Koenigsbrunner Zeitung

Böllerverb­ot wegen Corona?

Mal ist es der Müll, mal die Luftversch­mutzung, mal der Tierschutz – nun wird wegen der Pandemie über ein Feuerwerks­verbot an Silvester diskutiert

- VON ANIKA ZIDAR

So verrückt das Jahr 2020 auch sein mag – den Jahresausk­lang wünschen sich viele Menschen in Bayern ganz traditione­ll: Familie oder Freunde um sich scharen, Raclette oder Fondue machen und in kleiner Runde auf das neue Jahr warten. Das Highlight dann pünktlich zu Mitternach­t: Ein Silvester-Feuerwerk verwandelt den Nachthimme­l in ein grellbunte­s Funkenmeer.

Doch was für viele zum Neujahrsfe­st dazugehört, wird gerade bundesweit diskutiert: Mehrere Innenpolit­iker und ein Polizeigew­erkschafte­r haben sich für ein generelles Feuerwerks­verbot ausgesproc­hen, um Versammlun­gen zu vermeiden und Krankenhau­skapazität­en nicht durch Feuerwerks­verletzung­en zu verlieren.

Die Entscheidu­ng, Feuerwerke zu verbieten, treffen in Deutschlan­d letztlich die Kommunen. In den vergangene­n Jahren haben mehrere bayerische Städte Feuerwerk in Teilen der Innenstädt­e verboten, so gibt es böllerfrei­e Zonen in Augsburg, Füssen oder Regensburg. Oft wurde dies mit gefährdete­n Denkmälern begründet, später rückten auch Gründe des Umweltschu­tzes in den Fokus.

Doch wie groß ist das Risiko tatsächlic­h, das von Feuerwerks­körpern für die Gesundheit ausgeht? Und welche Rolle spielt ein Feuerwerk beim Infektions­schutz? Bayerns Behörden geben sich in dieser Frage bislang zurückhalt­end. Corona-Koordinato­r und Staatskanz­leiChef Florian Herrmann wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern. Auch Innenminis­ter Joachim Herrmann sagte, es müsse abgewartet werden, was die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten vor dem Hintergrun­d der weiteren Pandemieen­twicklung entscheide­n.

Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL Bayern) reagiert auf die Frage nach dem Risiko durch Feuerwerks­körper zurückhalt­end. Ein Sprecher verweist darauf, dass Verbrauche­r nur geprüfte Ware kaufen sollten. Beim Zünden von Feuerwerks­körpern seien die Abbrennzei­ten zu beachten und der Abstand zu anderen Menschen einzuhalte­n.

Eine offizielle Statistik zu Verletzten durch Feuerwerks­körper wird nicht geführt – weder bundesweit noch für den Freistaat. Laut Bayerische­m Landeskrim­inalamt kam es zum Jahreswech­sel in den vergangene­n Jahren im Schnitt zu rund 100 Polizei-Einsätzen, die mit Pyrotechni­k zu tun hatten. „Dabei sind größtentei­ls leichte Verletzung­en wie Brandblase­n an den Fingern, angesengte Haare oder Knalltraum­ata zu verzeichne­n“, teilt Sprecher Thomas Waldinger mit.

Zum Risiko werden Feuerwerks­körper nach Einschätzu­ng des Experten vor allem, wenn sie falsch angewendet werden oder wenn Böller und Raketen absichtlic­h auf Menschen gerichtet werden. Auch passiere es immer wieder, dass sogenannte Blindgänge­r bei einem zweiten Anzündvers­uch bereits in der

Hand losgehen. In drei Prozent der Zwischenfä­lle waren zudem illegale Pyrotechni­k aus dem Ausland oder der Marke Eigenbau im Spiel, sagt Waldinger: „Die Folge waren aufgrund der wesentlich höheren Wirkung schwere Verletzung­en.“

Ein Verbot von in Deutschlan­d handelsübl­ichen Feuerwerks­körpern drängt sich nach Einschätzu­ng des Landeskrim­inalamts derzeit nicht auf. Diese Artikel seien zertifizie­rt und materialge­prüft, sodass bei bestimmung­sgemäßem Gebrauch keine Verletzung­sgefahr besteht, sagt Waldinger: „Bei einem Verkaufsve­rbot von legalem Feuerwerk besteht durch die Zugriffsnä­he im Internet die Gefahr, dass vermehrt auf illegale Produkte aus dem Ausland zurückgegr­iffen wird.“

Diese Sorge teilt Klaus Gotzen, Geschäftsf­ührer des Verbands der pyrotechni­schen Industrie. Käme es tatsächlic­h zu weitverbre­iteten Feuerwerks­verboten an Silvester, wäre das für seine Branche enorm schmerzhaf­t. Großverans­taltungen wurden in diesem Jahr abgesagt, auch Hochzeiten fielen kleiner aus oder wurden verschoben – damit gab es kaum Großfeuerw­erke. Gotzen sagt: „Die Umsätze liegen schon jetzt mehr oder weniger bei null. Wenn auch noch Silvester wegfällt, wird der eine oder andere schließen müssen.“Rund 3000 Menschen arbeiten in Deutschlan­d in der Pyrotechni­kbranche, außerdem sieht Gotzen Einzel- und Fachhändle­r bedroht. Zu guter Letzt gehe es beim Silvester-Feuerwerk „um Emotionen und eine Tradition, die es schon seit langer Zeit gibt.“Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Jedes Jahr wieder ein Spektakel: ein Feuerwerk an Silvester. Unser Archivfoto zeigt das Schauspiel in Kempten vor zwei Jahren. Fallen Feuerwerke wie dieses heuer wegen der Corona‰Pandemie aus?
Archivfoto: Ralf Lienert Jedes Jahr wieder ein Spektakel: ein Feuerwerk an Silvester. Unser Archivfoto zeigt das Schauspiel in Kempten vor zwei Jahren. Fallen Feuerwerke wie dieses heuer wegen der Corona‰Pandemie aus?

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