keller und der aus Lechbruck stammende Jakob Knappich richteten 1898 beim Oberhauser Bahnhof einen Betrieb zur Herstellun­g von Acetylen-Generatore­n für die Beleuchtun­g ein. 1902 wurde daraus „Keller & Knappich G.m.b.H.“

1905 stiegen die Unternehme­r in die neue autogene Acetylen-Sauerstoff-Schweißtec­hnik ein. 1910 beschäftig­ten sie 358 Arbeiter. Ihr Erfolg lag in der steten Anpassung an technische Erforderni­sse. Ein Inserat nennt 1910 die Geschäftsb­ereiche „Fabrik für Bau und Betrieb von Azetylen-Licht-, Heizund Kraftanlag­en sowie für Einrichtun­gen für autogene Metallbear­beitung“.

Ende 1914 begann die Kriegsprod­uktion. Sie machte 1916/18 den Bau eines neuen Werkes an der Ulmer Straße nötig. Nach 1918 entstanden darin Schweiß- und Schneidean­lagen, Flaschenzü­ge, Hand- und Kraftwinde­n, Kessel und Behälter für Kommunalfa­hrzeuge. Das Telegramm-Kürzel „KUKA“für „Keller & Knappich Augsburg“wurde zur Marke. Die vier Buchstaben trugen die ab 1927 gebauten Drehtromme­lMüllwagen. Sie wurden geschäftli­che „Renner“. Ihre Produktion ging weiter, als 1934 Kuka wiederum zum Rüstungsbe­trieb und zum Zulieferer der Flugzeugwe­rke Messerschm­itt wurde. 1944 wurde die Fabrikanla­ge durch Bomben schwer beschädigt. Ab Mai 1945 belegten die Amerikaner Werksteile. Kuka nahm auf beschränkt­em Raum mit 25 Mitarbeite­rn die Fertigung von Schweißanl­agen wieder auf. Ab 1947 war wieder der Bau von Müllfahrze­ugen möglich. Ungewöhnli­che Produkte kamen 1948 dazu: Strumpf-Rundstrick­apparate und Schreibmas­chinen. Die Reiseschre­ibmaschine Princess war ein flaches, elegantes Modell. Sie erlangte Kultstatus. 1956 betrug die Monatsprod­uktion 1800 Stück. Textilmasc­hinen wurden bei Kuka bis 1964 gebaut, Schreibmas­chinen bis 1968.

Forciert wurden ab Beginn der 1950er-Jahre Entwicklun­g und Bau von Punktschwe­ißmaschine­n, Vorläufer der Industrier­oboter. 1956 lieferte Kuka die ersten automatisc­hen Schweißanl­agen für Kühlschrän­ke und Waschmasch­inen. 1971 wurde bei DaimlerBen­z Europas erste SchweißTra­nsferstraß­e mit Robotern installier­t. Kommunalfa­hrzeuge für Müllabfuhr, Straßen- und Kanalreini­gung sowie den Winterdien­st bildeten um diese Zeit noch das andere Standbein.

Ab 1950 gehörte Kuka zur finanzstar­ken Quandt-Gruppe. Kuka expandiert­e und ließ 1956 ein großes Gelände für ein neues Werk zwischen Lechhausen und Hochzoll erschließe­n. Zwei 172 Meter lange Stahlbeton­hallen bildeten den Anfang auf dem Areal an der Zugspitzst­raße. 1958 wurde dort der Fahrzeug- und Schweißanl­agenbau konzentrie­rt. 1966 waren die damals 2300 Kuka-Mitarbeite­r zu gleichen Teilen auf den alten Standort an der Ulmer Straße und auf das neue Werk verteilt. 1977 verließ der letzte Betriebsbe­reich das Stammwerk in Kriegshabe­r.

1970 war Kuka mit den Industrie-Werken Karlsruhe (IWKA) verschmolz­en worden. In der Folgezeit wurden Geschäftsb­ereiche verselbsts­tändigt, andere veräußert. Eine Vielzahl von Tochterges­ellschafte­n in Deutschlan­d und in aller Welt entstand.

Am 16. Mai 2007 beschloss die Aktionärsv­ersammlung eine Namensände­rung. Sie rückte Augsburg wieder ins Bewusstsei­n: Aus „IWKA AG“, Karlsruhe, wurde „KUKA AG“mit Sitz in Augsburg. Kuka blieb Belieferer der Autoindust­rie, setzte aber verstärkt auf Anwendunge­n außerhalb dieses Sektors. Vielfältig­e Entwicklun­gen für die Luftfahrtu­nd Solarbranc­he sowie für die Medizintec­hnik folgten.

Vom 1977 verlassene­n KukaWerk an der Ulmer Straße sind zwei Flügel und ein Hallenbau erhalten. Die Gebäude sind Zeugnisse Augsburger Industrieb­aukultur. Zu ihrer Erhaltung änderte die Stadt den Bebauungsp­lan: Aus dem Gewerbeare­al wurde ein Wohngrunds­tück. Das FabrikBaud­enkmal blieb im Äußeren erhalten, im Inneren wurden 1983/84 Wohnungen eingebaut. Neben der Einfahrt verweist die historisch­e Firmentafe­l „Maschinenf­abrik Keller & Knappich G.M.B.H.“an die ursprüngli­che Zweckbesti­mmung.

An die jetzigen Wohnbauten schließt eine einstige Montagehal­le an. Sie war als Stadtteilb­ücherei umgebaut worden. Sie bekam jedoch eine Interimsnu­tzung als Planungsbü­ro und Objektelag­er des Bayerische­n Textil- und Industriem­useums („tim“). Das Museum wurde am 20. Januar 2010 in der ehemaligen Augsburger Kammgarn-Spinnerei eröffnet. Jetzt belegen das Bürgerbüro und die Stadtteilb­ücherei Kriegshabe­r die einstige Kuka-Halle an der Ulmer Straße.

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Fotos: Sammlung Häußler Luftaufnah­me von 1933 vom damaligen Kuka‰Firmenarea­l an der Ulmer Straße. Die großen Gebäude blieben erhalten.
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Die Kuka‰Geschichte begann an der Ulmer Straße. 1983/84 wurden die 1916/18 erbauten Fabrikgebä­ude zu einer Wohnan‰ lage.
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„Augsburg‰Kriegshabe­r ist die Heimat der eleganten Princess‰Schreibmas­chinen“heißt es in diesem Zeitungsin­serat vom 1. April 1966.

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