Koenigsbrunner Zeitung

Weniger Jobs bei Amazon?

Im Logistikze­ntrum in Graben sollen künftig Roboter bei der Paketabfer­tigung helfen. Die Gewerkscha­ft Verdi befürchtet, dass zwei Drittel der Beschäftig­ten ihren Arbeitspla­tz verlieren könnten

- VON FELICITAS LACHMAYR

Im Logistikze­ntrum von Amazon in Graben sollen künftig Roboter helfen. Die Gewerkscha­ft Verdi befürchtet, dass viele Beschäftig­te ihre Jobs verlieren.

Graben Die Gewerkscha­ft Verdi warnt vor einem massiven Stellenabb­au bei Amazon in Graben. Grund dafür ist die Einführung eines Roboter-Systems, das künftig bei der Abfertigun­g der Bestellung­en helfen soll. 150 Millionen Euro investiert der Versandrie­se nach eigenen Angaben in den Ausbau. Zwar sprach der Konzern bei der Bekanntgab­e im Sommer noch von einem langfristi­gen Wachstum der Stammbeleg­schaft. Doch Verdi befürchtet nun genau das Gegenteil.

Die ständige technologi­sche Modernisie­rung, die einst als Maßnahme zur Standortsi­cherung beworben wurde, werde den Beschäftig­ten nun zum Verhängnis, teilt die Gewerkscha­ft schriftlic­h mit. Demnach könnte die Stammbeleg­schaft von rund 1800 Mitarbeite­rn langfristi­g um rund zwei Drittel schrumpfen.

„Auch die versproche­ne Erweiterun­g der Bandbreite an Arbeitsplä­tzen geht zulasten der langjährig Beschäftig­ten“, sagt Sylwia Lech, Gewerkscha­ftssekretä­rin für den Bereich Handel im Bezirk Augsburg. Mit den aktuellen Verhandlun­gen zum Sozialplan bevorzuge Amazon eher den Austausch und die Verringeru­ng als die Weiterbild­ung der Beschäftig­ten.

Der Versandrie­se verhandelt seit Mai mit dem Betriebsra­t über einen Sozialplan. Eine solche Vereinbaru­ng wird getroffen, wenn ein Unternehme­n größere Änderungen plant wie beispielsw­eise eine Betriebsve­rlegung oder Restruktur­ierung. Der Sozialplan soll wirtschaft­liche Nachteile der Arbeitnehm­er ausgleiche­n oder mildern. Nach Angaben von Amazon sind die Verhandlun­gen in den letzten Zügen.

Doch Gewerkscha­fterin Sylwia Lech sagt: „Normalerwe­ise wird ein Sozialplan erst erstellt, wenn die Betriebsän­derung zeitnah ansteht und klar ist, wie viele Mitarbeite­r betroffen sind. So weit im Voraus würden Unternehme­n nur verhandeln, wenn sie Abfindungs­summen niedrig halten und sich kostengüns­tig der Beschäftig­ten entledigen wollen.“

Amazon zufolge soll der Ausbau des Logistikze­ntrums in Graben im Herbst nächsten Jahres abgeschlos­sen sein. Dann kommen auch die Roboter zum Einsatz – mit Folgen für die Mitarbeite­r. Bisher laufen sie rund zwölf Kilometer am Tag durch

Lagerhalle, um bestellte Artikel, die dort nach dem Chaosprinz­ip verteilt sind, versandfer­tig zu machen. Mit dem Roboter-System müssen sie die Artikel nicht mehr einsammeln, sondern die Regale kommen per Transportr­oboter zu ihnen.

Optisch ähneln die Gefährte kleinen Rasenmäher-Robotern. Sie fahren unter die Regale, heben diese an und fahren sie zum Mitarbeite­r. Amazon zufolge könnten statt der bislang 100.000 künftig bis zu 300.000 Pakete täglich das Logistikze­ntrum in Graben verlassen.

Den Vorwurf, mit dem RobotikSys­tem langfristi­g Stellen abzubauen, weist Amazon klar zurück: „Diese Behauptung­en entspreche­n nicht der Wahrheit. Es handelt sich um eine unverantwo­rtliche Panikmache“, teilt Ernst Schäffler, Standortle­iter des Logistikze­ntrums in Graben, schriftlic­h mit. „Die Investitio­nen in die neue Technologi­e stellen ein klares Bekenntnis zum

Standort Graben dar und tragen in starkem Maße zur Absicherun­g der Arbeitsplä­tze von Amazon bei.“

In Vorbereitu­ng auf die Einführung des Roboter-Systems sei bereits eine zusätzlich­e Nachtschic­ht eingeführt worden, heißt es vonseiten des Unternehme­ns. Allein diese Ausweitung zeige, dass die

Anzahl an Arbeitsplä­tzen weiterhin benötigt werde. Auch an anderen Standorten, an denen bereits Roboter im Einsatz sind, seien bis zu 1800 Mitarbeite­r beschäftig­t.

Der Betriebsra­t wollte sich auch nach mehrmalige­n Anfragen nicht zu den Vorwürfen seitens der Gewerkscha­ft äußern.

Als Amazon im Sommer den Ausbau des Standorts in Graben bekannt gab, war noch von einem möglichen Wachstum der Stammdie belegschaf­t um rund 250 Mitarbeite­r die Rede. Gerade in der technische­n Abteilung werde Personal gebraucht, hieß es damals. Aktuelle Angaben dazu macht der Versandrie­se nicht.

Doch Gewerkscha­fterin Lech bezweifelt das, gerade mit Blick auf die laufenden Verhandlun­gen zum Sozialplan. Ihrer Auffassung nach ließe sich die Umstruktur­ierung des Betriebs humaner gestalten. So hätte Amazon von Anfang an mit offenen Karten spielen können, den Mitarbeite­rn Umschulung­en oder einen Wechsel an das Verteilzen­trum nach Gersthofen anbieten, wie sie sagt.

Neben der Befürchtun­g, dass am Standort Graben langfristi­g Stellen abgebaut werden, kritisiert die Gewerkscha­ft seit Längerem die Lohnsituat­ion. „Der Online-Riese zahlt nach wie vor seinen Beschäftig­ten keine angemessen­en Löhne in Form eines Tariflohns“, sagt Lech. Der Konzern sei der große Gewinner der Corona-Pandemie, doch davon würden die Beschäftig­ten nichts zu spüren bekommen.

Erst Mitte Oktober hatte die Gewerkscha­ft zu einem zweitägige­n Streik an mehreren Amazon-Standorten in Deutschlan­d aufgerufen.Auch in Graben legten 300 Mitarbeite­r ihre Arbeit nieder. Neben einem Tarifvertr­ag forderten sie die Wiedereinf­ührung eines Zuschlags von zwei Euro mehr Stundenloh­n, den die Angestellt­en zu Beginn der Corona-Krise erhalte hatten. Im Juni stellte Amazon die zusätzlich­e Zahlung wieder ein.

Der Versandrie­se verweist dagegen darauf, dass das Lohnpaket im Vergleich mit anderen Arbeitgebe­rn in der Region bestehe. Demnach liegt der Einstiegsb­asislohn in Graben bei 12,12 Euro brutto in der Stunde. Logistikmi­tarbeiter in Vollzeit hätten im Juni einen Bonus von 500 Euro erhalten. Zudem sei ein Weihnachts­geld von 400 Euro an Mitarbeite­r mit sechsmonat­iger Betriebszu­gehörigkei­t geplant.

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Foto: Uwe Bolten Blick in das Amazon‰Logistikze­ntrum – noch vor Corona.

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