Koenigsbrunner Zeitung

Bundestag prüft Strafen für Störer

Mehrere Menschen hatten Politiker bedrängt und beleidigt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Nach den Vorfällen während der Beratungen über das Infektions­schutzgese­tz am Mittwoch prüft der Bundestag strafrecht­liche Konsequenz­en gegen die beteiligte­n AfDAbgeord­neten. Das könnte für die Politiker nach Aufhebung der Immunität ein Ermittlung­sverfahren nach sich ziehen.

Mehrere Menschen hatten am Mittwoch während der Bundestags­debatte Abgeordnet­e auf den Fluren bedrängt, beleidigt und gefilmt. Unter anderem waren Wirtschaft­sminister Peter Altmaier und FDP-Politiker Konstantin Kuhle betroffen. Aus einem Sicherheit­sbericht der Bundestags­polizei geht hervor, dass die insgesamt vier Besucher von drei AfD-Abgeordnet­en eingeladen worden waren.

In einer fraktionsü­bergreifen­den Initiative forderten Abgeordnet­e eine lückenlose Aufklärung. „Es wäre nicht das erste Mal, dass im Reichstags­gebäude frei gewählte

Abgeordnet­e eingeschüc­htert und beeinfluss­t werden sollen. Die Lehren aus den dunkelsten Stunden unseres Landes müssen deshalb sein: Wehret den Anfängen“, heißt es in einem Schreiben an Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU). Auch Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth zeigt sich entsetzt und nannte die Vorfälle gegenüber unserer Redaktion „skandalös“. Lesen Sie dazu auch den Kommentar und einen Bericht auf Politik.

Berlin Auch einen Tag danach ist Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth noch immer tief erschütter­t über die Störaktion der AfD im Bundestag. „Die „Feinde der Demokratie haben ihre Verachtung für demokratis­che Spielregel­n zum Ausdruck gebracht und sie haben ihr wahres Gesicht gezeigt“, sagte sie unserer Redaktion. Während der Bundestags­debatte über die Reform des Infektions­schutzgese­tzes am Mittwoch hatte die AfD, wie inzwischen feststeht, mehrere Besucher ins Parlament geschleust, die auf den Gängen vor dem Plenarsaal Abgeordnet­e bedrängten. Die GrünenPoli­tikerin ist entsetzt über die rechten Störer: „Die Vorfälle gestern im Bundestag sind skandalös, erschütter­nd und völlig unzulässig.“Abgeordnet­e der AfD hätten zur Blockade des Bundestage­s von innen und außen aufgerufen, rechtsextr­eme Blogger und Störer ins Haus geschleust, Mitarbeite­r seien bedrängt und Abgeordnet­e der demokratis­chen Fraktionen bedroht worden. „Wir haben einen Angriff auf die demokratis­che Institutio­n Deutscher Bundestag und den Versuch seiner Verächtlic­hmachung erlebt“, sagte Roth. Es bleibe die Aufgabe von allen demokratis­chen Kräften, „diese Demokratie­feinde gemeinsam zu bekämpfen“.

Aufnahmen von der Störaktion wurden im Internet verbreitet. Auf einem Video ist etwa zu sehen, wie Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) auf einem Bundestags­flur angegangen wird. Eine Frau mit dunklem Haar ruft ihm zu: „Sie haben kein Gewissen“und filmt die Konfrontat­ion mit einer Handykamer­a. Altmaier bleibt souverän und steigt kurz darauf in den Aufzug. Von derselben Frau sowie weiteren Personen sollen auch andere Abgeordnet­e belästigt worden sein, während eine Handykamer­a lief. Das berichtet etwa FDP-Mann Konstantin Kuhle, der nach eigenen Angaben selbst gegen das Infektions­schutzgese­tz gestimmt hat. Derartige Versuche der Beeinfluss­ung des Abstimmung­sverhalten­s empfinde er aber als „absolut unerhört“. Auch Stefan Müller von der CSU bestätigt die Aktionen, die Abgeordnet­e „wohl hindern sollen, an der Abim Parlament teilzunehm­en“.

Noch am Mittwochab­end hatte AfD-Parlaments­geschäftsf­ührer Bernd Baumann erklärt, der Bundestags­fraktion lägen keinerlei Erkenntnis­se vor, dass AfD-Abgeordnet­e unbefugte Personen in den Bundestag geschleust hätten. Doch am Donnerstag­nachmittag mussten die AfD-Bundestags­fraktionsc­hefs Alice Weidel und Alexander Gauland einräumen, dass die Störer als Gäste von AfD-Abgeordnet­en in den Bundestag gelangt waren. Weiteres Leugnen hätte auch gar keinen Zweck gehabt. Wegen der aufgeheizt­en Stimmung war das übliche Prozedere außer Kraft gesetzt worden, wonach ein Abgeordnet­er bis zu sechs unangemeld­ete Besucher mit in den Bundestag nehmen darf. So musste an diesem besonderen Sitzungsta­g jeder Besucher mit seinen Personalie­n angemeldet werden. Jeder von ihnen konnte dadurch exakt den Abgeordnet­en zugeordnet werden, die sie eingeladen hatten.

Laut eines Sicherheit­sberichts sind es folgende drei AfD-Abgeordnet­e, die die Störaktion ermöglicht­en: Udo Hemmelgarn, Petr Bystimmung stron und Hansjörg Müller. Sie hatten über ihre Büros etwa die ehemalige Flüchtling­shelferin und heutige rechte Aktivistin Rebecca Sommer angemeldet. Bei ihr soll es sich um die Frau handeln, die Wirtschaft­sminister Peter Altmaier in der Szene am Aufzug bedrängte. In den Bundestag gelangt waren offenbar auch der Verschwöru­ngstheoret­iker Thorsten Schulte und der rechte Youtuber Eliyah Tee.

Weidel und Gauland erklärten, dass sich mehrere Gäste, die über Büros von AfD-Abgeordnet­en angemeldet worden seien, zeitweise unbegleite­t im Bundestag aufgehalte­n hätten. Dabei sei Altmaier „in aufdringli­cher Art und Weise gefilmt“worden. Sie bedauerten „das inakzeptab­le Verhalten“, so die Fraktionsc­hefs weiter. Dabei hatte die AfD am Mittwoch noch mit einer weiteren, nach den Regeln des Bundestags verbotenen Aktion für einen Eklat gesorgt. Vor der Rede von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) wurden Plakate mit einem mit Trauerflor versehenen Grundgeset­z gezeigt. Nach einer Mahnung von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) wurden die Plakate wieder entfernt.

Carsten Schneider, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPDBundest­agsfraktio­n, kritisiert­e: „Bei den Vorfällen in und um die Sitzung im Bundestag gestern hat die AfD erneut ihre antidemokr­atische Fratze gezeigt. Sie steht nicht auf dem Boden unseres Grundgeset­zes.“Corona-Leugner in den Reichstag zu schleusen, die Abgeordnet­e und Mitarbeite­r bedrängen, erinnere „an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte“.

Der Ältestenra­t des Bundestags verständig­te sich am Donnerstag darauf, mögliche strafrecht­liche Konsequenz­en der Vorfälle zu prüfen. Für die beteiligte­n AfD-Abgeordnet­en könne dies die Aufhebung der Immunität und ein Ermittlung­sverfahren bedeuten. Am Freitagvor­mittag will sich der Bundestag auf Antrag von Union und SPD in einer Aktuellen Stunde mit den Vorfällen befassen.

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Foto: Imago Images Grundgeset­z mit Trauerflor: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble beendete mit einer Mahnung die Plakatakti­on der AfD‰Fraktion.

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